Kapitel 9

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-Die Sicht der alten Frau-

Sie weiß nicht, wie besonders sie ist. Sie weiß nicht, wie nahe ich ihr eigentlich bin. Ihre Stimme heilt. Ihre Stimme ist so... sanft, liebevoll, bedacht, bescheiden, leicht... und sie gibt auf ihre Stimme Acht. Sie ist so ein reizendes Mädchen, auch wenn sie nur noch wenige Wochen hat. Sie wird die Welt verändern. Und ich muss ihr helfen. Ihr Chor... der muss die Welt regieren. Und ich werde helfen. Und wenn sie gestorben ist, erkläre ich ihr alles. Alles. Aber erst danach.

-Hannah's Sicht-

Schon den ganzen Vormittag sitzen Mila und Lea vor der verregneten Scheibe und versuchen, Lieder für den Chor zu singen. Mila ist ein sehr gläubiger Mensch. Sie geht regelmäßig zur Kirche und ist mit 14 immer noch in einem Kirchenchor. Das ist ja auch der Grund, warum Lea ihre einzige Freundin ist. Und Mila ist Lea's einzige Freundin. Was wird nur aus ihr, wenn es Mila nicht mehr gibt? Schluck. Erneut steigen Tränen in mir hoch. Ich verlasse das Haus für einen Spaziergang, um meine Gedsnken zu sortieren. Morgen fahren wir ins Phantasialand. Morgen muss ich glücklich sein. Heute darf ich weinen. Ich setze mich auf eine Bank und lasse den Tränen freien Lauf. Mit einem Mal setzt sich eine alte, sehr alte Dame neben mich und legt mir die Hand auf den Rücken. "Hannah, sie wird nie für immer verschwinden. Sie wird der ganzen Welt ein Zeichen setzen." Verwundert blicke ich in das runzlige Gesicht der Dame. "Wer sind sie und woher wissen sie meinen Namen?", frage ich skeptisch. Die Dame lächelt ein undefinierbares Lächeln, anstatt eine Antwort zu geben. Dann steht sie auf und läuft mit einem leicht gekrümmten Rücken davon. Eine Weile sitze ich still da und starre auf den Boden. Die Worte der Dame sind schwer zu verarbeiten. Sie gehen mir nicht aus dem Kopf. Durch ein Kopfschütteln versuche ich, sie zu verdrängen und gehe nach Hause. Ich muss mich ums Essen kümmern.

-Lea's Sicht-

Ich habe es mir leichter vorgestellt, Lieder für den Chor zu singen, aber da hab ich mich deutlich getäuscht. Ich nehme den Mund oft zu voll. Ich bin so ein vorlauter Mensch. Mila dagegen ist still, schlau, bedacht und bescheiden. Allein ihr Charakter ist wunderschön. Und dann ihr Gesicht. Früher hatte sie lange dunkle Wellen. Heute trägt sie eine Perücke.  Aber an ihr scheint trotzdem alles perfekt zu sein. Und dann Leukämie. Eine Träne rollt über meine Wangen und vermischt sich mit den Regentropfen. Mittlerweile befinde ich mich auf dem Heimweg. 'Mach das beste draus' sagte sie zu mir. Wo nimmt sie all diese Kraft und Entschlossenheit her? Kopfschüttelnd schließe ich die Haustür auf und rufe nach Mama. Ich brauche jetzt eine Schulter zum Ausheulen. Doch stattdessen vernehme ich ein Schluchzen. "Mama?" ich trete vorsichtig durch die Tür ins Wohnzimmer. Mama sitzt am Tisch, den Kopf in die Hände gestützt und einen Stapel Zettel vor sich. "Mama, was ist los?", frage ich alamiert und laufe auf sie zu.

-Mila's Sicht-

Ich stehe mit einem Regenschirm auf dem Balkon und singe wie im Krankenhaus die Lieder von Enya. Auf einmal sehe ich die Dame an unserem Gartenzaun stehen. Ich kneife ungläubig die Augen zu. Die weiß doch nicht einmal, wo ich wohne! "Hallo!", rufe ich zaghaft und hebe meine Hand. "Hallo Mila.", antwortet sie und tritt wie selbstverständlich durch das Gartentörchen und kommt unter meinen Balkon gelaufen. "Wie haben sie mich gefunden?", frage ich verdutzt. "Folge immer deinem Herzen und du wirst fündig." Ich nicke. Wie immer bringt sie mich zum Nachdenken. Und irgendwie bin ich froh, sie zu sehen. "Kann ich dir was anbieten?", frage ich höflich. "Nein nein, du gibst mir schon genug." Durch ihre unzähligen Runzeln erkenne ich ein Lächeln. "Aber ich kann dich doch nicht so im Regen stehen lassen.", gebe ich zu bedenken." "Keine Sorge, Mila, ich bin nicht aus Zucker." "Achso ok.", murmel ich. "Enya ist das, was ihr sucht.",verkündet die Dame nun, wendet sich ab und geht durch das Gartentörchen davon. Enya ist das, was wir suchen? Was suchen wir denn? Ich gehe ins Haus und sehe in den Spiegel. Da stehe ich mit Perücke und Kunstwimpern. Wie falsch ich doch aussehe. Ich muss zu meiner Krankheit stehen! Nur dann bin ich ich selbst! Schnurstrack renne ich zum Kamin und werfe beides hinein. Das Feuer frisst es auf. Und ich werde mich nicht länger verstecken! Ich habe nichts zu verlieren!

Hey :) Wegen den Kommentaren, habe ein neues Kapi geschrieben. Seelenschweif und Samira2001, ich liebe euch und ich bin so froh, dass ich eich hab. Womit habe ich solche Kommentare verdient? :D Ihr seit die Größten, macht weiter soooo!

Leukämie-mein Leben danachWo Geschichten leben. Entdecke jetzt