2. Kapitel

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Kapitel II


Connor wusste nicht, wie lange er nun schon in diesem Dämmerzustand zwischen Ohnmacht und Bewusstsein auf dem Boden lag. Er wusste nicht, ob es sich um Sekunden oder Stunden handelte. Er hatte jegliches Zeitgefühl verloren, wusste nicht mehr, was genau passiert war. Das einzige, an das er sich erinnerte, war, dass er für den Bruchteil einer Sekunde gefallen und dann hart aufgeprallt war. Seitdem gab es nur noch diesen wohligen Zustand, in dem er weder den unbequemen Boden unter sich spürte noch sich um irgendetwas Sorgen machen musste. In ihm keimte der Wunsch auf, dass es für immer so bleiben würde, dass dieser Zustand ewig währen würde. 

Doch seine Gedanken klärten sich langsam und in der hintersten ecke seines Bewusstseins wurde ihm klar, dass es an der Zeit war „aufzuwachen". Sein Verstand wurde immer klarer und damit kamen auch die Schmerzen. Sie waren jedoch zum Glück nicht besonders stark, genauso wie Connors Verletzungen. Er hatte eine Platzwunde am Kopf, eine stark blutende Nase und wahrscheinlich eine Gehirnerschütterung – ziemlich sicher eine Gehirnerschütterung, so sehr wie sich alles drehte, als er versuchte aufzustehen.

Connor wollte gerade erneut versuchen aufzustehen, als er unsanft am Arm gepackt und hochgezogen wurde. Leute, von denen er zuvor überhaupt nicht bemerkt hatte, dass sie da waren, fesselten seine Arme hinter dem Rücken zusammen. Er wurde weggezerrt, aus dem Gebäude heraus zu seinen Kollegen, die ebenfalls gefesselt und von einigen Wachen bewacht auf dem Boden zusammensaßen. Keiner von ihnen war schwer oder gar lebensbedrohlich verletzt, soweit Connor das beurteilen konnte.

Er wurde in die Obhut der Wachen gegeben und dann auf den Boden gestoßen. Rechts von ihm hockte wie ein Häufchen Elend Blythe Clinton. Der Mann schien abgesehen von einer Platzwunde an der Stirn unverletzt zu sein, doch er wirkte ungewöhnlich blass und starrte unentwegt auf den Boden.„Sir", wandte Connor sich an ihn. „Sir, was sollen wir jetzt tun?" „Ruhe!", zischte eine der Wachen und stieß Connor mit einem Gewehrlauf hart in den Rücken. Er beschloss, sich lieber an diesen Befehl zu halten, zumal Blythe sowieso nicht ausgesehen hatte, als würde er antworten.


Noch einige andere Männer wurden gefesselt und aus dem Gebäude herausgebracht, doch Connor viel auf, dass es sich bei diesen ausschließlich um die Männer handelte, mit denen er Wache gehabt hatte, und dass auch die Iren nur zu fünft oder sechst waren – der Rest von ihnen musste also wohl noch im Gefängnis sein. Er konnte daher gar nicht so lange bewusstlos gewesen sein.

Als alle Amerikaner draußen versammelt waren, tauchte plötzlich aus dem Nichts ein blonder Junge auf. Er, der allem Anschein nach der letzte Teleporter, Fletcher Renn, war, wies die Wachen an, sich und alle Gefangenen an den Händen zu nehmen, um sie wegteleportieren zu können. Alle folgten mehr oder weniger widerstandslos und Sekunden später standen sie auch schon nicht mehr vor dem Gefängnis. 

Den Amerikanern, die alle nicht an das Teleportieren gewöhnt waren, wurde kurz schwindelig, was zusammen mit einer Gehirnerschütterung alles andere als schön war, wie Connor feststellen musste. Doch der Schwindel klang nach kurzer Zeit ab und er konnte erkennen, dass sie sich neben einer Straße befanden, auf der einige schwarze Minibusse mit getönten Scheiben standen.
Er und die restlichen Gefangenen wurden, noch immer gefesselt, in diese hineingestoßen.

***

Walküre hörte gedämpft, wie die zwei Wachen sich leise unterhielten und fragte sich unwillkürlich, ob diese von dem Angriff mitgekriegt hatten und nun schon auf sie warteten oder ob sie, was noch viel schlimmer wäre, gerade genau in eine Falle lief. 

Doch trotz ihrer Befürchtungen stieg sie nach kurzem Verharren den letzten Treppenabsatz hinunter. Von dort, wo sie nun stand, konnten die Wachen sie nicht sehen, aber sie diese auch nicht. Deshalb spähte sie vorsichtig und aufs Äußerste angespannt um die Ecke, jederzeit bereit sich, falls nötig, zu verteidigen. Doch die Wachen waren noch immer so vertieft in ihr Gespräch, dass sie Walküre nicht bemerkten.

Die Toten MännerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt