Als ich am nächsten Morgen erwache, sind alle meine Haare weg. Ich habe noch nicht in den Spiegel gesehen, aber ich taste mit der Hand der Hand meinen Kopf ab und fühle nichts anderes als glatte Haut. Auch mein meine Wimpern und Augenbrauen sind weg, alles ist weg! Ich breche sofort in Tränen aus und tiefe Schluchzer rütteln meinen ganzen Körper. Die Krankenschwester, die eintritt, um mir das Frühstück zu bringen, sieht mich besorgt an. "Alles klar bei dir?" Was für eine bescheuerte Frage! Ich fühle mich wie nach einem Kampf. Einem Kampf, den ich verloren habe. Gibt es noch Hoffnung für mich. Die Schwester steht hilflos im Raum und wartet auf meine Antwort. Plötzlich kommt Mama mit einer Plastiktüte ins Zimmer geeilt. "Mäuschen!", ruft sie entsetzt und nimmt mich fest in den Arm. Sie gibt der Krankenschwester ein Zeichen, dass sie gehen kann und streichelt über meinen Rücken. Ich weiß, dass sie versucht, stark und gefasst zu wirken, doch sie kann den Schock über meinen Anblick nur schlecht vertuschen. Nach etlichen Minuten beruhige ich mich und schließe die Augen, während ich versuche, an Enya's Paradies zu denken. "Mama, ich habe Angst.", flüster ich und greige nach ihrer Hand. "Nein.", sagt sie und schüttelt den Kopf. Ich schlucke. "Willst du in den Spiegel sehen?", fragt sie dann. "Ich weiß es nicht." Doch Mama dreht meinen Körper so, dass ich in den Spiegel sehen muss. Keine Haare, keine Augenbrauen, nichts. Ich drehe mich zu Mama um. Ein Tränenschleier verdeckt meine Augen. "Das hat es auch mir gemacht?" Mama nickt. Erst jetzt bemerke ich, dass sie ebenfalls weint. Sehr leise. Aber sie tut es. Wir nehmen uns in den Arm und weinen unsere T-Shirts nass. "Ich will heim!", schluchze ich. Mama wischt sich die Tränen ab. "In 3 Tagen.", sagt sie lächelnd. Dann greift sie zu der Plastiktüte und holt eine dunkle wellige Perücke und eine Packung Kunstwimpern heraus. "Hier." "Danke." Ich setze die Perücke auf meinen Kopf, um sie zu testen. Hier im Krankenhaus werde ich sie noch nicht aufziehen. "Sitzt sie gut?", fragt Mama und schnieft in ein Taschentuch. Ich nicke und nehme sie wieder ab. "Was hat der Arzt gesagt, als er euch allein sprechen wollte?", frage ich sie und suche ihren Augenkontakt. Mama schüttelt den Kopf. Sie ist mit einem Mal ganz blass.
Hannah's Sicht
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"Das sage ich dir später antworte ich." Ich kann ihr nicht sagen, dass sie noch knappe 3 Monate hat. Das wird sie nicht verkraften. Sie wird ihren letzten Lebenswillen aufgeben und wahrscheinlich noch eher sterben. Mir wird ganz schwindelig. "Mama!",höre ich sie rufen. Ich kneife kurz die Augen zusammen und blicke sie dann an. "Sag es mir doch." Ihr Blick ist ganz weich. "Er hat über die Chemo gesprochen.", lüge ich. "Sonst nichts?" "Sonst nichts." Oh Gott, ich kann meine Tochter nicht anlügen! Ich springe auf und gebe ihr einen Kuss auf die Wange. "Frühstücke du jetzt mal, wir kommen später noch mal alle zusammen!", sage ich schnell und rausche aus dem Raum. Kaum bin ich zu Hause und liege ich Markus' Armen, heule ich los. Wir setzen uns auf die Couch, er deckt mich zu, bringt mir Tee und legt einen Film ein, doch ich bin untröstlich. Nach vielen Minuten fragt er:"Alle Haare ab?" Ich nicke. "Alle.", schluchze ich "Wimpern und Augenbrauen eingeschlossen." Markus sieht mich erschrocken an. "Das ging ja schnell.", haucht er. Da halte ich es nicht mehr aus. "Markus, sie hat gefragt!", weine ich und japse zwischen zwei Schluchzern nach Luft. "Was gefragt?" Markus scheint nicht zu verstehen. "Was der Arzt gesagt hat, Markus verdammt!", rufe ich kraftlos. Ich kann das nicht mehr! Markus' starke Arme halten mich fest. "Hast du ihr die Wahrheit gesagt?", flüster er. Ich schüttel den Kopf und merke, wie sein Körper entspannt. Er drückt mir einen Kuss ins Haar. "Dann wird alles gut" höre ich ihn sagen, bevor ich in einen unruhigen Schlaf falle.
Da ist wie versprochen das nächste Kapitel! :-* Würde mich freuen, wenn ihr mir sagt, wie ihr das Ganze findet, denn in euren Kommentaren sagt ihr nur, ich soll weiterschreiben. :D Das ist zwar ein gutes Zeichen, doch ich würde gerne wissen, warum euch das gut gefällt. ;) Sobald ich etwas süßes und nettes lese, fange ich das neue Kapitel an. ;)
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Leukämie-mein Leben danach
SpiritualWas passiert nach der Diagnose, nach dem sicheren Todesurteil? Wie weit geht ein Mensch in seinen letzten Wochen. Mila, 14 Jahre alt leidet an Leukämie. Was sie nicht weiß-der Arzt gibt ihr nur noch 3 Monate. Mit dem Gewissen, all ihre Liebsten sehr...