Kapitel 1: Die Begleichung einer Schuld?

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Ich blinzelte. Vor meiner Nase befand sich neben meiner flauschigen Bettdecke meine pastellblaue Zimmerwand. Ich muss mich wohl auf die Seite gedreht haben. Eher ungewöhnlich für mich, ich schlafe eher auf dem Rücken, wie jeder normale Mensch auch, oder etwa nicht? Langsam drehte ich mich auf den Rücken und starrte an die Decke. Meine Augen wollten immerzu wieder zufallen, war wohl doch zu spät gestern. Was musste ich auch noch am Computer sitzen und im Internet nach tauglichen Wurfmessern suchen? Meine Mutter hat mir versprochen, dass ich mir 10 Messer aussuchen kann und diese dann zu meinem Geburtstag von ihr bekomme. Als ich das vernahm, hatte ich sofort ein perfektes Bild im Kopf: Ein scharfes, spitzes Messer, eventuell mit metallicblauen Griff. Aber so was fand ich natürlich nicht. War doch schon irgendwie klar. Warum habe ich da nur gesucht? Jetzt habe ich 4 Stunden meines so schön strukturierten Lebens verloren.

Aber kommt es bei euch nicht komisch herüber, wenn die Mutter ihrer sechzehnjährigen Tochter mir nichts dir nichts zehn Messer schenkt? Ja? Dann wird es für euch nur noch seltsamer: Den Umgang mit Messern, Schwertern, Gewähren und anderen Schusswaffen erlernen die Kinder hier schon ab dem vierten Lebensjahr. Ab da fängt auch die Militärausbildung an, damit sie dann mit 20 als taugliche Soldaten oder Soldatinnen fungieren können. Das ist völlig normal bei uns, ich bin von dem ganzen nicht ausgeschlossen. Seit 12 Jahren mache ich das schon. Meine Spezialgebiete sind Wurfmesser und Dolche, ich bin zwar nicht die beste, aber auch nicht die schlechteste, wenn man die Profis betrachtet. Einmal ist mir im Trainingszentrum ein Mädchen begegnet, die ein Messer einfach so hinter sich warf und den Hals einer Attrappe eines menschlichen Körpers von 15 Meter Entfernung durchbohrte. Solche Freaks gibt es bei uns oft, diese sind auch meist diejenigen, die sich zu den Hungerspielen freiwillig melden. Meist. Es gibt einen kleinen Teil von „Freiwilligen", die Wetten abschließen, bei denen es um Geld geht. Melden sie sich, werden aber nicht gezogen, kassieren sie ordentlich. So etwas ist aber offiziell streng verboten, es kam aber meines Wissens nach schon öfters vor.

Wie dem auch sei, die Hungerspiele interessieren mich eigentlich einen Dreck. Ich habe besseres zu tun.

Ein leises Knacken war zu hören, als ich mich endlich aus dem Bett begab und mich ausgiebig streckte. Ich dachte nicht einmal daran, wie sonst eigentlich ins Bad zu gehen und dann in den Spiegel zu schauen. Bestimmt habe ich die schlimmsten Augenringe unter meinen Augen, die noch schön durch meine tiefschwarze Augenfarbe betont werden. Tiefschwarze Augen, tiefschwarzes Haar, blasse Haut. Ich entspreche dem Durchschnitt. Niemand würde meinen, dass ich aus der Masse heraussteche, ich bin unscheinbar. Vielleicht etwas zu groß gewachsen für mein Alter, aber sonst geht es.

Ohne Spiegel kämmte ich mir meine recht kurzen, seidigen Haare. Sie waren glatt im gekämmten Zustand, würde ich sie aber einen Tag lang außer Acht lassen, hätte ich schon fast eine Afromähne. Als ich fertig war, schmiss ich die Bürste wieder in die Schublade, setzte mir noch meine blaue Brille auf und verlies mein Zimmer. Ich schaute auf die Uhr, die an der Wand vor dem Treppengeländer hang, was nach unten, zum ersten Stock der Wohnung führte. Freitag, 10 Uhr am Morgen. Zum einen erschrak es mich, weil ich sonst immer um 3:30 Uhr aufstehe, zum anderen war ich aber froh, dass heute Freitag ist, und nicht Donnerstag, wie ich vermutet hatte. Der Freitag zählt zum dreitägigen Wochenende, ein Ausgleich dafür, dass die Schule immer um 4 beginnt und genau mittags zu ende ist. Ein schöner Ausgleich, finde ich. Anfangs war es seltsam, als Kleinkind so früh was zu machen, aber man gewöhnt sich schnell daran.

Schnell ging ich die Treppe hinunter zum Esszimmer. Der Frühstückstisch war schon seit Stunden abgedeckt, ich fand lediglich nur ein paar Krümel auf und meine Schwester, die am Tisch saß und auf ihrem Tablet herumtippte. Sie saß gerne dort, aus einem unerklärlichen Grund. „Hey." Begrüßte ich sie trocken und setzte mich neben sie. „Tag." Gab sie nur zurück. Unser Verhältnis zueinander ist eher oberflächlich und kalt, wir sind die kompletten Gegenteile. Währenddessen ich unauffällig in der Menge war, stach sie mit ihren tiefrot gefärbten Haaren enorm hervor, weswegen ich mich auch nicht gerne mit ihr in der Öffentlichkeit blicken lasse. Generell bin ich alleine unterwegs, ich bin eher ein Einzelgänger, Teamplay lag mir noch nie.

Die Unabhängigen [Arbeitstitel]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt