Romeo, die Heulboje

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P.o.V. Laura

"Bereit?", fragte Tim. "Bereit, wenn du es bist...", murmelte ich. Hand in Hand gingen wir auf die Bühne und verbeugten uns. Alle jubelten und klatschten für uns, Romeo und Julia. Ich sah mich um und konnte in der hintersten Ecke meine Eltern sehen. Ich wollte sie nicht enttäuschen. "Handys aus, Taschentücher raus und viel Spaß bei der Aufführung von...", sagte Herr Müller und sah zu uns. Beide gleichzeitig sagten wir: "Romeo und Julia!". Der Vorhang ging zu. Wir holten die Requisiten auf die Bühne und stellten uns zu unseren Tanzpartnern. Der Vorhang ging wieder auf und wir tanzten und wechselten die Partner. Als wir zusammen tanzten, wurde mir schlecht. Gleich würden wir uns küssen. Tim beugte sich zu mir vor. "Julia...", hauchte er. Mein Herz schlug höher und wir küssten uns. Ich wollte mich zurückziehen aber Tim verpasste den Moment und wollte nicht aufhören. Vorsichtig schob ich ihn weg, aber er kapierte den Wink nicht. Unsanft stieß ich ihn von mir weg. Ich setzte ein Lächeln auf und winkte bis der Vorhang wieder zu ging. "Was sollte das?", zischte ich. "Ich liebe dich, Laura! Das Stück war mir von Anfang an egal.", sagte er so laut, dass alle ihn hören konnten. Er küsste mich noch einmal und ich erwiderte den Kuss. Ich löste mich von ihm und ging lächelnd in die Umkleide, um mich neu zu schminken. Als ich zurück kam, sah ich Tim und Patricia küssend in der Requisitenlagerhalle. Ich schrie auf. "Du hast doch nicht wirklich geglaubt, dass irgendjemand jemals ehrlich zu dir sein wird, oder?", lachte er. Er lachte mich aus. Meine Eltern logen mich an, Ben log mich an und jetzt auch noch Tim? Ich fühlte mich, als würde mir der Boden unter den Füßen weggerissen. Ich sah auf den Boden, der tatsächlich einbrach. Ich fiel in eine riesige Schlucht.

Schweißgebadet wachte ich in meinem Bett auf. Das war nur ein Traum gewesen. Ich duschte mich erst einmal lange und zog mir ein hellblaues Kleid an. Meine Haare ließ ich offen. Ich nahm meinen Rucksack und ging zur Schule. Auf dem Weg traf ich Tim. "Du bist aber früh wach.", sagte er und sah mir intensiv in die Augen. Musste das sein? "Ja... Ich hatte einen Albtraum und bin schon vor zwei Stunden aufgewacht. Du bist immer so früh wach, hm?",redete ich schon los. Es war gerade einmal kurz vor 7 Uhr. Wir waren eine Stunde zu früh an der Schule und gingen noch einmal unseren Text durch. "Hoffentlich vergisst du heute nicht schon wieder deinen Text. Gestern warst du ja völlig aus dem Konzept.", sagte ich und lachte. Tim sah nachdenklich auf den Boden.

Ich habe dir doch gesagt, dass der Kuss schuld war.

Red keinen Schwachsinn.

Tue ich nicht.

Doch!

Er fing an zu weinen. "Was ist denn los?", fragte ich, aber er antwortete nicht. Ich nahm seine Hand und kuschelte mich an ihn. Ich strich ihm durch seine Haare und flüsterte: "Alles wird gut. Egal, was es ist...". Er beruhigte sich nicht. Ich drückte ihm einen Kuss auf die Wange und wiederholte meine Worte. "Ich werde zu dir stehen egal, was ist. Wir sind doch so gute Freunde.", flüsterte ich und strich ihm liebevoll eine Träne aus dem Gesicht. Jetzt hatte ich eine richtige Heul-Attacke ausgelöst. Was hatte ich denn getan? Ich umarmte ihn und versuchte ihn zu beruhigen. Wir saßen auf der untersten Stufe der Schultreppe. Jemand räusperte sich, weil wir die Treppe blockierten. Ich stand auf und hievte die Heulboje wieder aus seine Beine. "Mama! Papa!", krächzte ich und umarmte meine Eltern. Sie waren etwas zu früh. Die Aufführung würde erst heute Abend sein. "Ich muss jetzt in den Unterricht. Komm schon, Romeo!", erklärte ich und versuchte mit aller Kraft Tim mitzuziehen. Er weinte immer noch. "Halt endlich die Klappe!", rief ich genervt und küsste ihn. Mir war eigentlich jedes Mittel recht. Er sollte nur leise sein. Ich löste mich von ihm, lächelte zufrieden und sagte: "Geht doch! Was war jetzt das Problem?". Er schwieg immer noch. "Du hast angefangen zu weinen, als ich davon geredet habe, dass du gestern deinen Text vergessen hast. Hast du Lampenfieber? Das ist doch völlig normal! Außerdem ist es doch gar nicht aufgefallen. Ich muss dir nur ein bisschen helfen und schon weißt du alles wieder.", redete ich wie ein Wasserfall. Er nickte stumm. Ich lachte, nahm seine Hand und zog ihn mit zum Klassenzimmer. Meine Eltern winkten mir noch zu und verschwanden dann in der Cafeteria.

Wieso glaube ich Tim nicht wirklich?

Weil er lügt.

Was ist deiner Meinung nach dann der Grund?

Er hat sich in dich verliebt!

...

Jetzt hast du auch nichts mehr einzuwenden?

Trotzdem hast du auf gar keinen Fall recht.

Ach ja?

...

Ich habe dich überzeugt. Tim hat sich in dich verliebt.

Das wäre zu schön...

Du hast Angst wegen dem, was mit Ben passiert ist.

Nein...

Kleines... Ich bin du! Ich kenne deinen gestrigen Albtraum.

...

Ja ja...

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