Die Königin trat noch näher an den Tisch heran, neben dem auch der Soldat stand und hinab auf das wartende Kind starrte.
"Wenn sich zwei streiten, freut sich der Dritte."
Blitzschnell griff sie nach dem Schwert an der Seite des Soldaten. Geschmeidig zog sie die Klinge aus der ledernen Scheide und hieb dem kleinen Kind, ohne zu zögern, den Kopf ab. Für eine Sekunde schienen alle die Luft anzuhalten, bis meine Königin das Schwert fallen ließ und das Eisen schepperend auf den Boden traf. Gefolgt von einem lauten Aufschrei der Mutter. Lucinda wandte sich langsam um und stieg die wenigen Treppen zu ihrem Thron hinauf. Hinter ihr färbte sich das Lacken, in welches das Baby gewickelt war, in dunklem Rot und die Mutter wandte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht in den Händen des Soldaten der sie festhielt. Als meine Königin sich wieder auf ihren Thron niederlies, blickte sie ein letztes Mal auf die beiden Frauen herab. Herrschaftlich das Kinn erhoben und mit einem grausamen Lächeln auf den Lippen sprach sie: "Und merkt euch. Bei mir wird der Dritte immer der Tod sein."
Ich biss mir stumm auf die Lippe, als der Soldat die beiden Frauen hinausbegleitete. Die Lügnerin an der linken Seite und an der rechte eine Mutter, die ihren Sohn verloren hatte.
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Sie ist grausam unsere Königin.
Ihre Ketten sind im ganzen Land gefürchtet, aber für die Stärke mit welcher sie ihr Land vertritt und für die Freiheit die sie den Sklaven geschenkt hat, wird sie von ihrem Volk vergöttert. Damals als ich noch bei Madame Lewards Hof gearbeitet habe und sonntags immer auf den Markt musste um Tomaten und Hirse zu besorgen, erzählte mir die rundliche Frau hinter dem Gemüsestand, dass Lucinda Raven die mächtigste Königin ist, die es sei Jahrzehnten in unserem Reich gab.
"Das Volk frisst ihr aus der verdammten Hand!", hatte sie gesagt und dabei ein wenig gespuckt. Da sie sehr alt aussah und nur wenig sprach, wusste ich dass sie Recht hatte. "Doch Liebe und Furcht ist eine schlechte Mischung. Merk dir das, Kleine!" Ich nickte, bezahlte und kehrte an den Hof zurück. Als ich meiner Herrin erzählte, was die Marktfrau soeben gesagt hatte, gab sie mir eine schallende Ohrfeige und meinte ich solle nicht tratschen sondern meine Arbeit verrichten.
Nur wenige Wochen später ließ mich die Herrin die beste und teuerste Scheniderin des Dorfes holen. Viele Stunden verbrachte Madame Leward mit ihr im Zimmer, ab und zu konnte ich Stimmen und Gelächter hören, aber meistens war es hinter der verschlossenen Tür ziemlich still. Die Tage darauf erfuhr ich warum meine Herrin ein neues Kleid für ihren bereits überladenen Kleiderschrank brauchte. Die Königin hatte sie ins Schloss bestellt um ihre Untertanten kennenzulernen. Natürlich nur die Adeligen und Reichen.
Madame Leward gehörte zu den Reichen. Ihr edler Vater verdiente sich beim Kauf einer erschöpft geglaubten Minie dumm und dämlich, als er entdeckte dass sie noch Erze enthielt Sein Tod, verursacht durch das viele Trinken und Feiern, lag schon über zwei Jahre zurück. Alles was Madame Leward von ihm behalten hatte, war sein Reichtum. Kleider, Erinnerungen und selbst seinen Hund Clarke gab sie einem vorbeifahrenden Trödler mit.
Der Tag ihres Besuches machte meine Herrin nervös und gleichzeitig wütend. Sie schrie mich an und verpasste mir einen harten Schlag in die Seite weil ich ihre Schuhe nicht ordentlich geputzt hatte.
"Reiß dich zusammen, sonst schmeiße ich dich raus! Was glaubst du, wird die Königin von mir denken, wenn sie mich in diesen Schuhen sieht? Ich bin kein Bauernmädchen, sondern eine Dame!"
Als meine Herrin dann in der Abenddämmerung wieder nach Hause kam und ich geduldig an der Tür auf sie wartet, wie immer wenn ich höre dass die Kutschenräder über den steinigen Weg des Vorhofes rollten, warf sie mir einen schweren Umhang zu und sagte: "Pack deine Koffer!"
Da ich mich nicht gleich in Bewegung setzte schrie sie: "Beeilung!"
Mit flinken Schritten lief ich in meine kleine Kammer, die sich am Dachboden befand und sammelte meine Habseeligkeiten zusammen. In meinem Körper wüteten mehrere Gefühle gleichzeitig. Freude, dieses Haus endlich verlassen zu können, welchem ich schon viel zu lange diente. Doch auch die Angst, was aus mir werden sollte. Die Herrin hatte mir schon mehrmals gedroht mich rauszuwerfen, aber wir wussten beide, dass sie es nicht tun würde. Warum also tat sie es heute?
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Die Königin der Ketten
FantasyViele Jahre sind vergangen seit sich die ehemalige Sklavin Lucy von ihren Ketten befreit und das Land Áileea von der Sklaverei erlöst hat. Gemeinsam mit ihren Anhängern stürzte sie den König und bestieg selbst den Thron. Doch das zuerst so herzensgu...