Can you Survive?

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Erik stand auf dem Marktplatz und blickte entsetzt auf den schwarzen großen Fellball vor sich. Aus der Flanke des Panthers rann Blut, zwar in geringen Mengen, aber er wusste ja nicht wie viel Blut das Tier auf dem Weg hierher schon verloren hatte. Er wusste ja nicht einmal, wieso es überhaupt verletzt war. Anderson besah sich die Wunde. „Sie hat viel Blut verloren, Erik. Ich werde die Wunde sofort nähen, jedoch wird sie für ein paar Tage nicht einsatzfähig sein. Sie muss sich erst einmal gut ausruhen." Erik nickte verständnisvoll, ändern konnte er an der Situation sowieso nichts. Wieso hatte er aber auch nicht besser aufgepasst. „Junger Herr, der Meister wünscht euch zu sprechen." Er drehte sich zu der Gruppe von Männern um. Palastwachen. Er seufzte. „Kann das nicht noch etwas warten? Wie ihr seht habe ich gerade andere Probleme." Doch die Wachen bestanden darauf und Erik wollte nicht wirklich Ärger mit dem Boss, also folgte er ihnen. Der Panther war bei Anderson schließlich in guten Händen.

Sie gingen durch den Wald, bis sich ein riesiger Palast vor ihnen erstreckte. Er war hauptsächlich in Weiß und Grau gehalten und von gotischem Baustil. Die Fensterrahmen waren golden verziert, ebenso wie das eiserne Tor vor ihnen, auf dessen Pfosten zwei aus Stein gemeißelte Hirsche standen. Vor dem Schloss befand sich ein gigantischer Garten, der teils von einer gleichfarbigen Mauer umgeben war, an dessen Außenseite hier und da Efeu seinen Weg die Wand hinauf suchte. Da Sommer war, war der Garten in seiner vollen Pracht zu bewundern. Viele Blumen blühten in rot, blau und weiß. Doch das Herzstück des Gartens war ein Beet aus schwarzen Rosen, die in voller Blüte standen. Vor dem Garten befand sich ein unendlich wirkendes Feld. Das smaragdgrün glänzende Gras tanzte mit dem Wind, versuchte die Unendlichkeit zu fangen. Das Grundstück war groß, doch wenn man nicht wusste, dass sich dort ein Palast befand, wirkte all dies unsichtbar. Da das Anwesen tief im Wald stand, war die Chance, dass die Jäger es fanden sehr gering. Sie würden sich niemals so tief in den Wald wagen. Ein schelmisches Grinsen schlich auf Eriks Gesicht. Das war auch gut so, andernfalls würden sie ein zusammentreffen eh nicht überleben.

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Roxanne blieb ruckartig stehen. In der Ferne war etwas vorbeigehuscht, da war sie sich sicher. Der Wind rauschte durch die Blätter der Bäume und sorgte für eine geisterhafte Atmosphäre. Erneut huschte etwas am Horizont vorüber. Roxanne versteckte sich hinter einem Baum und wartete. Sie vernahm das knacken von brechenden Ästen und hörte Schritte, die sich ihr näherten. Sie blickte vorsichtig um den Baum herum, doch da war nichts. Nichts, was diese Geräusche hätte verursachen können. Sie fragte sich, ob sie langsam am Durchdrehen war, doch da hörte sie erneut ein Knacken hinter sich. Sie drehte sich um, machte sich auf das Schlimmste gefasst, doch dort war wieder nichts. Allmählich bekam Roxanne Panik. Sie war sich sicher, dass diese Geräusche real waren, doch dann müsste sie deren Ursprung sehen, und dies war nicht der Fall. Sie sah erneut um den Baum herum, und bemerkte ein hell glänzendes Licht, das aus allen Ecken des Waldes zu scheinen schien. Nun war sie sich sicher, dass sie verrückt war. Sie trat hinter dem Baum hervor, und meinte eine Art Pfad zu erkennen, der durch den Wald führte. Nach kurzem zögern beschloss sie dem Pfad zu folgen. Nach ein paar Metern bemerkte sie