Gefühle

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Ich versuchte Atze komplett zu vergessen. Ich redete nicht mehr mit ihm und sah ihn auch nicht an. Ich versuchte ausserdem mich aus seiner Clique zu entfernen. Ich wollte nur noch mit einem abhängen. Detlef. Nun saß ich nur noch mit ihm zusammen im Sound und redete. Er hörte mir immer zu. Egal wie lächerlich meine Probleme auch waren, er hörte mir zu und versuchte mir zu helfen. Er war süß, charmant und lustig. Und er mochte mich genau so sehr wie ich ihn mochte. Er hat mir zudem geholfen Detlef wieder als Kumpel zu akzeptieren und meine Gefühle zu vergessen. So hat sich meine Clique also nochmals erweitert. Meine Freunde und ich waren schon ne coole Truppe. Wir rauchten nur und schmißen ein paar Trips, mehr nicht. Doch etwas neues hat sich eingeschlichen. Heroin. H (also Äitsch ausgesprochen). Der erste der glaube ich damit anfing war Piet. Piet und seine Kumpels. Wir aber hielten nichts davon. Für uns war H das Allerletzte. Lieber sich ins Koma saufen als nur ein Gramm H zu sich nehmen. Ganz besonders Detlef verzichtete darauf. Er hat nur sehr wenig getrunken und fast nie Trips geschmissen. Er hatte auch eine Zukunft. Nicht so wie der Rest von uns. Er ging auf ein privates Gymnasium. Wollte später mal Medizin studieren, oder so. Zumindest wollten dass seine Eltern. Deswegen musste er so clean wie möglich bleiben. An einem Abend sind wir alle losgezogen, jedoch nicht ins Sound. Wir waren alle schon leicht high und brauchten Geld. So gingen wir ins Einkaufszentrum. Wir alberten nur herum und schrien durch die leeren Gänge. Zum Glück war niemand dort. Plötzlich entdeckte ich eine kleine Vitrine, in der eine Box voller Münzen stand. Ich starrte die Box wahrscheinlich fünf Minuten lang an und überlegte, was ich mit dem ganzen Geld anfangen könnte. Detlef bemerkte dies, da er nicht von meiner Seite wich. Ich guckte ihn mit großen Kulleraugen an, die darum flehten, dass er doch irgendwas unternehmen solle. Er zögerte, doch lächelte mich an und zerstörte das Glas. Die Alarmanlage sprang sofort an und war verdammt laut. Wir schnappten uns so viel Geld wie wir konnten, doch auch der Rest von uns versuchte möglichst viel zu ergattern. Dann hörten wir die Bullen schreien. Wir rannten alle los. Da ich in meinen hohen Schuhen so schlecht laufen konnte, nahm Detlef meine Hand. Ich wurde leicht rot. Die meisten von uns waren so high, dass sie immer wieder auf die Fresse fielen, doch nur darüber lachten. Detlef bog plötzlich mit mir an einer Ecke ab und schleppte mich in den Fahrstuhl. Die Bullen rannten an uns vorbei. Er betätigte den Knopf und schon waren wir auf dem Dach eines Hochhauses. Bei Nacht ist die Aussicht wirklich traumhaft schön. Sofort lehnte ich mich an das Gelände und bewunderte Berlin bei Nacht. "Schön, oder?", fragte mich Detlef während er eine Packung Zigaretten aus seiner Jackentasche holte. Ich nickte. Ich war zu überwältigt von dem Moment als dass ich hätte sprechen können. "Willst du auch?", fragte er mich und bot mir eine Zigarette an. Ich nahm mir eine und flüsterte ein "Danke". Er gab mir Feuer und so rauchten wir über den Dächern von Berlin. "Sag mal, hast du eigentlich ne Freundin?", versuchte ich mit kühler Miene zu fragen, doch fühlte mich trotzdem lächerlich. Er nahm einen Zug bevor er mir antwortete. "Nee." "Warum nicht?" "Klappt einfach nicht. Die Mädchen auf meiner Schule sind mir zu arrogant und aufgesetzt. Und sonst finde ich nie eine die mir gefällt." Raucherpause. "Aber ich glaube, dass ich endlich eine gefunden habe." Ich schluckte. Er meinte doch nicht mich oder. Ich zog kurz und fragte dann unschuldig:" Warum sagst du es ihr dann nicht einfach?" "Weil es nicht so einfach ist. Sie hat gerade erst ne Trennung hinter sich, zudem bin ich ihr bestimmt zu spießig." "Also ich finde dich gar nicht spießig.", sagte ich und schaute zu ihm rüber. Er linste zu mir und schmiß dann seine Zigarette auf den Boden. Er drückte sie platt und kam auf mich zu. Vorsichtig lehnte er sich über mich und hielt sich am Gelände fest. Unsere Gesichter trennten nur noch wenige Zentimeter. "Woher willst du wissen, dass sie genau so denkt wie du?" "Weil ich sie glaube ich ziemlich gut kenne." Bei dieser Antwort musst er lächeln und kam mir immer näher.
"Ey, ihr Turteltäubchen! Was machste denn da, Detlef? Vergehst dich etwa an gut aussehenden Frauen? Nanana, was deine Alten wohl dazu sagen würden?" Unsere Freunde haben es wohl auch auf Dach geschafft. Toll. Nur in diesem Moment nicht. Sie erzählten uns die krassesten Geschichten bezüglich ihrer Verfolgung mit den Bullen und verbesserten sich gegenseitig. Die waren schon so dicht, dass sie ihr gesamtes Geld vom Dach warfen. Ein Bild für die Götter. Bis zum Morgengrauen blieben wir auf dem Dach und redeten, lachten oder schwiegen. Irgendwann hat Detlef einen Arm um mich gelegt und ihn nicht mehr weggenommen. Er begleitete mich auch bis nach Hause und gab mir noch ein paar Zigaretten mit. Ich glaube, ich war verliebt.

Wir Kinder vom Bahnhof ZooWo Geschichten leben. Entdecke jetzt