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Anscheinend ist jetzt Pause, denn auf dem Gang waren unzählig viele Schüler an ihren Fächern, beim reden, Musik hören und was Menschen halt tun, wenn sie Pause haben, von etwas, was sie nicht gerne tun.

Der Junge, der hinter mir aus dem Sekretariat gekommen ist, drängelt sich an mir vorbei und geht zu einem Schließfach (ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass es seins ist).

Und in diesem Moment muss ich feststellen, dass all die Bücher Unrecht haben.
Er muss sich nicht durchquetschen, er muss nicht schubsen, oder drängeln, alle machen ihm Platz und starren ihn wie hypnotisiert an.

Ich wiederhole:
Jeder macht Platz.

Das ist so leicht?

Naja, ist ja logisch, wenn jeder jedem Platz macht.

Aber ich habe mich getäuscht.
Jeder macht Jason Platz.
Ich muss mir meinen Weg erkämpfen.

Nach dem meine Ellenbogen ein paar Mal zum Einsatz gekommen sind und ich die unnötige Angst vor einer peinlichen Panikattacke auf dem Schulflur überwunden habe, kann ich endlich durch eine Breite Tür das Gebäude verlassen.

Bücher haben doch Recht;
nicht nur, dass man sich seinen eigenen Weg erkämpfen muss, es fühlt sich auch befreiend an, die Schule hinter mir zu lassen. Und das, obwohl ich noch nicht eine Stunde Unterricht hatte.

°°

Während ich aus dem Auto steige binde ich mir meine blonden Haare zu einem (ziemlich unordentlichen) Dutt. Ich stecke den passenden, der gefühlt hunderten Schlüssel in das Haustürschloss und drehe ihn einmal um.

»Mom? Bist du zu Hause?«, rufe ich ins Haus, nachdem ich die Tür wieder geschlossen habe.

Als keine Antwort kam, schlich mir das unangenehme Gefühl hoch, was ich seit dem Unfall immer habe, wenn nicht alles nach Plan läuft.

Obwohl ich total sicher bin gehe ich in Gedanken noch mal ihren Terminplan durch und schaue auf meine Uhr:
12:36 Uhr.
Sie müsste hier sein.

»MOM?«, kreische ich.
Leere Häuser oder Wohnungen sind mir nicht mehr zuzumuten.

Okay, pscht. Vielleicht war in der Praxis ein Notfall und sie konnte-

Ja, weil man als Kinderärztin auch so viele Notfälle bekommt. Wie oft in deinem Leben hast du das mitbekommen? Einmal? Zweimal? Ich glaube, Realist können wir von der Liste, möglicher Charaktereigenschaften streichen.

Die Stimme (mehr oder weniger) gekonnt ignorierend, gehe ich hoch in ihr Schlafzimmer, um diese Möglichkeit auszuschließen.

Und tatsächlich; sie liegt schlafend in ihrem Bett.

Ich wecke sie mit schlechtem Gewissen, allerdings hasst sie es den Tag zu verschlafen.

°°

»Danke Mäuschen.«

»Kein Problem, Mom.«
»Und, wie war's?«
»Naja, der Schulleiter war nett und die Schule sah ganz ok aus...«
»Das freut mich Schatz. Heute siehst du nicht so bedrückt aus. Sogar deine Wangen haben Farbe.«

Stimmt das?
Ich linse zum Fenster und ich sah relativ normal aus. Abgesehen von dem Spitzen Kinn und der unmöglichen Frisur.

Wie, als Twill noch da war.

Twill.

Aber sie ist nicht hier.
Weil du nicht erkannt hast, wie krank sie war.

°°

475 Wörter

Thin, Thinner, Sick.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt