Teil 11

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"Ich kann nicht mal richtig sauer auf dich sei.", gequält schaute er mich an und ging. Resigniert legte ich mich auf den Rücken und sackte in das weiche Polster des Sofas. Ich legte die Hände über mein Gesicht und wollte nur noch weg. Weg von hier, weg von den Leuten, weg von allem. Ein Seufzer entfloh meinem Mund und hallte von den Wänden. Ruckartig stand ich auf. Der Tag konnte nicht schlimmer werden, also schnappte ich mir meine Tasche und Jacke, nahm den Schlüssel aus der Schublade und steckte mein Portemonnaie ein. Hastig stolperte ich in den Flur und schlüpfte in meine Chucks. "Bin weg", schrie ich schnell und haste die Treppe herunter.

In meinem Auto fuhr ich gedankenverloren durch Dortmunds Straßen bis ich zu meiner eigenen Überraschungen vor dem Café stehen blieb, wo Jana arbeitete. Ich parkte am Straßenrand und starrte herüber. Ich sah Menschen im Café herum wirbeln und Kunden herein gingen und es wenig später verließen. Als ich mich schließlich aufraffte und die Winterjacke enger um meinen Körper zog war es schon fast dunkel. Ich umklammerte fest meine Handtasche als ich im Schein der Straßenlaternen die Fahrbahn überquerte. Der Griff der Tür fühlte sich kalt an als ich sie aufstieß. Ein warmer Luftzug wehte mir entgegen, der den Geruch von Gebäck und Kaffee mit sich brachte. Wie beim ersten Mal setzte ich mich ans Fenster und bestellte bei einer blassen Elfen ähnlichen Kellnerin einen Blaubeermuffin und einen Pfefferminztee. Als sie mir meine Bestellung brachte, sprach ich sie an:"Entschuldigen sie, aber ich habe eine Frage." Sie nickte und sah mich an damit ich weiter redete. "Arbeitet Jana heute hier?", Gespannt schaute ich sie an.

"Sie hat in einer Viertelstunde Schicht. Du bist Mareike oder?", ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. "Sie hat dir von mir erzählt?", überrascht schaute ich in ihre gräulichen Augen. Sie drehte sich um und gab einem bärtigen Mann der ganz nach Italiener aussah ein Handzeichen und ließ sich auf der Sitzbank mir gegenüber fallen.

"Ja sie hat mir nicht alles erzählt, aber dass sie von Zuhause weg gegangen ist, weil sie und ihre Mutter  sich nicht verstanden haben.", erklärte sie ihren Standpunkt. In dem Moment ging die Tür auf und eine hochgewachsene Frau kam herein.
"Ich lass euch Mal alleine", die Kellnerin stand auf und eilte zu Jana herüber, die erschrocken in meine Richtung schaute.  Die beiden wechselten ein paar Worte bis sie zu mir herüber schlenderte. Sie zog ihre Jacke aus und ich nahm sie genauer unter die Lupe. Ich hatte sie seit 6 Jahren nicht gesehen und trotzdem kam sie mir so vertraut vor. Ich ließ meine Auge über ihren Körper gleiten und nahm etwas stockend die Wölbung ihres Bauches war.
"Hi", war das einzige was ich raus bekam. "Hi Schwesterchen.", erleichtert lächelte sie, wohl froh darüber dass ich sie nicht anschrie. Sie nahm wie die Elfenkelllnerin vorhin mir gegenüber Platz und kratzte sich nervös am Hals. Ich stand auf und rutschte zu ihr in die Bankreihe. Meine Arme schlangen sich wie automatisch um sie. "Es tut mir so leid, ich hab dich so vermisst.", flüsterte ich in ihr Ohr. "Ich dich auch", sie drückte mich fest an sich.

Nach einer Ewigkeit trennten wir uns wieder voneinander. Mit einer schnellen Handbewegung wusch ich mir die Tränen aus den Augen.
"Du hast deine Haare gefärbt", stellte ich fest und nahm eine Strähne ihrer sonst kupferfarbenen Mähne zwischen meine Finger. "Als Tarnung", sie lachte und es klang wie ein Glockenspiel. "Aber ich lasse mir sie auch die zuliebe gerne wieder rot färben.", Grinste sie. "Nein mach es so wie du es schön findest.", beteuerte ich.

"Ich dachte du wärst sauer auf mich", ein Schatten legte sich auf ihr gebräuntes Gesicht.
"Ehrlich gesagt war ich das auch. Du warst weg einfach so. Ich war ein pubertärender Teenager der seine große Schwester brauchte, vorallem bei  so einer Rabenmutter ", gab ich kleinlaut zu.

"Ich bin froh, dass du gekommen bist", sie lächelte mein schlechtes Gewissen weg. "Es tut mir leid, dass ich dich das letzte Mal so angeschrien habe. Ich war einfach überfordert.", die Tränen stiegen mir in die Augen. "Ich weiß nicht mehr was ich denken soll. Alles geht schief seit ich hier bin.", ich biss seufzend von meinem Muffin ab.

"Heyy Schwesterchen, nicht Trübsal blasen. Das wird schon wieder", sie lächelte mich an. Ich nickte nur und beobachtete sie als mir wieder die Wölbung ins Gedächtnis kam. "Und was hast du die 5 Jahre gemacht?", neugierig schob ich mir eine wiederspänstige Haarsträhne hinters Ohr. "Ich habe geheiratet", strahlend spräsentierte sie mir das goldene Schmuckstück an ihrem rechten  Ringfinger. "Und wir erwarten unser 2. Kind", ihre Finger wanderten zu ihrem Bauch und strichen gedankenverloren darüber.

"Wow Glückwunsch!"

Zu sagen ich war etwas überfordert mit der Situiation wäre maßlos untertrieben gewesen. "Also habt ihr schon ein Kind?", mir war selbst klar, dass die Frage unnötig war, aber ich wusste nicht was ich tun sollte.

"Ja, wir haben schon eine Tocher, sie heißt Maya", erklärte sie strahlent. Dann kramte sie aus ihrer Tasche ihr Handy und entsperrte es. "Das ist mein Mann Stefan und Maya", sie hielt mir das Handydisplay vor die Nase und ich erblickte einen blonden Mann den ich knapp über 30 schätzte und ein kleines Mädchen was vielleicht die erste Klasse besuchte.

"Und bei dir so?", erwartungsvoll schaute sie mich an.

"Ja also...", druckste ich herum. "Ja?", stichelte sie mit einem fragendem Blick. "Also die Sache ist so..", ich seufte befor ich weiterredete. "Ich hab mein Medizinstudium abgebrochen, die Buchhandlung, die mein Arbeitsplatz war, wurde geschlossen, jetzt bin ich hier. Mutter terrorisiert mich, mischt sich in mein Beziehungsleben ein und macht mich verrückt. Heute morgen habe ich mich von meinem Freund getrennt, weil ich begriffen habe,  dass ich nicht ihn liebe sondern seinen Teamkollegen. Beide spielen beim BvB und bei einem wohnte ich. Seine Freundin ist schrecklich und ich bin eifersüchtig auf sie, dazu hat er mich oder ich ihn, wie auch immer, heute morgen geküsst und jetzt bin ich hier.", viel zu schnell und ohne nachzudenken ratterte ich das herunter. Nachdem ich den letzten Satz ausgesprochen hatte wurde mir klar was ich da gerade gesagt hatte. "Ich liebe ihn", murrmelte ich. "Scheiße ich liebe ihn!", entrüstet sprang ich auf.



Unexpected (Matthias Ginter) (Abgeschlossen✔)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt