Teil 5

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Inzwischen war die Sonne hervorgekommen und prallte in mein Gesicht. Schützend hielt ich meine Hand über meine Augen. Was nun? Eine Pause. Was ich jetzt wirklich brauchte war eine Pause. Aber wo? Die Bahnstation lag zu offen. Eine einfache Wohnung würde reichen. Aber nicht in diesem Hochhaus, in einer ruhigeren Gegend. Erschöpft marschierte ich die Straße entlang, wobei ich darauf achtete immer im Schatten zu sein und meine Umgebung im Auge behielt. In der Straße reihten sich die grauen Hochhäuser. Müll, Sand oder Steine lagen auf dem Boden und die Sonne brannte in meinem Gesicht. Ich sah auf die Uhr.
Es war 15:45 Uhr, die Sonne würde also noch lange am Himmel bleiben. Hin und wieder trank ich einen Schluck oder aß etwas von der Schokoladentafel. So lief ich lange Zeit, mal ging ich einen Weg links lang, dann geradeaus oder auch rechts. Schließlich stand ich, am ende meiner Kräfte, vor einem gemütlichen Haus mit großem Garten. Das Gebäude war umzäunt und war zum Garten hin von einer Großen Hecke geschützt. Perfekt.
Ich betrat das Gelände und schlich in den Garten. Eine Grasfläche lag vor mir, mit einem alten, verrosteten Fußballtor. Das Gras war Hochgewachsen aber das störte mich nicht. Müde stolperte ich noch ein zwei Schritte und ließ mich dann fallen. Das Gras war gemütlich und ein kühler Wind war aufgekommen.

Ich schreckte auf. Ich war eingeschlafen. Ein Check der Uhrzeit: 18:36 Uhr. Ich Atmete auf, das war nicht so lange und ich lebte ja noch. Die Sonne war inzwischen abgeklungen und schien im Horizont zu verschwinden, sodass der Himmel sich rosa gefärbt hatte. Im gesamten sah es schön aus.
Ich rappelte mich auf und trank einen Schluck. Zeit das Haus zu erkunden.
Immernoch träge suchte ich nach einem Eingang. Da ich nur einen Stock weiter oben ein offenes Fenster sehen konnte, musste ich klettern. Ich schob einen Veranda Stuhl neben einen Zaun und zog mich letzlich in das Zimmer. Mit einem »watsch« Geräusch landete ich auf dem Boden.
Erst blieb ich sitzen und lauschte. Ich konnte nichts hören, also stand ich auf und sah mich um. Ich befand mich in einem alten Arbeitszimmer mit einem Bücherregal, altem Schreibtisch und einem Kamin. An den Wänden hingen Tiergeweihe und Gemälde von Wäldern. Scheinbar ein Jagd-Vernatiker. Ich lächelte. Mein Vater mochte Zelten und hatte von jedem Tier was er sah auch immer Fotos gemacht.
Ein Gedankenblitz durchzuckte mich. Aufgeregt stürzte ich zum Schreibtisch und riss jede Schublade auf. Dann lief ich zu einem Schrank. Ich sah in jede Ecke des Raumes aber konnte es nicht finden.
Also ging ich weiter. Ich eilte in die Küche. Immerhin. Ein Küchenmesser lag auf dem Tisch, ich nahm es. Es passte gut in meine Hand, ich konnte mir nur noch nicht vorstellen es auf eine andere Person zu richten. Nach kurzem Überlegen beschloss ich das Messer gar nicht erst weg zu stecken. Aber meine alten Klamotten konnte ich wohl hier lassen. Nachdem ich die Küche aufs weitere durchsucht hatte, schlenderte ich in das Badezimmer.
Ein Medizinkasten sog meine Blicke auf. Leider beinhaltete er nur Verbandszeug und Pflaster, aber besser als nichts. Ich stopfte den Fund in meinen Rucksack und ließ dafür wie geplant meine alten Klamotten zurück.

Wahrscheinlich war es Glück. Reiner Zufall dass ich gerade aus dem Fenster sah, denn so bemerkte ich gerade noch dass einige Fallschirme landen. Der nächste schien ein-zwei Straßen weiter gelandet zu sein und das empfand ich als meine Chance. Ich schulterte meinen Rucksack und band meine Haare zu einem Zopf zusammen, dann stürmte ich die Treppe runter und eilte aus dem Haus.
Ich konnte das Blut in meinen Ohren rauschen hören als meine Füße über den Betonboden trommelten.
Ich rannte so schnell ich konnte, das Messer fest umschlungen und bremste in der vermeindlichen Straße abrupt ab.
Keuchend sah ich einen Mann. Er beugte sich über die Kiste und hantierte wild herum.
Gerade noch rechtzeitig sprang ich hinter ein Auto, denn er schien fertig zu sein und sah sich um. Schließlich versteckte er sich in einer Kleinen Gasse.
Wieso nahm er die Kiste nicht? Schoss es mir in den Kopf. Mein Atem beschleunigte sich als mein Kopf zu arbeiten anfing. Da war es wieder. Mein Gefühl. Es war eine Falle, das war klar, aber welcher Art?
Vorsichtig lugte ich durch die Autoscheiben. Da! Eine Person näherte sich schnell.
Ein Junge, wahrscheinlich gleichalt wie ich. Japaner.
Er blieb stehen und sah sich um. Der Mann schien für ihn verborgen zu sein.
"Shit shit shit" fluchte ich hektisch. Er würde genau in die Falle laufen.
Reflexartig sprang ich auf und steckte mein Messer weg.
"HAAAALT!" rief ich und winkte mit den Armen.
Er blieb kurz stehen. Dann sah er jedoch wieder auf die Kiste und rannte weiter.
"Verdammt" fluchte ich erneut und rannte los.
"DAS IST EINE FALLE" schrie ich.
Mein Herz klopfte wie wild als ich in einem Affenzahn auf ihn zurannte. Er schien keine Waffe zu habe, denn er lief einfach weiter.
Sekunden später krachten wir in einander.
Wir fielen auf den Boden und ehe ich aufstehen konnte stürtzte er sich bereits auf mich. Er würgte mich, sein Blick war hektisch aber er schien auch »Entschuldigung« sagen zu wollen.
Hier ging es also für mich zu ende. Mein Leben geopfert für eine fremde Person die mich nun umbringen wollte. Ich hatte mich schon fast mit meinem Schicksal abgegeben. Gleich würden die Armbanduhren der anderen klingen und mein Gesicht würde auftauchen.
Nein Linn. Das ist zu früh.
Ich packte seine Handgelenke und versuchte sie abzuschütteln, während mir langsam schwarz vor Augen wurde. Ein pfeifen klang in meinem Ohr. Ich konnte nicht mehr Atmen.
Dann plötzlich ließ er mich los.
Ich rang nach Luft. Keuchend und hustend setzte ich mich auf.
"Sorry" japste er und klopfte mir auf die Schultern. "Gehts?"
Ich sah ihn an als wäre er von allen Geistern verlassen. Wollte er mich nicht eben noch umbringen? Ich war verwirrt.
"oh gott" war das erste was ich zustande brachte während ich mich auf meine Atmung konzentrierte.
Am liebsten hätte ich mich jetzt hingelegt, aber ich sah schon die nächste Gefahr. Der Mann.
Er rannte auf uns zu, ebenfalls mit einem Messer.
"Der Mann" keuchte ich und stand wackelnd auf. Ich tastete nach meiner Waffe und zog sie hervor.
Fast hätte ich sie dem Jungen gegeben, aber dann wäre es wohl wirklich aus.
Der Junge stand neben mir, in Kampfhaltung.
Taumelnd versuchte ich mich auch etwas geschickter hinzustellen. Unser Feind war breit gebaut und nun fast bei uns.
Erschrocken sprang ich einen Schritt zurück und sein Messer schnellte an mir vorbei. Ich taumelte, versuchte irgendwie mein Gleichgewicht wieder zu finden. Panisch sah ich bereits seinen zweiten Angriff. Wieder sauste das Messer auf mich zu und diesesmal traf es mich. Das Metall fraß sich in meine Schulter und ein lähmender Schmerz raubte mir die Sinne. Mein Messer ließ ich fallen. Ich hörte mein Blut in meinen Ohren rauschen, gleichzeitig sah ich es aus meiner Schulter fließen. Ich machte einen Schritt zurück, stolperte über meine eigene Beine und landete unbeholfen auf dem kalten Boden.
Der Mann kam mit wütender Miene näher, drohend stand er über mir, bereit mich umzubringen.
Angst lähmte meinen Körper und ich starrte nur auf das Messer.
Dann ein Schmerzenschrei, diesesmal nicht meiner. Der Junge stach auf den Mann ein, wieder und wieder.
Halb Ohnmächtig spürte ich noch meine Armbanduhr vibrieren.
"Alles okay?"
Fragte mich jemand.
Jemand nahm mich bei der Hand und zog mich hoch.
"Halt noch etwas durch" sagte die Stimme, welche ich nur noch verschwommen wahrnahm. Taumelnd schleppte ich mich vorran. Jemand zog mich immernoch am Handgelenk hinter sich her. Wir blieben stehen.
"Ach shit" fluchte die Stimme und zog mich ruckartig weiter.
"Wir müssen hier weg. Gib nicht auf!"
Sagte jemand und ich stolperte weiter.

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