5. Kapitel

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Ruhig. Atmen. Das ist nur Wald.
Eine Pfote vor die andere setzen. Wo ist die Spur des Lichterclans? Da! Los, weiter...
Mit jedem Schritt, den ich tat, kam es mir so vor, als würde ich einsamer sein auf der weiten Welt, die Endlosigkeit, erzählten die Ältesten mir, erstreckt sich bis weit über unsere Territorien hinaus, da sei noch viel mehr, als wir sehen können.
Ich wollte dort schon immer einmal hin. Es erforschen, die Geister treffen, die nicht von unseren Himmeln stammen. Und jetzt tue ich den ersten Schritt. Mit knapp vier Monden. Mondjunges, Löwenjunges und Nachtjunges denken den ganzen Tag nur über die Möglichkeiten an Streichen nach, die sie Eulenschrei und Waldruf stellen können. Waldruf ist ihr Vater, Eulenschrei dessen Wurfgefährte. Sir verbringen von den Kriegern am meisten Zeit mit den Jungen, gehen mit ihenen auf Endeckungstour, ein paar Schritte vors Lager (sie sind  fünfeinhalb Monde alt, bald sind sie Schüler).
Ganz normal. Ich dagegen irre allein durch den Wald, weil mir ein Kater im Traum gesagt hat, ich soll mein Leben aufs Spiel setzen.

Die Luft ist so eisig, dass mir die Lungen brennen. Das Heidegras, über das ich renne, schneidet mir bei jedem Schritt in die Ballen. Fauchend lege ich die Ohren an. Dornen reißen an meinem Fell. Der Wind wird stärker. Ich breche aus dem Wald aus. Vor mir erstreckt sich weite Hügellandschaft. Sie erinnert mich an das Sturmfell, von dem mir Rauchfluss erzählt hat. Moment, das ist das Sturmfell! Bin ich so weit gelaufen? Das Sturmfell liegt weit jenseits unseres Waldes, heißt es. Schon gar nicht auf der Strecke zu den Klippen, so viel steht fest. Die Spur Teichauges, die ich aus dem Geruchsgewirr am deutlichsten ausmachen konnte, hat sich, mit allen anderen, in Luft aufgelöst. Als wäre mein Clan hier nie vorbeigekommen. Vielleicht ist dem ja auch so.

Ich werde langsamer und gehe den Hügel vor mir hinauf. Die Sterne und der Vollmond stehen im Zenit der Nacht. Jetzt beginnt die Versammlung. Ich kann Blitzsterns klare Stimme von den Klippenwänden widerhallen hören "Ich begrüße herzlich den Mondclan und jene Katzen aus dem Lichterclan, die mich begleitet haben. Ich grüße auch den Sternenclan, der in dieser herrlichen Vollmondnacht unserer Versammlung beiwohnt. Mögen unsere Ahnen uns wohlgesonnen sein. Lasset uns beginnen."

Plötzlich nahm ich eine Bewegung über mir am Gipfel des Hügels wahr. Grauweißer Pelz blitzt auf. Ein langer Schwanz. Eine kleine Gestalt, so klein wie ich selbst. Wolkenjunges? "Warte!" Ich begann ihm nachzusetzen. War er mir etwa gefolgt? Und wo hatte er mich überholt?

Hechelnd rannte ich immer schneller, doch ich konnte Wolkenjunges nicht einholen.
Wegen der ungewohnten Anstrengung stach meine Hüfte schmerzhaft.

Wir rasten über freies Feld. Für einen Herzschlag verschwamm meine Sicht. Als ich wieder scharf sehen konnte, war mein Bruder stehen geblieben und kehrte mir den Rücken zu.

,,W...Wolken...junges, was s...soll das? Wo sind wir?". Keine Antwort. Wie erstarrt stand der Kater da.
Wind kam auf. Der Nachthimmel tat sich auf und Sterne schienen auf uns herab zu regnen.
Sie landeten in Wolkenjunges Pelz und verformten ihn. Das graue Fell wurde schlammbraun und weiß gesprenkelt. Er drehte sich um. Die silberblauen Augen!

,,Was ist mit meinem Wurfbruder passiert? Wer bist du?" Ich konnte meine eigene Stimme piepsen hören. Der Pelz der drei Kater vor mir war mit winzigen Sternen gesprenkelt. Wie Frost saßen sie darin. Es musste'n Sternenclan Kriegen sein. Ob ich eine Vision hatte?

,,Höre, was der Rat zu sagen hat.", krächzte der Alte. Wie aufs Stichwort wurden zwei weitere Kater in schnell schärfer werdenden Konturen sichtbar. Ein blaugrau und gold Gefleckter und ein Nebelweißer.

,,Ich bin Mond und das sind Licht und Bach. Wir haben dich gerufen, weil wir deine Hilfe benötigen."
Mond, Licht und Mond. Wie Mond- und Lichterclan! Aber Bach? Was hat das zu bedeuten?
,,Mei...Meine Hilfe? Aber bei was denn? Ich habe doch gerade erst die Kinderstube zum ersten mal verlassen! Ich bin einen halben Mond alt! Und kann mir jemand erklären, wieso genau ich euch helfen soll? Was soll das?!" Das war einfach zuviel Aufregung.

Licht trottete an ihre Seite und strich ihr beruhigend mit dem Schweif über den Rücken.
Sanft begann er mit tiefer Stimme zu miauen an. ,,Nun, ich finde, du hast das wohlverdiente Recht, zu erfahren, warum du hier bist. Bach, mein Bruder, erzähle unsere Geschichte." Langsam begann sich mein Nackenhaar wieder zu legen.

Der größte Kater räusperte sich. ,,Vor Anbeginn der Zeit aller Clans lebte die erste Katzengruppe in diesem Wald. Die Urkatzen, wie die Ältesten sie heute nennen. Jeder jagte für sich, und sie lebten in getrennten Lagern und doch waren sie ein Bündnis, das für immer zusammen halten sollte."
Bach machte eine kurze Denkpause.

Nachdem die Geschicht fertig erzählt war, trat Mond vor und sah Laubjunges aus seinen durchdringenden Irden an. ,,Dein Belangen, die Wahrheit zu erfahren ist erfüllt. Bereite dich nun auf den Empfang der Prophezeiung vor."

Die drei alten Kater traten wieder in eine Reihe und und riefen schallend zum Himmel hinauf.

Auge in Auge mit dem Tiger
Pfote zu Pfote mit dem Blitz
Seite an Seite mit den Wolken

Licht und Mond in der Pfote
Bach ist auf dem Weg
Finde den Stein
Und alles wird im Gleichgewicht sein

Kaum hatten sie das letzte Wort gerufen, verblassten ihre Körper und das Land um sie herum. Der Glanz verschwand aus ihrem Fell und der Duft der Heide mischte sich mit dem Duft nach Regen. Dicke Wolken begannen sich am Himmel zu bilden. Im tosenden Regen und mit unzähligen Fragen im Kopf begab ich mich auf die wohl schwerste Heimreise in der Geschichte eines Jungen.

Warrior Cats FF ~ Laubstern's SchicksalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt