Adrian - Verwirrte Gedanken

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(Hearts)

"Mr. Aldrich, wir benötigen unbedingt die Auswertung der letzten Daten", meinte die Mitarbeiterin, deren Namen ich schon wieder vergessen hatte. Eigentlich konnte ich mir Namen gut merken, aber vielleicht hatte diese Frau mit ihrer ständigen Nerverei einen Schalter in meinem Gehirn umgelegt.

"Ich sagte, dass ich mich beeile und Sie die Daten erhalten, sobald ich das Programm zur Auswertung fertig geschrieben habe", versuchte ich weiterhin so höflich wie möglich zu antworten, obwohl sie mich in den letzten zwanzig Minuten drei Mal danach gefragt hatte.

Was dachte sie denn, wie schnell so ein umfangreiches Skript geschrieben war? Und es sollten ja auch keine Fehler darin vorkommen, die die Daten verfälschen würden. Am liebsten hätte ich sie an meinen Rechner gesetzt und ihr gesagt, dass sie das Skript auch gerne selbst schreiben oder ihre verdammte Auswertung auch gerne per Hand machen konnte. Dazu müsste sie ja auch nur etwa eine knappe Million an Kundensätzen durchgehen.

Mit einer missmutigen Miene machte sie sich wieder aus dem Staub und ließ mich in meinem Miniaturbüro, das den Namen kaum verdiente, wieder alleine.

Zwei Wochen saß ich jetzt schon hier und programmierte wie ein Weltmeister, brachte das System auf den neuesten Stand und erledigte nebenbei sämtliche Aufgaben, die so an mich herangetragen wurden und die hausinterne IT zu überfordern schienen. Ich hatte so viel Arbeit, dass ich bisher noch nicht einmal dazu gekommen war, mir ein bisschen was von Argentinien anzusehen.

Manchmal fragte ich mich, was ich hier eigentlich machte. Ein Gefühl sagte mir, dass ich jetzt zu Hause sein sollte und nicht in einem fremden Land, in dem ich niemanden kannte.

Dabei hatte ich noch nie zuvor Heimweh. Eigentlich hatte ich mich immer gefreut, wenn ich Projekte im Ausland ergattern konnte. So konnte ich viel von der Welt sehen, war immer unterwegs, sammelte Eindrücke. Und ich verdiente auch ziemlich gut dabei.

Aber dieses Mal war es einfach anders. Mir ging Robyn einfach nicht aus dem Kopf. Immer wieder schlich sie sich in meine Gedanken, aus denen ich sie dann schnell wieder verscheuchte. Aber sie hatte sich schon so in meinem Kopf eingenistet, dass es mir kaum noch möglich war, einfach die Schotten dicht zu machen. Symbolisch gesprochen natürlich.

Immer wieder tauchte der quirlige Blondschopf vor meinem geistigen Auge auf. Ich sah sie lachen, sah die kleine Falte auf ihrer Stirn, wenn sie wütend war. Ich merkte, wie ich zum Grinsen anfing, als ich daran dachte, wie ich sie zum ersten Mal gesehen hatte. Sie musste gerade aus der Dusche gekommen sein und hielt mit Mühe und Not nur ein kleines Handtuch um ihren Körper fest.

Wann hatte sie sich in mein Leben geschlichen? Wie war sie in meinen Gedanken gelandet?

Ich konnte noch ihren Körper an meinem spüren, als wir die Wasserschlacht gemacht hatten, ihre nasse Haut unter meinen Fingern. Sandy hatte da schon später, als wir alleine waren, eine Bemerkung fallen lassen, die ich aber nur mit einer wegwerfenden Handbewegung abtat. Robyn und ich würden 'zusammenpassen'. Die Kleine war acht Jahre jünger als ich und hatte noch nicht einmal ihren Abschluss in der Tasche. Wahrscheinlich wusste sie noch nicht einmal selbst, was sie mit ihrem Leben anfangen sollte.

Und trotzdem saß ich jetzt hier, mehrere Flugstunden von zuhause entfernt und dachte über sie nach, während ich eigentlich meine Arbeit machen sollte.

Sechs Wochen müsste ich noch durchhalten. Eigentlich hatte ich Robyn gesagt, ich würde sie einmal die Woche anrufen. Wieso, wusste ich selbst nicht genau. Aber langsam begann ich mir einzugestehen, dass ich wohl einfach nur ihre Stimme hören wollte.

Aber jetzt, wo ich wirklich weg war, hatte ich das Gefühl, dass ich nicht einfach mit ihr telefonieren konnte. Letzte Woche hatte ich ihr nur eine Mail geschrieben und gefragt, ob alles in Ordnung war. Ob wichtige Post gekommen war.

Jede persönliche Frage hatte ich mir selbst verboten.

Aber ich wollte ihr wenigstens ein kleines Dankeschön mitbringen. Gedanklich machte ich mir eine Notiz, dass ich Robyn etwas typisch argentinisches mitbringen würde. Eine Idee hatte ich sogar schon. Robyn würde sich sicherlich darüber freuen. Bei dem Gedanken musste ich schmunzeln.

Sechs Wochen.

"Mr. Aldrich?" Die Frau von vorhin steckte schon wieder ungeduldig ihren Kopf zur Tür herein.

"Eine Sekunde noch." Schnell tippte ich die letzten Codeschnipsel ein und erstellte die Auswertung. Ich scannte kurz ein paar der Eckdaten, die zu stimmen schienen und druckte sie dann aus. Den Papierstapel überreichte ich dann der Frau.

"Danke", sagte sie und kurz zeichnete sich ein kleines, müdes Lächeln ab. Wahrscheinlich war sie auch einfach nur ausgelaugt und hatte von ihrem Boss den Druck auferlegt bekommen, den sie an mich weitergab. Sie verschwand und ich wandte mich wieder dem Bildschirm zu.

Nur noch sechs Wochen.

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Da es im gesamten Buch 'Hearts' kein einziges Kapitel aus der Sicht von Adrian gibt, dachten wir, dass euch ein kleiner Einblick in seine Gedankenwelt gefallen würde :b

HeyGuys77 & Tyskerfie <3

One ShotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt