NEUN

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   Stumm gingen wir zurück zum Haus und ohne etwas zu sagen verschwand Mike in seinem Zimmer. Ich überlegte, was ich machen konnte, doch die Geschichte über seine tote Schwester ließ mich nicht in Ruhe, doch ich versuchte, mich nicht daran zu erinnern, als ging ich hoch und packte meine Tasche, denn morgen steht Schule auf meinem Tagesplan. Warum um alles in der Welt, haben wir keine Winterreifen mehr? Und wie soll ich heile in der Schule ankommen, bei dem ganzen Schnee, der über Nacht bestimmt zu Glatteis wird? Ich will keine zweite Narbe an meinem Bein haben, nur weil ich nicht dafür geschaffen worden bin, glatte Oberflächen zu überqueren.

Genervt und ausgelaugt fiel ich aufs Bett und ohne groß nachzudenken oder mich zu bewegen, schlief ich ein. Also ich wachte am nächsten Morgen zumindestens in meinen Klamotten auf.

   Ein nicht gerade schöner Anblick bot sich mir, als ich runter kam, nach dem ich mich fertig gemacht habe; auf dem Boden lagen Brotkrümel, auf der Arbeitsplatte herrschte das reinste Chaos und auf dem Tisch lag eine umgefallene Tasse und dem entsprechend auch der ausgelaufene Kaffe. Lisa stand vorne am Herd und es roch nach Ei. Schon wieder Eier. Anscheinend macht hier jeder schnell ein Ei, wenn er Hunger hat.

»Guten Morgen. Möchtest du auch was essen?«, fragte mich Lisa müde.

»Nein, danke.« Abends Ei, morgens Ei, das war mir zu viel Ei. Sie nickte nur und ich trank schnell etwas. »Wenn das okay ist, fährst du heute mit Mike zur Schule. Dein Vater ist nicht da.«, sagte sie und schon hörte ich Mike.

»Johanna?« Wie ich hasste, wenn mich jemand Johanna nannte. »Hanna?«, rief er jetzt etwas lauter, da ich ihm nicht antwortet. Ich verabschiedete mich von Lisa- ich bezweifelte nämlich, dass Mike in die Küche kommen würde.

»Wie lange dauert es denn zur Schule?«, frage ich ihn, während wir durch die Haustür gehen.

»Keine Ahnung, Wir fahren Bus, so ungefähr... eine viertel Stunde.«

   Ich nickte.

»Werde ich mit dir in eine Klasse gehen?«, fragte ich vorsichtig, doch Mike lachte kurz auf.

»Nein, oh Gott. Zum Glück nicht.« Und wegen dieser Antwort kassierte er einen abwertenden Blick von mir. »Und ich dachte, du kannst mich leiden.«, sagte ich schnippisch und brachte ihn damit noch ein Mal zum auflachen.

»Kannst du mir soweit folgen?«, die stellvertretende Schulleiterin strich sie eine Strähne hinter ihr Ohr und schob ihre Brille wieder hoch. Ich nickte stumm.

   Um ehrlich zu sein, habe ich nur die Hälfte verstanden, denn a) ich machte mir zu viele Gedanken, wegen meines ersten Tages hier und b) ich war abgelenkt, denn diese Frau war stark übergewichtig. Also, nicht, dass ich etwas gegen dicke Menschen hätte, aber wieso muss man bei so einer Figur ein hautenges weißes Shirt anziehen und wie es anscheinend, nicht die Lust zu haben, sich einen BH anzuziehen? Gruselig. Einfach nur gruselig.

»Okay, dann kannst du jetzt zu deinem Unterricht gehen. Raum 24. Soll ich dich begleiten oder denkst du, du findest alleine hin?«, sie zwang sich ein Lächeln ab. »Ich schaff das alleine.«, sagte ich eine Spur zu hastig und verließ mit einem Lächeln den kleinen stickigen Raum.

Ich atmete tief ein und wieder aus und hoffte inständig, dass mir jemand über den Weg laufen würde, denn ich habe sowas von keine Idee, wo ich hin sollte. Etwas ängstlich schlürfte ich den Gang entlang. Wieso kann mich nicht der heißeste Typ der Schule anrennen, so wie es immer in diesen kitschigen Geschichten passiert? Und am Ende verlieben wir uns und Friede, Freude, Butterkuchen (meine Freundin sagt immer Butterkuchen, weil der besser schmeckt und Eierkuchen ihr zu doof klingt), alle sind glücklich.

Mit meinen Gedanken bei solchen Geschichte (nein, ich stoße nicht plötzlich mit einem Typen zusammen), laufe ich an einem Spiegel vorbei und schaue mich angewiesen an. Ich sage nur Frisör. Dringend. Und mehr Schlaf, denn ich hab schrecklich dunkle Augenringe. Na toll. Kopfschüttelnd gehe ich weiter und stehe irgendwann vor einer orangenen Tür, hinter der ich eine tiefe Stimme hören konnte. Wahrscheinlich der Lehrer.

   Ich kniff die Augen zusammen und klopfte zaghaft; hoffentlich konnte man es auf der anderen Seite hören.

»Ja bitte?«, jetzt erst öffnete ich meine Augen wieder und drückte ganz langsam die Türklinke runter. Alle starrten mich an. Meine Güte, bin ich laufendes Fernsehen, oder warum gafft wirklich jeder?

»Äm.. Guten Morgen?«, meine Stimme zitterte etwas und ich sprach allgemein etwas zu leise. Jo, wo ist dein Selbstbewusst sein hin?

   Die Stimme, die ich gehört hatte, war nicht die, eines Lehrers, sondern die, eines Schülers. Eines Jungen (und da wäre auch schon der heiße Typ, der auf dem Flur gefehlt hatte).

Er zog eine Augenbraue hoch und wollte gerade etwas sagen, doch da trat schon der Lehrer aus der Ecke hervor und lächelte mich freundlich an.

»Guten Morgen. Sie sind dann wohl Johanna?« Das quittierte ich mit einem Nicken und er behielt sein Lächeln im Gesicht, was ihn wirklich nett, fast schon niedlich aussehen ließ, denn zu seinem Lächeln hatte er große, braune Augen. Wie alt mochte er sein? 30?

Der Schüler vorne räusperte sich, anscheinend hatte ich ihn bei seinem Vortrag gestört.

»Oh ja tut mir leid. Johanna setz dich bitte einfach auf den hinteren Platz an das Fenster. Paul erzählt uns gerade etwas über die Kubakrise.« 

    Geschichte.  Bah.

I'M SORRY  #Wattys2016Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt