Vermisst

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Toni schnappte sich sofort Zettel und Stift. Andreas wusste schon wen der Mann als vermisst melden möchte. „Meine Frau ist verschwunden!", rief der Mann. Andreas schaute den Mann verwundert an. „Ihre Frau?", fragte er. Der Mann nickte: „Ja, meine Frau! Bettina Kreuzer!" „Nicht Ihre Tochter?", fragte Tobias sicherheitshalber noch einmal nach. Der Mann schüttelte den Kopf: „Nein, wieso meine Tochter? Ich habe nicht einmal eine Tochter." Der Mann war mindestens genauso verwirrt wie die Bergretter. „Ich bräuchte Ihren Namen", sagte Toni. Jessica merkte schnell, dass der Mann mit seinen Nerven am Ende war. „Setzen Sie sich erst mal", sagte Jessica freundlich. Der Mann nahm dankend Platz und wandte sich dann an Toni. „Mein Name ist Martin. Martin Kreuzer." Toni nickte und notierte sich alles. „Was ist denn passiert Herr Kreuzer. Seit wann vermissen Sie denn Ihre Frau?", fragte Andreas und setzte sich neben ihn. Jessica brachte ihm ein Glas Wasser. „Seit gestern. Sie wollte klettern gehen und gestern Abend zurück sein." „Sie vermissen sie seit gestern Abend?", fragte Tobias. Der Mann nickte und schaute ihn verwundert an. „Wieso sind sie denn nicht gestern schon hierhergekommen. In den Bergen kann es verdammt gefährlich sein", sagte Andreas. „Ich war doch gar nicht zu Hause. Ich war über das Wochenende in Belgien bei einer Konferenz. Bettina wollte sich gestern nach dem Klettern melden. Als sie nicht angerufen hat, bin ich davon ausgegangen, dass sie eingeschlafen ist. Aber als ich heute Mittag nach Hause gekommen bin, war niemand da. Ich habe es bei ihrem Handy probiert. Ihre Kletterausrüstung war auch nicht hier. Da muss etwas passiert sein!", rief Martin Kreuzer ganz aufgeregt. Toni schrieb alles mit. Martin Kreuzer verkrampfte seine Finger. „Okay, wir werden uns gleich auf die Suche machen. Sie müssen uns jetzt nur noch sagen, wo Ihre Frau klettern war." „Auf dem Stoderzinken." „Wissen Sie denn auch welche Route Ihre Frau genommen hat? Der Stoderzinken ist groß", sagte Tobias. Der Mann zuckte mit den Schultern: „Keine Ahnung. Ich kenne mich da nicht aus. Sie geht immer alleine klettern." Toni nickte: „Vielleicht hat Ihre Frau irgendwo Wanderkarte, wo sie es eingezeichnet hat." Martin Kreuzer nickte: „Das kann sein. Ich kann zu Hause gleich mal nachsehen." Andreas nickte: „Gut, machen Sie das. Toni wird sie begleiten." Michi räusperte sich und sagte: „In 3 Stunden ist das Licht weg." Andreas nickte und wandte sich wieder an Martin. „Wir brauchen dringend irgendwelche Hinweise. Wir haben nicht mehr viel Zeit." Martin wurde nervös und sagte: „Sie müssen sie aber finden!" Jessica stand hinter ihm. „Ja, das werden wir." Martin drehte sich zu ihr um: „Nein, ich meinte damit dass Sie sie wirklich finden müssen! Meine Frau ist Diabetikerin!" Andreas und Jessica schauten sich an. Das machte die ganze Sache natürlich etwas schwieriger. „Hat Ihre Frau genug Insulin dabei?", fragte Jessica. Martin zuckte mit den Schultern: „Ich weiß es nicht. Normalerweise nimmt sie immer etwas mehr mit. Aber ich weiß nicht, ob sie noch etwas übrig hat. Sie wollte doch gestern Abend zurück sein!" Jessica nickte. „Okay, ich schlage vor, dass Sie Herr Kreuzer und Toni zu Ihnen nach Hause fahren und die Wanderkarten durchsuchen und wir machen uns gleich auf den Weg." Die Bergretter nickten. „Was ist mit der Jacke?", fragte Michi. „Die bringen wir später im Krankenhaus vorbei. Jetzt ist erst mal Frau Kreuzer wichtig. Jessica, haben wir genug Insulin?", fragte Andreas. Jessica nickte: „Ja, das wurde neulich erst aufgefüllt." „Sehr gut! Ach, Herr Kreuzer, ich muss Ihnen noch etwas zeigen", sagte Andreas und kramte in seiner Jackentasche. Er fischte sein Handy heraus und zeigte ihm ein Foto von dem Mädchen. „Kennen Sie sie?" Martin Kreuzer schaute sich das Foto ein bisschen genauer an, schüttelte dann aber den Kopf. „Nein, habe ich noch nie gesehen. Wieso?", fragte er. „Wir haben sie heute Morgen unterhalb der Steilwand am Stoderzinken gefunden. Vielleicht kennt ihre Frau sie und war mit ihr kletter", fragte Andreas. Martin Kreuzer schüttelte den Kopf: „Ich glaube nicht, dass meine Frau sie kennt." „Okay, dann los! Auf geht's!", sagte Tobias. Andreas, Jessica, Michi und Tobias fuhren zurück zum Heliport.

Toni fuhr gemeinsam mit Martin Kreuzer zu seinem Haus. Er sperrte die Haustür auf und zeigte Toni die Wanderkarten. Toni durchsuchte alles, fand aber nichts. „Hat Ihre Frau denn irgendwann mal erwähnt, wo sie hinmöchte?", fragte Toni. Martin schüttelte den Kopf: „Nein, ich könnte mich nicht daran erinnern. Sie redet so viel über das Klettern und war schon an vielen Orten." „Und da geht sie immer alleine?", fragte Toni. Martin schüttelte den Kopf: „Nein, normalerweise nicht. Ihre beste Freundin Manuela begleitet sie immer, aber sie hat sich beim letzten Mal verletzt und konnte diesmal nicht mitkommen. Mich hat es gewundert, dass sie trotzdem alleine gegangen ist." Toni nickte: „Vielleicht weiß diese Manuela mehr über die Route, die Ihre Frau nehmen wollte." Martin nickte: „Ich kann sie gleich mal anrufen." Toni nickte und schaute sich nochmal um. Als er etwas entdeckte, sagte er schnell: „Vielleicht brauchen wir sie gar nicht. Ich glaube ich habe etwas gefunden." Im Drucker lag in Blatt Papier. Toni nahm es und schaute sich genauer an, was da drauf stand. Es war ein Ausdruck aus Google Maps. Die Route war ganz klar gekennzeichnet. Toni fischte sein Handy heraus und rief Andreas an. „Was gibt's Toni?", fragte Andreas sofort. „Ich glaube wir haben etwas gefunden. Bettina Kreuzer hat am unteren Parkplatz vom Stoderzinken angefangen. Sie ist über den Stillpass zur Kreisachtalhütte. Dann hat sie fast den ganzen Gipfel um klettert und dann auf den Gipfel. Vom Gipfel ist sie dann über die Steilwand hinunter ins Tal. Aber das schaffst du nicht an einem Tag und schon gar nicht alleine", sagte Toni. „Okay, ruf den Oberthaler an. Dem gehört die Kreisachtalhütte. Frag ihn ob er sie vermietet hat und wer dort war. Wir werden die Route abfliegen. Ach ja und frage den Kreuzer welches Auto seine Frau hat." Toni wandte sich schnell an Martin und fragte ihn welches Auto seine Frau hat. „Einen weißen Seat Leon", sagte Martin. Toni gab die Informationen durch und legte auf. „Also, wir werden alles dafür tun, damit wie Ihre Frau rechtzeitig finden, aber ich muss jetzt los", sagte Toni. „Und was soll ich jetzt machen?" fragte Martin verzweifelt. Toni zuckte mit den Schultern: „Sie können nichts tun. Jetzt müssen Sie die Arbeit den Bergrettern überlassen. Er ließ Martin stehen und verschwand.

„Michi, du musst uns am Parkplatz raus lassen", rief Andreas Michi zu. Michi nickte und wurde sofort langsamer. Er ging runter und ließ die drei aussteigen. „Du fliegst rund um den Gipfel. Wir gehen die Route von Bettina Kreuzer ab, soweit wir es eben schaffen." Michi reckte seinen Daumen nach oben und hob wieder ab. „Wenn sie dir Route eingehalten hat, dann müssen wir sie irgendwo finden", sagte Tobias zuversichtlich. Andreas nickte. Gemeinsam gingen die drei los.

Toni war in der Zentrale und wählte die Nummer von Karl Oberthaler. „Grüß Gott, Bergrettung Ramsau Toni Stössl am Apperat, bin ich hier richtig bei Karl Oberthaler?", fragte Toni freundlich. „Ja, was wollen Sie?", brummte eine dumpfe Stimme in den Hörer. „Ich wollte nur fragen, ob sie in den letzten Tagen Ihre Hütte vermietet haben?", fragte Toni. „Nein, die Hütte wurde schon lange nicht mehr vermietet. Wieso wollen Sie das wissen?", fragte der Mann. „Eine Frau wird vermisst." „Das tut mir Leid, aber ich kann Ihnen leider nicht weiterhelfen." „Schon gut, vielen Danke. Schönen Tag noch", sagte Toni und legte auf.

Andreas, Tobias und Jessica gingen den steilen Weg zu Kreisachtalhütte hinauf, als Toni anrief und sagte, dass die Hütte nicht vermietet wurde. „Dann können wir uns den Weg da rauf sparen, oder?", fragte Tobias. Andreas schüttelte den Kopf: „Nein, es ist sehr gefährlich da rauf. Vielleicht ist sie irgendwo abgestürzt." Jessica ging hinter Andreas und schaute der ganzen Sache etwas skeptisch ins Gesicht. „Ist was?", fragte Andreas als er sich umdrehte. Jessica schüttelte den Kopf. „Nein, alles gut. Nur ein bisschen steil hier." Andreas nickte und lächelte ihr zu. Plötzlich trat Jessica auf einen Stein und stolperte. Sie rutschte auf dem Kies aus und torkelte in Richtung Abgrund. „Jessica pass auf!", rief Tobias. Jessica konnte ihr Gleichgewicht nicht mehr halten und kippte nach hinten. Sie rutschte Weg und schlitterte ein Stück den Abhang hinunter. Andreas griff blitzschnell nach ihrem Kragen. „Andreas! Halt mich fest!", rief Jessica ängstlich. „Ich hab dich! Keine Sorge!", rief Andreas. Tobias war sofort zur Stelle und reichte Jessica seine Hand. „Hier! Nimm meine Hand!", rief Tobias. Jessica griff danach und gemeinsam zogen Andreas und Tobias Jessica wieder hoch. Als sie wieder festen Boden unter ihren Füßen spürte, setzte sie sich auf einen Stein. Ihre Hände zitterten und ihr Herz schlug viel schnell. Sie blutete auf der Hand, aber das war nicht weiter schlimm. „Alles okay?", fragte Andreas und setzte sich neben sie. Jessica nickte und vergrub sich in seinen Armen. Andreas schloss seine Arme um sie und wiegte sie leicht hin und her. „Ich glaube, wir machen einmal eine kurze Pause", sagte Andreas. Tobias nickte und seufzte. Er setzte sich neben Andreas. Tobias nahm sein Funkgerät und funkte Michi an. „Michi für Tobias", sagte Tobias. Michi meldete sich sofort. „Habt ihr schon was?", fragte er. „Nein und du?", fragte Tobias. „Ich bin jetzt alles abgeflogen, aber keine Spur von einer Vermissten. Aber schau mal Richtung Osten. Da zieht ein Gewitter auf. Das Wetter schlägt um." Tobias richtete seinen Blick Richtung Osten und sah schon die schwarzen Gewitterwolken. „Du hast Recht. Kannst du uns abholen? Wir sind in der Mitte vom Stillpass", fragte Tobias. „Klar, bin ich 8 Minuten da." Tobias deutete Richtung Osten und sagte: „Da zieht ein Gewitter auf. Wir müssen die Suche abbrechen." Andreas schaute in die Richtung nickte: „Ja, das ist wohl das Beste. Hoffentlich dauert das Unwetter nicht zu lange und wir können morgen Früh wieder weiter suchen." Tobias nickte. Jessica war noch immer leicht blass um die Nase, aber es ging ihr gut.

Verena ging gerade durch den Flur der Intensivstation, als eine Schwester aufgeregt auf sie zu kam. „Doktor Auerbach! Das Mädchen wacht auf!", rief sie. Verena nickte und lief der Schwester hinterher. Als sie im Zimmer des Mädchens stand, bewegte sie sich schon. Ihre Hände verkrampften sich und ihre Augenlider flackerten. Verena ging ganz leise auf sie zu und beugte sich über ihr Gesicht. Mit kratziger Stimme meldete sich das Mädchen zu Wort. „Was ist denn los?" Sie war immer noch leicht benommen. „Hallo, mein Name ist Doktor Auerbach. Du bist im Krankenhaus. Du hattest einen Unfall", sagte Verena sanft. Das Mädchen wurde unruhig und versuchte schnell sich aufzurichten, schaffte es aber nicht, weil sie zu viele Schmerzen hatte." „Hey, ganz ruhig ja? Du hast dir sehr weh getan." Verena half ihr dabei sich aufzurichten und reichte ihr ein Glas Wasser. „Ich hatte einen Unfall?", fragte das Mädchen. Verena nickte: „Ja, kannst du dich nicht mehr daran erinnern?" Das Mädchen schüttelte traurig den Kopf. „Das ist nicht so schlimm. Das ist ganz natürlich nach solch einem Unfall." Das Mädchen schaute Verena ein bisschen skeptisch an. „Kannst du mir die Namen deiner Eltern sagen, damit sie wissen, dass es dir gut geht?", fragte Verena freundlich. Das Mädchen schüttelte den Kopf: „Ich kann mich nicht erinnern." Ihre Augen wurden feucht. Verena schluckte: „Nicht weinen. Deine Erinnerung wird bestimmt bald zurück kommen." Das Mädchen versuchte ihren Kloß hinunter zu schlucken. „Kannst du mir deinen Namen sagen?", fragte Verena. Das Mädchen schüttelte wieder den Kopf: „Ich weiß ihn nicht mehr." Verena seufzte. Das war gar nicht gut.

Die Bergretter - Verschollen und VergessenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt