6 - Geschichten am Lagerfeuer

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So geschah es, dass Theron den Kopfgeldjäger auf seiner Reise begleitete. Cobiça bot dem Jungen an, auf seinem Esel (der übrigens Till hieß) zu reiten; doch Theron verzichtete bald darauf, da der Abgrund vom Rücken des Tieres aus noch viel tiefer wirkte und er bei jeder Haarnadelkurve angstvoll die Augen schließen musste. Sie hatten die Burg inzwischen weit hinter sich gelassen und befanden sich nun auf der Rückseite des Berges. Von hier aus ließ es sich weit blicken. Theron übersah eine weite Ebene mit grünen Wiesen und goldenen Feldern, an die sich kleine Gemeinden anschlossen, die aus nicht viel mehr als vier oder fünf Häusern bestanden. Dahinter lag ein weiterer Dschungel, noch viel größer als der Urwald um Immernacht. Durch diesen zog der Fluss Pen seinen krummen Lauf, der irgendwo hinter den Bergen am Horizont die Grenze zu Ferth übertrat.

Cobiça hatte sich angehört, was Theron von den Geiern über die Schlacht auf der Burg in Erfahrung gebracht hatte. Als er sich von Theron das Zeichen auf dem Schild beschrieben ließ, hatte der Kopfgeldjäger nur wissend genickt. »Der Weiße Daumen. Üble Gesellen. Eine Söldnerbande, die nicht davor zurückschreckt, ihrem Herrn den Kopf abzuschlagen, wenn der Feind einen höheren Preis bietet. Wenn sie marschieren, halten sie ein großes, schwarzes Tuch über ihre Köpfe. Es trägt ihr Zeichen, damit die Leute schon von weitem erkennen, mit wem sie es zu tun haben. Eine sehr wirkungsvolle Taktik; die Bevölkerung flieht meist Hals über Kopf aus den Dörfern, weil sie wissen, dass der Weiße Daumen niemals Gefangene macht. Gnade dem, der sich nach der Eroberung noch dort aufhält.«

Theron erinnerte sich an den Scheiterhaufen im Burghof, und ein Schauer lief seinen Rücken hinunter. »Glaubst du, dass wir ihnen begegnen werden?«

»Nein, das ist nicht sehr wahrscheinlich. Diese Söldner machen niemals Rast und sind gewiss schon auf dem Weg zu ihrem nächsten Ziel. Aber wenn doch, sollten wir einen großen Bogen um sie machen.«

Dieser Meinung war Theron auch.

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Die beiden und der Esel gelangten innerhalb von zwei Stunden hinab ins Tal, gerade noch rechtzeitig, denn die Abendsonne färbte bereits die Hügel am Horizont rot. Cobiça ließ Theron etwas abseits des Weges in einer Sandkuhle ein Lagerfeuer aus Stuhlbeinen errichten, die er aus Burg Sedid hatte mitgehen lassen.

»Wird Zeit, mit dem Buch zu beginnen«, befand Cobiça und nahm eine Handvoll einseitig beschriebenes Pergament aus einer Seitentasche des Esels. »Mit besserem Papier kann ich leider nicht dienen. Ich hatte bisher keine Verwendung dafür.«

Theron besah sich die Zettel. Sie alle zeigten Zeichnungen von grimmig dreinblickenden Gesellen: Männer mit wildgewachsenen Bärten, die böse grinsend ihre schiefen Zähne präsentierten. Darunter standen jeweils kurze Beschreibungen des Äußeren sowie die ausgeschriebene Belohnung. Der Text endete immer mit den Worten ›tot oder lebendig‹.

»Was ist das?«

»Fahndungsplakate. Jeder von den Burschen ist ein Verbrecher, der vor seiner gerechten Strafe davongelaufen ist. Wenn ich sie wieder einfange, erhalte ich eine Belohnung. Das ist die Aufgabe eines Kopfgeldjägers – Hier, nimm.« Er reichte Theron ein angespitztes Stück Kohle und setzte sich dann im Schneidersitz ans Feuer.

In freudiger Erwartung setzte Theron die Kohle auf dem Papier an und fragte: »Wie soll deine Geschichte heißen?«

»Ach ja, mein Leben braucht ja einen Titel... Ich bin nicht besonders gut in so was.« Er zupfte sich nervös am Kragen. »Wie wäre es mit: ›Wunderliche Fata über den mutigen Kopfgeldjäger Carlo Cobiça, Schrecken aller Schurken, heldenhaftester Held, Rächer der Betrogenen, Beschützer der Schwachen, Fechtmeister, Tapferster der Tapferen, Kräftigster der Kräfitgen...«

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⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 22, 2016 ⏰

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