kleine orangeleuchtende Laternen die an den Bäumen hingen. Sie blieb kurz stehen um das unnatürlich klare Lucht zu bewundern,  ehe sie weiter ging. Der Pfad führte sie zu einem kleinen See. Zuerst dachte sie es sei ein Fluss, wegen der langgezogenen, schmalen Form, doch die Wasseroberfläche bewegte sich kein bisschen. Sie trat an das Seeufer heran und sah ins Wasser. Sie sah eine junge Frau, mit langem blondem Haar, das wie ein Schleier über ihre Schultern fiel und strahlend blaue Augen. Sie sah in ihr Spiegelbild. Dennoch, etwas wirkte anders. Roxanne konnte nicht sagen, was es war, aber etwas stimmte mit diesem Mädchen nicht. Der Ausdruck in ihren Augen war anders, allgemein ihr Erscheinungsbild war anders, als das von ihr selbst. Roxanne streckte ihre Hand nach der Wasseroberfläche aus, als plötzlich ein Knacken hinter ihr ertönte. Sie zuckte zusammen, versteifte sich, wagte es nicht einmal zu atmen. Sie bekam mit, wie sich langsam etwas auf sie zu bewegte. Sie sah vorsichtig hinter sich, doch dort war niemand. Sie blickte wieder nach vorne und sah vor ihr, auf der anderen Seite des Sees einen Schatten und vier Hufe. Sie ließ ihren Blick weiter an der Gestalt hinaufwandern. Sie hatte lange, schlanke Beine, bräunliches Fell, das auf der Bauch und Brustseite von schneeweißem verdrängt wurde. Einen schlanken, hochgewachsenen Hals, auf dem ein geschmeidiger Kopf saß mit einer ziemlich langen Schnauze, und zwei mandelförmige dunkle Augen an den Kopfseiten. Die aus weißem Fell aufgeplusterten Ohren, waren aufgestellt und suchten in der Stille nach jedem noch so kleinen Geräusch. Auf dem Kopf des Tieres thronte ein prachtvoll geschwungenes beiges Geweih das sich dem Himmel entgegenzustrecken schien. Roxanne starrte den Hirsch vor sich an. Sie hatte noch nie ein so schönes Rotwild gesehen, dessen Fell in dem strahlenden Licht der untergehenden Sonne golden schimmerte. Unbewusst streckte sie ihre Hand nach dem Wesen aus. Als ob der Hirsch diese Geste verstanden hätte, setzte er sich in Bewegung und schritt mit langsamen, großen Schritten ans Seeufer, um anschließend elegant einen Fuß auf die Wasseroberfläche zu setzen. Anders als jedes Tier, jeder Mensch sank es jedoch nicht ins Wasser ein, sondern blieb auf dessen Oberfläche. Er warf auch kein Spiegelbild im See. Der Hirsch kam fast schon zaghaft auf Roxanne zugeschritten, dabei wirkte er wie ein vom Himmel gesandtes Wesen. Diese prachtvolle Schönheit, und diese Eleganz, die es ausstrahlte, waren atemberaubend. Als er nur noch wenige Zentimeter von Roxanne entfernt war, senkte er langsam seinen Kopf auf die Höhe von Roxannes Hand. Es schien ihr, als würde das Rotwild ihr unentwegt in die Augen starren, den kleinsten Funken von Bosheit suchen. Sie bewunderte die Stärke, die es ausstrahlte, als es seinen Kopf mit dem prunkvollen Geweih senkte. Roxanne glaubte sogar dünne golden und silbern schimmernde Fäden zwischen den Geweihspitzen zu sehen, was den Hirsch nur noch atemraubender machte. Er schnaubte zärtlich gegen ihre Fingerspitzen, was ein angenehmes Kribbeln auf Roxannes Haut zurückließ. Er reckte den Kopf noch ein Stück näher, und war kurz davor ihre Handfläche mit seiner Schnauze zu berühren, als er seinen Kopf ruckartig hob. Roxanne selbst erschrak bei der ruckartigen Bewegung, des zuvor noch so ruhig wirkenden Tieres. Als er jedoch keine Gefahr zu erkennen schien drehte er seinen Kopf wieder langsam zu ihr. Noch während dieser Bewegung wurde er zur Seite gerissen. Roxanne konnte sich nicht bewegen, sie wusste nicht was sie machen sollte, sie konnte nur entsetzt auf die Szene vor ihr blicken. Der Hirsch lag nicht wenige Meter von ihr entfernt im Wasser, das sich schlagartig rot färbte. Über ihm war ein rötliches Wesen mit schwarzen Streifen gebeugt. Ein Tiger, schoss es Roxanne durch den Kopf. Der Tiger war, wie fast alle Tiere übernatürlich groß, was nicht alleine das ausschlaggebende für ihre Angst war. Die gesamte linke Flanke des Tigers, ebenso wie die Schultern bestanden nur aus Knochen und ein paar Fleischfetzen. Es wirkte, als hätte man ihm die Haut und das Fleisch gewaltsam herausgerissen, was kein schöner Anblick war. Auch fehlte ein Teil des Schwanzes, und am Unterkiefer befand sich wie an Flanke und Schultern nichts außer blanke, blutverschmierte weiße Knochen. Es war wie ein Wunder, dass der Tiger sein Maul noch schließen und öffnen konnte, doch dies tat er, als EE nach dem Hals des Hirsches schnaoote. Roxanne bekam Angst. Was sollte sie jetzt machen? Weglaufen und Schutz suchen, oder sich eine Waffe suchen und dem Hirsch helfen? Der Tiger stieß mit einem Krächzen seine langen, scharfen Krallen in die Flanke des Hirsches, der ein schmerzerfülltes Quicken von sich gab. Immer wieder holte er aus und stieß seine Krallen in das ächzende Wesen unter ihm, das sich mit all seiner Stärke versuchte zu wehren. Das Rotwild strampelte mit den Beinen, verrenkte seinen Kopf, um den Angreifer mit seinem Geweih zu verletzen, jedoch traf es nicht. Der Tiger öffnete sein Maul, und senkte ruckartig den gewaltigen Kopf mit den weißschimmernden Zähnen. Diese bohrten sich in den Rücken des Hirsches, was diesen dazu brachte seinen Kopf zu heben und einen qualvollen Schrei auszustoßen. Während die Raubkatze den Kopf hin und her riss, um ein Stück Fleisch aus dessen Rücken zu reißen, versuchte der Hirsch weiterhin verzweifelt sich zu befreien. Das wunderschöne braune Fell war inzwischen an vielen Stellen von einer tiefroten Flüssigkeit verklebt worden. Roxanne musste eingreifen, sie konnte doch nicht einfach beim Todeskampf des zuvor so freundlichen Tieres nur zusehen. Sie nahm sich einen Stein und warf diesen auf den Tiger. Ihr war bewusste, dass dies nicht viel bringen würde, doch wenn sie die Aufmerksamkeit des Tigers auf sich lenken konnte, und dann nur schnell genug weglaufen würde, wäre der Hirsch vermutlich gerettet, vorausgesetzt, er überlebte die Verletzungen. Der Stein traf den Tiger am Kopf,  woraufhin er inne hielt. Tatsächlich ließ die Raubkatze los, und drehte ihren Kopf in Roxannes Richtung. Sie zögerte nicht lange und lief. Sie lief in die Tiefen des Waldes hinein. Lief weg von diesem abscheulichen Kampf der sich ihr geboten hatte. Ihr Bruder hatte tatsächlich oft gegen sowas wie diesen Tiger gekämpft? Ich sollte meinen Wunsch Jäger zu werden vielleicht nochmal überdenken. Die Nacht war inzwischen angebrochen, Sterne erstreckten sich über dem Himmel, der Vollmond schien in vollster Pracht und ein angenehmer warmer Wind umschmeichelte Roxannes Haut. Sie lief und lief, der Wald kam ihr wie ein riesiges Labyrinth vor, und sie musste schnellstmöglich den Ausweg finden, sollte sie jedoch in eine Sackgasse laufen, oder nicht schnell genug sein, würde das Monster hinter ihr sie töten, ohne mit der Wimper zu zucken. Sie lief weiter, stolperte, fing sich jedoch und rannte geradeaus durch den Wald. Das Geräusch brechender Äste, raschelnder Blätter und schnellem dumpfem Aufschlagen auf dem Boden, veranlassten sie dazu, noch schneller zu rennen. Ihre Lungen brannten, und ihre Beine wurden immer schwerer, allein die Angst vor dem Tod hielt sie in Bewegung. Nicht weit von ihr entfernt befand sich der Waldrand, was dann wohl der Ausgang sein musste. Dann musste Roxanne nur noch jemanden finden, der ihr Leben rettete. Hoffnung breitete sich in ihr aus, sie begann sogar leicht zu lächeln. Endlich hatte sie eine Chance dem Tiger zu entkommen, ihr Leben zu retten. Vielleicht traf sie ja auf ein paar Jäger, was ihr nur zu Gute käme. Sie berührte einen Baum am Waldende mit ihrer Hand, schob sich mit letzter Kraft nach vorne und schloss ihre Augen. Der Wind schlug ihr Haar zurück. Sie war gerettet. Sie öffnete ihre Augen wieder und sank auf die Knie. Vor ihr erstreckte sich eine gigantische Felswand. Das darf doch alles nicht wahr sein! Sie vernahm ein knurren hinter sich. Roxanne drehte sich um und sah den Tiger an. Sie starrte ihn einfach nur an, während er langsam näher kam. Jetzt hatte er sie genau da, wo er sie haben wollte, in einer Sackgasse und sie konnte nichts dagegen unternehmen. Sie war ihm hilflos ausgeliefert. Hatte alle Hoffnung verloren, durch Ängste ersetzt. Der Tiger kauerte sich zusammen, war sprungbereit. Roxanne hielt die Luft an, ließ die letzten Tage noch einmal Revue passieren. Sie öffnete ihre Augen genau in dem Moment, als der Tiger sprang. Mit einem Schlag waren all die Ängste ihr so real vor Augen, dass ihr die Luft wegblieb. Ihre Augen weiteten sich in Schock. Plötzlich wurde der Tiger aus ihrem Blickfeld gerissen und helles Licht schien in ihr Blickfeld, zwischen den Bäumen hervor. Sie vernahm einen lauten Knall neben ihr, und drehte ihren Kopf nach rechts. Dort lag der Tiger. Auf einmal wurde das Licht nich heller. So sehr es in ihren Augen schmerzte,  sie konnte den Blick nicht vom Waldrand abwenden. Schlanke Beine. Rein golden schimmerndes Fell. Der Hirsch.

Der Tiger erhob sich langsam, sträubte sein Fell und fauchte den Hirsch an. Er sprang auf das Rotwild zu, welches jedoch sofort reagierte, die Beine für einen sichereren Stand spreizte, und seinen Kopf leicht beugte. Der Tiger landete mit seinem Brustkorb direkt auf dem Geweih und stieß ein schmerzerfülltes Krächzen aus. Der Hirsch zögerte nicht lange und warf seinen Kopf nach hinten, wodurch er den Schwung den der Tiger gebracht hatte nutzte, um selbigen hinter sich auf den Boden zu schleudern. Roxanne wich an die Felswand, drückte ihren Rücken gegen das kalte Gestein. Wieder einmal wurde ihr klar, wie gefährlich diese Welt doch war. Etwas verwunderte sie jedoch, der Hirsch hatte keine Verletzungen mehr. Überall, wo der Tiger vorhin sein Unheil angerichtet hatte, war nichts mehr zu sehen. Kein Blut, keine Fleischwunde, nichts. Als hätte der Kampf vorher nie stattgefunden. Als der Tiger wieder stand, lief der Hirsch mit gebeugtem Kopf los. Seine Hufe donnerten über den Waldboden, als er sich dem Tiger näherte. Dieser sprang in letzter Sekunde über den Hirsch hinweg, und landete hinter diesem sanft auf dem Grund. Das Klacken der Knochen, als sie beim Aufprall aufeinander schlugen war deutlich wahrzunehmen, und ein wenig Blut rann an den aufgerissenen Stellen hinab. Das Rotwild wäre beinahe mit dem Schädel gegen eine Eiche geschmettert, wäre es nicht zum Stehen gekommen. Ehe der Hirsch wieder vollkommen bei Sinnen war, rannte die Raubkatze los. Sie übte einen kleinen Sprung aus, wobei sie eine Pfote nach dem Beutetier ausstreckte, und mit der Pranke nach eben diesem schlug. Ein lautes kratzen war zu hören, als die Krallen ihr Ziel zerrissen.

There is Nothing but SilenceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt