Wer ist sie?

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Der Helikopter landete gerade, als es zu regnen begann. „Schwein gehabt", sagte Michi und stieg aus. Rudi stand im Hangar und schaute Michi skeptisch an: „Hättest du nicht ein bisschen früher kommen können?" „Jammer nicht rum. Los kommt, lass uns die Mühle rein ziehen", sagte Michi und gab Rudi einen freundschaftlichen Stoß. Tobias und Andreas sprangen aus dem Heli und trugen die Rucksäcke in den Hangar. Jessica saß noch eine Weile drin, um den Inhalt des Notfallrucksackes zu checken. Als Andreas und Tobias um Hangar waren, entdecken sie Martin Kreuzer. „Was macht der denn hier?", raunte Tobias Andreas zu. Andreas zuckte mit den Schultern. Martin kam auf die beiden zu. „Wo ist meine Frau?", fragte er. „Wir haben sie nicht gefunden. Wir werden morgen Früh sofort die Suche fortsetzen", sagte Andreas. Martin schaute zwischen Andreas und Tobias hin und her. „Wie morgen Früh?", fragte er aufgebracht. „Sie müssen sie jetzt suchen! Sie stirbt sonst!", rief er aufgebracht. „Das Wetter lässt eine Suche aber nicht zu. Es ist gleich dunkel. Wir würden uns selbst in Gefahr begeben", sagte Tobias. Jessica war mit ihrem Check fertig und ging zu den drei Männern. Sie stellte sich hinter Andreas und lauschte der lautstarken Unterhaltung. „Sie sind doch die Bergrettung! Es ist Ihr Job meine Frau zu suchen! Also machen Sie das gefälligst!", rief Martin. Er wurde immer wütender. „Jetzt hören Sie mal zu Mann! Wir werden Ihre Frau schon finden, aber nicht mehr heute!" Jetzt wurde auch Andreas ziemlich wütend. Er konnte es nicht ausstehen, wenn man seine Kenntnisse im Berg in Frage stellte. „Aber wie! Sie werden Sie tot finden!", rief Martin. Er packte Andreas am Kragen. „Hey! Jetzt kommen Sie mal wieder runter!", rief Tobias und stieß Ihn von seinem Freund weg. Martin holte aus und wollte Andreas einen Kinnhaken verpassen. Andreas war schneller und duckte sich. Blöd, dass Jessica hinter ihm stand, die voll eine ins Gesicht bekam. Darauf war sie nicht vorbereitet und flog nach hinten. „Sind Sie verrückt?!", rief Andreas, als er seine Freundin am Boden liegen sah. „Sie sind schuld, wenn Bettina stirbt!", rief Martin ziemlich aufgelöst. Michi und Rudi bekamen das letzte Szenario mit und griffen sofort ein. „Jetzt ist aber Schluss!", rief Michi und packte Martin bei seinen Armen. „Lassen Sie mich los!", rief Martin aufgebracht. „Jetzt hören Sie mal zu! Entweder Sie verschwinden auf der Stelle von hier, oder ich rufe die Polizei. Wir können Sie wegen Körperverletzung anzeigen." „Ist ja schon gut!", rief Martin und löste sich aus Michis Griff. „Ich begleite sie lieber noch nach draußen", sagte Michi und ging mit ihm nach draußen.

Jessica lag noch immer ziemlich benebelt auf dem Boden. „Jessica!", rief Andreas. Er und Tobias knieten neben ihr. „Geht schon", sagte sie und richtete sich auf. In ihrem Kiefer spürte sie einen heftigen Schmerz. „Der hat dich ja ziemlich getroffen", sagte Tobias. Jessica nickte und versuchte ihr Kiefer zu bewegen. „Hoffentlich ist es nichts Ernstes", sagte Andreas. „Wir brauchen dich." Er gab ihr einen Kuss. „Autsch!", rief Jessica sofort. „Tut mir Leid", sagte Andreas und beugte sich wieder zurück. „Das solltest du dir ansehen lassen", sagte Tobias. Jessica winkte ab und stand auf: „Das ist halb so wild." „Keine Widerrede! Michi fährt nachher sowieso ins Krankenhaus." Wie auf Kommando kam Michi wieder in den Hangar. „Der wollte mich zusammenschlagen", sagte er. „Dieser Typ hat doch eicht ein Problem!", rief Tobias. Michi schaute auf seine Hand, die etwas blau war. „Ich hab ihm eine Erinnerung verpasst", sagte Michi. Andreas schaute Michi geschockt an. „Hey! Das war Notwehr okay?", sagte Michi empört. Andreas nickte. Er holte eine Packung Eis für Jessica. „Kannst du fahren?", fragte er skeptisch. Michi nickte. „Okay, Jessica und ich fahren mit ins Krankenhaus. Das muss untersucht werden." Michi nickte: „Alles klar. Ich hol nur kurz die Jacke aus dem Heli, dann können wir los. Andreas nickte. Er ging mit Jessica schon mal zu Michis Auto. Ihr Kinn war bereits grün und blau. Michi setzte sich mit Schwung und den Wagen und fuhr los.

Verena war gerade im Eingangsbereich, als die drei Bergretter herein kamen. Verena lächelte sie an, doch als sie Jessica genauer betrachtete, verging ihr das Lachen. „Was ist denn mit dir passiert?", fragte sie. „Ich sollte wohl nicht in jede Angelegenheit meine Nase reinstecken", sagte sie. „Ein Mann der seine Frau vermisst, ist ein bisschen ausgerastet", sagte Andreas. Verena nickte langsam. Sie wusste zwar noch immer nicht ganz was passiert war, aber das jetzt auch egal. „Ich schicke dich gleich zum Röntgen", sagte Verena zu Jessica. Jessica nickte. „Ach ja, das Mädchen ist aufgewacht." „Sehr gut. Können wir zu ihr?", fragte Andreas gleich. Verena schüttelte den Kopf: „Sie ist noch sehr schwach, außerdem wird sie euch sowieso nichts nützen. Sie weiß nicht einmal ihren eigenen Namen." „Scheiße", sagte Michi und Andreas gleichzeitig. „Ich will trotzdem mit ihr sprechen", sagte Andreas. „Andreas, das geht nicht. Du wirst sie nur noch mehr aufregen." „Wir brauchen aber ihre Hilfe! Eine Frau wird vermisst und es kann sein, dass sie sie gesehen hat", sagte Andreas eindringlich. Verena seufzte: „Also gut, aber sie darf sich nicht aufregen. Und nicht zu lange!" Andreas nickte. Er wandte sich an Jessica und gab ihr einen Kuss. „Kommst du alleine zurecht?", fragte er. Jessica nickte. Sie setzte sich in den Wartebereich. „Du müsstest bald zum Röntgen aufgerufen werden", sagte Verena zu Jessica. Gemeinsam mit Michi und Andreas ging sie auf die Kinderstation. Das Mädchen wurde bereits verlegt. Verena klopfte an die Tür und ging als erste hinein. Nur das Mädchen war in dem Zimmer. Die anderen Betten waren leer. Das Mädchen starrte aus dem Fenster hinaus. Als er klopfte, drehte sie ihren Kopf und schaute Verena direkt ins Gesicht. „Hallo, du hast Besuch", sagte Verena und ließ Michi und Andreas rein. Andreas und Michi stellten sich vor das Bett des Mädchens. „Hallo. Ich bin Andreas und das ist Michael", sagte Andreas. Das Mädchen nickte: „Haben Sie mich gerettet?" Michi nickte. „Sag mal, kannst du dich vielleicht noch an irgendetwas erinnern?", fragte Andreas. Das Mädchen schüttelte den Kopf: „Ich kann mich nicht einmal an meinen eigenen Namen erinnern." Andreas nickte. „Kommt dir diese Jacke vielleicht bekannt vor?", fragte Michi und zeigte ihr die Jacke. Das Mädchen schüttelte wieder den Kopf: „Tut mir Leid, da klingelt nichts." „Denk nochmal nach. Das ist wirklich wichtig", sagte Andreas. „Ich kann Ihnen nichts sagen. Ich wünschte ich könnte, aber es geht nicht", sagte das Mädchen. „Andreas!", zischte Verena. „Warum ist das denn so wichtig?", fragte das Mädchen. „Eine Frau wird vermisst, dich auch an der Stelle geklettert ist, an der du warst. Außerdem hattest du keine Ausrüstung dabei, was darauf hindeutet, dass du nicht alleine warst." „Ach und Sie denken, dass ich mit dieser Frau unterwegs war?", fragte das Mädchen. Michi und Andreas nickten gleichzeitig. Das Mädchen überlegte: „Sie könnten mir doch mal erzählen, was da oben passiert ist. Vielleicht kommt dann meine Erinnerung zurück." „Wir können dir leider nicht sehr viel darüber sagen. Wir haben dich nur gefunden", sagte Andreas. Michi beschrieb ihr ganz genau die Steilwand, doch auch das brachte nichts. „Und was ist, wenn ich mit Ihnen noch mal hochfliege?", fragte das Mädchen. Andreas und Michi schaute sich an. Sie wusste was jetzt kommen wird. „Das kommt gar nicht in Frage!", mischte sich Verena ein. „Ach bitte, Frau Doktor. Ich will doch nur helfen und so schlecht geht es mir noch gar nicht!" Verena schüttelte den Kopf: „Nein! Das kann ich nicht verantworten. Du bist noch ein Kind!" Jetzt mischte sich Andreas ein: „Kannst verantworten, dass eine Frau da draußen stirbt." Verena schluckte: „Andreas, das ist jetzt nicht fair. Ich kann das Mädchen nicht mit euch fliegen lassen. Das weißt du ganz genau. Außerdem habt ihr keine Beweise, dass die beiden überhaupt zusammen waren." „Das stimmt. Wir haben keine Beweise, aber wenn sie die Stelle sie, an der sie abgestürzt ist, dann kann sie sich vielleicht wieder erinnern. Verena, die Frau ist Diabetikerin. Gerade du als Ärztin müsstest wissen, wie gefährlich das sein kann. Willst du wirklich, dass die Frau stirbt?", sagte Andreas. Michi stieß ihn in die Seite. Er erkannte, dass es Verena langsam zu viel wurde. „Ich bleibe bei meiner Entscheidung und Punkt! Das Mädchen ist noch nicht Volljährig. Außerdem ist es unfair mich gleich für den Tod einer Person verantwortlich zu machen." Sie stürmte aus dem Krankenzimmer und knallte die Tür hinter sich zu. Michi schaute Andreas empört an und sagte: „Das hätte jetzt aber wirklich nicht sein müssen."

Er verschwand aus dem Zimmer und rannte Verena hinterher. Das Mädchen schaute Andreas verwirrt an. „Keine Angst. Das kriegen wir schon hin", sagte Andreas und ging ebenfalls. Er schlug aber einen anderen Weg ein und ging zu Jessica in den Wartebereich.

„Verena! Jetzt warte doch!", rief Michi. Er hatte sie schnell eingeholt. „Ich möchte doch auch, dass die Frau lebend zurück kommt, aber das Krankenhaus hat die Verantwortung für das Mädchen und wenn ihr etwas passiert, dann bin ich schuld!", rief Verena aufgebracht. „Ich weiß! Jetzt beruhig dich doch erst einmal. Du weißt doch wie Andreas ist. Er meint es doch nicht so." Verena nickte und atmete angestrengt aus. Sie lehnte sich gegen eine Wand im Flur und schloss die Augen. Sie hatte heute schon einen anstrengenden Tag gehabt. Michi strich ihr sanft über den Oberarm und fragte besorgt: „Ist alles in Ordnung mit dir?" Verena öffnete wieder ihre Augen und nickte. „Ja, alles okay. Ich hatte nur einen anstrengenden Tag heute." Michi nickte verständlich. Er hatte noch immer die Jacke in seiner Hand. „Sag mal, könntest du vielleicht das Blut an der Jacke untersuchen?", fragte er. Verena nahm die Jacke entgegen und nickte: „Ich schätze mal auf die DNA von dem Mädchen, stimmt's?" Michi nickte. „Okay, mach ich. Ich melde mich sobald ich ein Ergebnis habe. Michi, sei mir nicht böse, aber ich muss jetzt weiter." Sie winkte ihm zum Abschied und verschwand. Enttäuscht blieb Michi stehen. Er wollte sie eigentlich noch einladen.

Beim Röntgen stellte sich heraus, dass Jessicas Kiefer nicht gebrochen war, sondern ein bisschen geprellt. Das war aber nicht weiter schlimm und sie durfte gleich wieder nach Hause.

Am nächsten Morgen trafen sich alle in der Zentrale. „Also Leute, auf geht's", sagte Andreas. „Was steht an?", fragte Tobias. „Du und Toni, ihr werdet weiter den Stillpass absuchen. Jessica, Michi und ich werden zum Krankenhaus fahren und uns das Mädchen holen", sagte Andreas. Michi glaubte nicht richtig zu hören: „Hast du was auf den Ohren? Verena hat doch gesagt, dass das Mädchen nicht mit darf." Andreas nickte: „Ich weiß, aber wir haben keine andere Wahl. Ich werde die Verantwortung für das Mädchen übernehmen. Vielleicht muss Verena auch gar nichts davon erfahren." Auch Jessica war ein bisschen skeptisch und sagte: „Das wird schon einen Grund haben wieso Verena so dagegen ist. Das Mädchen wird einfach gesundheitlich noch nicht wo weit sein." Andreas nickte: „Das mag schon sei. Deswegen fliegst auch du mit." Jessica seufzte. Andreas war wirklich nicht von seiner Idee abzubringen. Wenn das mal gut geht.

Die Bergretter - Verschollen und VergessenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt