12:55 Uhr
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Mit Tränen in den Augen presst er erneut ein einziges Wort mühsam hervor.
"Nochmal."
Es klingt fast wie ein Schluchzen, er bemüht sich, die Fassung zu bewahren. Ihre Hand zu halten und diese nicht loszulassen. Doch er spürt, wie es immer schwerer wird.
Die Sanitäter weichen erneut zurück. Der Defibrillator wird betätigt. Ein großes Zucken geht durch den Brustkorbs seines Sohns. Der Schock wurde ausgelöst.
Doch nichts passiert.
Wieder nichts.
Nichts.
Kein Herzschlag.
Keine Atmung.
Sein Kopf hängt schlaff zur Seite, als hätte er selbst bereits aufgegeben. Als wäre er längst fort.
Seine Sicht verschwimmt stärker, ist rot gefärbt und überall sind die Tränen zu hören, jedes Herz schlägt so laut, dass man sie alle spüren kann, nur eines scheint für immer leblos. Die Sirenen sind still, sie trauern bereits.
Ron will noch nicht aufgeben. Es darf nicht sein. Es muss weitergehen. Er muss es schaffen. Das ist nicht das erste Mal.
Etwas Nasses streichelt seine Wange und fährt am Rand seines Kiefers entlang. Ron's Herz schlägt so schnell, als würde es für seinen gebrochenen Sohn weiterschlagen wollen.
Doch nichts. Auch der zweite Versuch bringt nichts.
Er beginnt erneut mit einer Herzdruckmassage, er zählt keuchend bis 30, dann ein Kuss des Lebens für den Hauch einer Rückkehr aus dem Dunklen.
Nichts.
"Scheisse, nochmal!", ruft er angespannt.
Er spürt wie sein Kollege den Defibrillator noch einmal vorbeireitet. Dann rücken sie beide wieder zurück. In seinem Kopf jaulen die Sirenen, als würden sie ihn anflehen, sein Leben zurückzuholen. Seine Hände zittern.
Schock.
Zucken.
Nichts.
Nichts.
Ron schluchzt begreifend auf. Alles ist so laut, alles ist so still. Alles ist vergessen. All die anderen Betroffenen, all die Polizei, all das Chaos, all die Welt, all das Leid.
Alles rückt zusammen auf diesen einen stillen Körper, verschmiert mit Blut, verziert mit Dreck, leer wie eine Hülle etwas einst Existerenden.
Es ist fort.
Es ist vorbei.
Ron begreift es unwillentlich voller Leid.
Es ist vorbei.
Die Sirenen hatten 14,3 Sekunden zu wenig Zeit.
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REVOLVER
Short StoryEin Idiot, der die Grenzen kennt und sie unbekümmert überschreitet. Und damit nicht nur auf sich selbst zielt, sondern auch auf alle anderen. Er hält den Revolver in der Hand - und trifft 5 Mal hintereinander. Inspiriert nach einem wahren Erlebnis...