Kapitel 1

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Mit schwerem Herzen stand ich auf und stellte mich vor meinen Kleiderschrank. Heute war mein letzter Arbeitstag hier in der Dorf eigenen Buchhandlung. Mir machte der Job dort sehr viel Spaß, weil Lesen eine große Leidenschaft von mir ist und der Kontakt mit den Kunden und das Austauschen von Erfahrung und Meinungen über Bücher ist sehr interessant. Aber ab nächster Woche wird die Buchhandlung geschlossen sein. In einem kleinen Dorf wie diesem mit nur knapp 10.000 Einwohnern lohnt es sich einfach nicht, wozu auch, denn viele Menschen schaffen sich einen E-Reader an oder bestellen ihre Bücher im Internet. Ich persönlich mag das Gefühl lieber die Bücher in der Hand zuhalten und Seite für Seite umzublättern und zusehen wie nah das Ende schon ist. An diesem Tag zog ich eine Jeans mit leichten Rissen an und eine schwarze Bluse. Im Badezimmer kämmte ich meine Haare ordentlich durch und Band sie zu einem Dutt zusammen. Danach schminkte ich mich noch und ging dann herunter in die Küche. Wie jeden morgen hetze meine Mutter dort herum und wische erst den übergeschwappten Kaffee von meinem Vater weg, dann putze sie den Herd und räumte die Schränke neu auf. Zum Glück hatte ich den Putzfimmel nicht von meiner Mutter geerbt, im Gegensatz zu der Liebe zum Backen, die hatte ich geerbt. Ich nahm mir eine Banane aus dem Obstkorb und die Tasche von der Stuhllehne. "Ach Mareike, wenn du das Studium nicht kurz vor Ende abgebrochen hättest wäre heute nicht dein letzter Arbeitstag, und wärst nicht ab morgen beim Jobcenter.", warf meine Mutter mir wie jeden Tag vor. "Guten Morgen, du kannst das doch nicht leugnen, du muss der Tatsache mal in die Augen sehen.", hielt sie weiter drauf. "Ja Mutter, ich werde das schon schaffen.", antwortete ich erneut und verlies dann das Haus.

Mit meinem Auto fuhr ich die 5 Minuten schnell dorthin und parkte auf meinem Parkplatz. Bei der Bäckerei gegenüber holte ich mir wie immer eine Tasse Tee, und wenn ich Tasse sage, meine ich auch Tasse. Hier wurde einfach so Geschirr herausgegeben, ich ging morgens hin holte mir etwas und wenn ich Abends wieder nach Hause fuhr, brachte ich die Tasse vorher wieder weg. In einer Großstadt wäre so etwas niemals möglich aber hier gehörte es zum Alltag. Mit der großen Tasse in der Hand spazierte ich dann in den Laden. Heute war wie immer wenig los aber meine Chefin überließ mir alle Kunden und in den Pausen übernahm ich den Telefondienst. Kurz vor meinem Feierabend, als schon keine Kunden mehr da waren bat die Chefin mich in ihr Büro.

Ich klopfte gegen die hölzerne Tür und trat nach einem "Hallo" ein. "Ach Mareike, wie schön. Setz dich doch", mit einem nicken nahm ich auf dem roten Stuhl vor ihrem Schreibtisch platz und lächelte sie freundlich an. "Also, du weiß du warst und bist die beste Mitarbeiterin die ich je hatte. Und du weißt auch wie es mir das Herz zerreißt, dass ich diesen Laden hier schließen muss, aber ich möchte dich nicht aufs Spiel setzten. Deshalb habe ich einen guten Freund von mir angerufen. Er hat eine renommierte Buchhandlung mit dazugehöriger Bibliothek, und er würde dir gerne einen Job anbieten.", sie lächelte mich breit an und ich konnte das nur erwidern "Wow, das ist fantastisch vielen Dank.", bedankte ich mich und schüttelte ihr die Hand. "Gern geschehen. Ich werde sie dort mal besuchen Mareike. Und nun wünsche ich ihnen einen schönen Feierabend, die weiteren Infos sende ich ihnen einfach per E-Mail und du kannst dir die Bücher nehmen, die auf dem Tresen liegen.", damit verabschiedete ich mich und ich ging aus dem Büro. Meine Chefin wusste genau welchen Geschmack ich bei Büchern hatte. Es lagen bestimmt 20 Bücher auf dem Tresen, alle Besteller und zusammen bestimmt 400 € wert. Ich lagerte sie auf meinem Arm und wankte mit ihnen zum Auto.

Nach dem langen Arbeitstag schloss ich die Haustür auf. Hecktisch kam meine Mutter mir schon entgegen. "Ach Schätzchen, ich habe dich schon vor einer halben Stunde erwartet, du bringst meinen ganzen Zeitplan durcheinander", warf sie mir vor und es hätte nur noch gefehlt, dass sie mir mit ihrem Staubwedel durchs Gesicht putzte. "Mutter, ich bin 19 Jahre alt und damit volljährig also tu bitte nicht so als wäre ich fünf", antwortete ich ruppig. Meine Tasche und die Bücher brachte ich nach oben und schaltete meinen Laptop ein. Nachdem ich mich in meinem E-Mail Account eingeloggt hatte, sah ich auch schon eine neue E-Mail. Den Absender kannte ich nicht, aber ich öffnete sie.

Hallo Frau Hammel,

ich freue mich sehr ihnen mitteilen zu dürfen, dass sie das Jobangebot in unserer Buchhandlung bekommen haben. Ich erwarte sie am 24.05.2016 um 10:00 Uhr in meinem Büro um alles genau zu besprechen.

Mit freundlichen Grüßen

Leonard Kallenberg

Im Anhang war die Adresse und noch genauere Informationen. Und ich machte erstmal einen Freudentanz. Die Bibliothek war in Dortmund und ich konnte es jetzt schon kaum abwarten, dort hinzuziehen.

Ich kam dann für das Abendessen wieder herunter. Mein Vater hatte gekocht und ich deckte schnell den Tisch. Die Kochkünste von meiner Mutter waren echt grottig, einmal hatten sie versucht, die Betonung liegt bei versucht, Pfannkuchen zu machen. Danach hatte mein Vater eine leichte Lebensmittelvergiftung und ich musste die Küche neu streichen.

Als wir alle am Tisch saßen, durchblätterte mein Vater die Zeitung und ich hörte dem Radio im Hintergrund zu. "Mareike?",fragte er. Ich nickte ihm zu und er fuhr fort: " Die Buchhandlung macht ja zu." Überrascht schaute er mich an und neben mir setzte Schnappatmung ein. "Mareike, wie stellst du dir deine Zukunft vor? Du verdienst doch jetzt schon so schlecht! Oh Gott Markus! Unsere Tochter steht am Abgrund! Wir haben sie doch so gut erzogen!", und wieder einmal die Predigt des Tages. "Mutter, beruhige dich. Ich wollte eh darüber mit euch reden. Ja es stimmt die Handlung schließt, aber ich habe schon eine neue Stelle in Dortmund in der Buchhandlung Stille, die kennt ihr dort waren wir schonmal. Sie nehmen nur wenige Leute, und mich haben sie angenommen.", stolz grinste ich sie an. "Oh Schätzchen, mal was schönes", meinte Mutter hatte im Ernst angefangen zu heulen und mein Vater grinste mir ebenfalls stolz zu.

Unexpected (Matthias Ginter) (Abgeschlossen✔)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt