Der Schultag war mal wieder so langweilig wie immer. Naja obwohl...langweilig konnte man das nicht nennen. Wir hatten heute zwei Tests geschrieben und ich hab beide natürlich vermasselt. Aber was solls...dann war das halt so.
Ich war gerade auf dem Weg zur Cafeteria, oder besser gesagt schon vor der Tür, die in den überfüllten und nach Essen riechenden Raum führte, als mir die Tür beinahe draufgehauen wurde. »Kannst du nicht aufpassen?!« genervt fuhr ich ein Stück nach hinten und blickte nun zu dem Idioten, der wohl nichts von Höflichkeit hielt, denn er entschuldigte sich nicht einmal. Arsch....
Als ich ihm in sein Gesicht blickte, bemerkte ich erst, dass er mich die ganze Zeit anstarrte. Er schien wie eingefroren und ich kam mir leicht doof vor. »Kannst du bitte dein süßes Hinterteil zur Seite bewegen, damit ich vorbei kann?« fragte ich zuckersüß und setzte ein übertriebenes Lächeln auf mein Gesicht. Erst jetzt schien er aus seiner Starre gefallen zu sein und ging verwirrt ein paar Schritte zur Seite. »War doch gar nicht so schwer!« sagte ich immer noch gespielt fröhlich und verdrehte daraufhin meine Augen. Als ich an ihm vorbei durch die Tür fuhr, murmelte ich noch »Idiot«, was er glaub ich auch gehört hatte.
In der Cafeteria angekommen gesellte ich mich zu Brooke, die an unserem Stammplatz schon saß und genüsslich ihr Sandwich aß. »Hey, schmeckts?« »Ja ausgezeichnet!« lachend schüttelte ich den Kopf und zog mein Handy aus der Tasche. Gedankenversunken scrollte ich durch Instagram und likte ein paar Fotos. »Erde an Ravely!« fragend sah ich zu Brooke, die mit ihrer Hand vor meinem Gesicht rumfuchtelte. »Hm?« stöhnend wiederholte sich nochmal das, was sie vorher anscheinend gesagt hatte. »Hast du schon den Neuen gesehen?« in meinem Hirn ratterte es wie ein Uhrwerk und ich überlegte wen sie meinte. Aber es konnte eigentlich bloß einer sein. »Möglich? Wieso?« in Brookes Augen funkelte es, was mich leicht verwirrte. »Er ist sooo heiß!!!« augenrollend sah ich automatisch zur Tür, die ich vorher beinahe auf die Nase bekommen hatte. »Ich hab sogar einen Kurs mit ihm! Englisch. Wie findest d...Rave hörst du mir überhaupt zu?« schnell wandte ich meinen Blick wieder zu ihr und nickt, obwohl ich nicht wirklich zugehört hatte.
Die restliche Stunden verliefen ganz normal wie immer. Nun hatten wir das letzte Fach und zwar Biologie. Als wir uns alle auf unsere Plätze gesetzt hatten -außer mir natürlich- sorgte unsere Lehrerin Mrs McGowan für Ruhe und bat um Aufmerksamkeit. »Wir dürfen heute einen neuen Schüler begrüßen. Das ist Keylam Winston. Stell dich doch mal kurz vor.« Keylam heißt er also...gar nicht so schlecht. Was mir aber sofort auffiel war, dass alle wirklich alle, sogar Mrs McGowan, ihm schmachtenden Blicke zuwarfen. Außer mir natürlich. Also irgendwie bin ich immer der Außenseiter...denn diesen Satz sagte ich in meinem Leben viel zu oft.
»Naja...wie ihr schon wisst heiße ich Keylam. Ich bin 18 und von meiner alten Schule geflogen.« abwartend sah er zu unserer Lehrerin, um ihr zu verstehen zu geben, dass er nichts mehr zu sagen hatte. Sie nickte lächelnd und blickte einmal durch die Klasse. »Nimm doch Platz! Du kannst dich neben...« oh Gott bitte nicht neben mich! Nachdem was heute vor der Cafeteria passiert war...das wäre zu peinlich! »Ach sieh mal da, neben Ravely ist noch ein Platz frei!« willst du mich verarschen?! Ist ja nicht so, dass noch mehr Plätze frei gewesen wären... Wahrscheinlich dachte sie, dass mir mal ein Sitznachbar nicht schaden würde, aber nein danke! Ich kam auch alleine ganz gut klar!
Unsere Blicke trafen sich und ich wandte meinen Blick genervt ab. Einige Sekunden später nahm ich wahr, wie sich jemand neben mich setzte. »Und wie ist das Essen in der Cafeteria so? Ach und was meintest du nochmal? Dass ich mein süßes Hinterteil zur Seite bewegen sollte?« fragte er flüsternd und sah mich grinsend an. Na toll...Willkommen in der Hölle. Lasset die Spiele beginnen!
*****
Zuhause angekommen, versuchte ich umständlich irgendwie auf mein Bett zu gelangen. Am liebsten würde ich mich ja einfach auf mein Bett werfen, aber das könnte schwer werden.
Den Unterricht hatte ich mit Dauerschweigen überlebt und somit passierte auch nichts weiteres. Mir fielen nur immer mal wieder Seitenblicke von dem Neuen auf...wie hieß er gleich nochmal? Keylam? Ja doch könnte sein...naja ist ja auch egal, die Tatsach war, dass der Typ mich dauernd anschaute. Ich will ja nicht sagen, dass es mich genervt hat, da man sich ja eigentlich geschmeichelt fühlen sollte, doch mir war das sehr unangenehm. Was mir auch in den Sinn kam, ist, dass er mich vielleicht auch einfach nur angeschaut hat, weil ich mal wieder wie der letzte Vollpfosten aussah...oder wegen...dem Rollstuhl.
Ich würde lügen, wenn ich sage, dass mir diese ganze Geschichte am Arsch vorbeiging....denn das war nicht so. Es war ziemlich scheiße. Vom einen auf den anderen Tag auf einmal nicht mehr die Beine bewegen können, war einfach scheiße. Und es wäre auch gelogen, wenn ich sagen würde, dass mich diese ständigen Blicke von den Leuten nicht nervten...oder verletzten. Aber nach acht Jahren hatte ich mich daran gewöhnt. Irgendwie....Da ich nichts besseres zu tun hatte, machte ich meine Hausaufgaben, oder versuchte sie wenigstens. Vor allen Dingen Mathe. Sagen wir mal so...bis zur zehnten Klasse bin ich noch mitgekommen, aber in der Oberstufe wurde es einfach logischerweise immer komplizierter. Wie sollte man diese ganzen Begriffe und Formel auch verstehen?! Genau, nämlich gar nicht! Also beschloss ich meine Zeit anders zu nutzen, als mehrere Stunden vor dem Zeug zu sitzen und am Ende auch nicht schlauer als vorher zu sein. Ich schmiss meine Schulsachen vom Bett. Ich meine, wer geht schon mit Dingen, die nur ansatzweise etwas mit Schule zu tun haben, nett um?
Ich verbrachte meine Zeit mit meinem lieben Laptop und Netflix. Es gab wirklich nichts bessere, als den ganzen Tag irgendwelche Serien zu suchten und einfach zu chillen oder etwas mit Freunden zu unternehmen. Man fühlte sich so...so unbeschwert. Das Leben war einfach, ohne Komplikationen, man konnte den Moment genießen. Doch da gab es auch die Momente, in denen ich wieder auf den Boden der Tatsachen zurück geholt werde. In denen mir immer und immer wieder bewusst wird, dass ich den Rest meines Lebens an diesem bescheuerten Rollstuhl gefesselt sein werde. In denen ich mir denke, dass, wenn ich diesen einen dummen Fehler nicht gemacht hätte, das alles nie passiert wäre...
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Bis zum letzten Atemzug
Teen FictionDa Ravely als kleines zehnjähriges Mädchen einen großen Fehler begangen hatte, dachte sie ihr Leben wäre vorbei. Sie sah nirgendswo mehr einen Sinn und verabscheute auch jegliche Hilfe. Dass genau diese "Eigenschaft" sie acht Jahre später zu Zac Win...