12:55 Uhr
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Er unternimmt einen letzten Versuch. Er hört nicht damit auf.
Blendet alles aus.
Am Rand, ganz weit entfernt, da hört er ihn.
Den Sünder, den Idioten, den, der ihm alles genommen hat.
Seinen Sohn. Seine Familie. Sein Leben.
Selbst seinen Beruf.
Da sind stammelnde Versuche für eine Erklärung, für Entschuldigungen. Reue küsst seinen Verstand. Der Idiot ist der, mit dem Revolver in der Hand.
Ron pumpt immer weiter, er gibt nicht auf, er ist verzweifelt, alles tränenblutverschwommen.
Er hört die Betroffene. Seine Tochter, in einem anderen Sinne. Da ist ihr wimmerndes Flehen nach Rückgängigkeit.
Fast stimmt er mit ein.
Da ist das verlorene Mädchen, das versucht wird, zu beruhigen. Sie schwankt und sie wird nie mehr damit aufhören. Er weiß es. Er hat 13 Jahre Berufserfahrung.
Immer noch will er sein Herz zurückholen. Ein erneuter Kuss. Irgendwo am Rande seines Bewusstseins hört er eine Stimme.
Sie sagt: "Ron, ... er ist nicht mehr da... hör auf..."
Ein zweites Herz wird reanimiert.
Ein Altes, Schwaches.
Es lebt.
Es bleibt.
Er spürt, wie die Ungerechtigkeit ihn gehässig auslacht, so laut, dass er die Melodie nie vergessen wird und er spürt wie es die Fingernägel tief in die Wunde seines Herzens bohrt.
Als gäbe es nicht schon genug Verletzte.
Und einen Toten.
Er hört, wie eine Welt nach der anderen zerschmettert. Wie eine Welt nach der anderen noch lauter als die Vorherige zusammenkracht. Er hört, wie sie alle im selben Moment aufhören zu existieren und nicht mehr rotieren.
Ein Knall in seinem Kopf, schreit ihm zu, dass auch seine Welt stoppt.
Er will es nicht begreifen.
Er kann es nicht.
Er hört niemals auf mit der Herzdruckmassage. Er darf ihn nicht verlieren.
Und dennoch weiß er eines, ohne es wirklich wissen zu wollen. Die lautlosen Sirenen lassen ihm keine Wahl.
Er hat 13 Jahre Berufserfahrung.
Und es geht um Leben und Tod.
Es geht um Leben.
Es geht um den Tod.
Es geht um sein Leben.
Er ist tot.
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REVOLVER
Short StoryEin Idiot, der die Grenzen kennt und sie unbekümmert überschreitet. Und damit nicht nur auf sich selbst zielt, sondern auch auf alle anderen. Er hält den Revolver in der Hand - und trifft 5 Mal hintereinander. Inspiriert nach einem wahren Erlebnis...