Rückruf der Vergangenheit

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„Du musst es ihm endlich sagen.", nuschelte Fred in mein Haar, während er schützend die Arme um mich gelegt hatte.

„Du sagst das so, als wäre es das Einfachste der Welt.", jammerte ich niedergeschlagen.

Fred hatte mich vor knapp einer Stunde weinend am Astronomie-Turm gefunden. Natürlich ging es wieder um George. Es ging in letzter Zeit immer um George.

„Es ist gewissermaßen auch das Einfachste der Welt, Marzia.", versuchte mir Fred zu erklären und lachte dann leicht.

„Bitte komm' jetzt nicht mit Angela. Bei euch war das was ganz anderes.", erwiderte ich daraufhin und versuchte ihn verzweifelt von meiner Meinung zu überzeugen.

„Wieso war es bei uns was anderes?", wollte Fred wissen und ich sah in seinen Augen, dass er wieder an seine Freundin dachte. Angela war Freds erste Freundin und dennoch war ich mir sicher, dass es auch seine letzte sein würde. Sie waren füreinander bestimmt.

„Ihr wart nicht von Anfang an beste Freunde und vor allem wart ihr doch schon immer in einander verliebt, wenn wir mal ehrlich sind.", murmelte ich in den gold-rot gestreiften Pullover hinein, den ich mir bis zur Nase gezogen hatte.

„Und du und George wart das nicht?", fragte Fred mich dann aus heiterem Himmel und sah mir ernst in die Augen.

Ich blinzelte einige Male, während ich in seine braunen Augen blickte, die denen seines Bruders nahezu identisch waren.

Fred schien zu merken, dass er Recht hatte mit seiner Annahme.

„Siehst du, Mary? Sobald du dir die Dinge nur mit einem Hauch von Objektivität vor Augen hältst, wird dir klar, wie es wirklich ist."

...

Ich atmete zitternd aus. Wieder saß ich hier. In der Ecke meiner kleinen Wohnung, in Mitten von London und wieder zitterte ich am ganzen Körper. Ich wollte es einfach nicht wahr haben.

Es war bereits zwei Jahre her, seit Fred sein Leben gelassen hatte. Zwei Jahre, seit ich sein Lächeln nicht mehr sehen konnte. Zwei Jahre, in denen ich immer sein lebloses Gesicht vor Augen hatte, immer wenn ich die Augen schloss.

Zwei Jahre, seit ich mich entschlossen hatte aus meinem alten Leben zu fliehen, da ich den Schmerz einfach nicht ertragen konnte. Zwei Jahre, seit ich George nicht mehr gesehen hatte...

Mittlerweile schrieben wir den 22. Dezember 2000 und ich war vor wenigen Monaten 21 Jahre alt geworden, Eigentlich war es nichts, jedoch war in meinem Leben schon so viel passiert, wie viele es nie erlebten.

Wieder saß ich also hier, in meiner Einzimmerwohnung in mitten von London und zitterte bei dem Gedanken an mein altes Leben. Ich hatte George Weasley, meine große Liebe, einfach so mit all den Schmerzen allein zurück gelassen und es zerfraß mich innerlich. Ich konnte aber einfach nicht anders. Jedes Mal, wenn ich an ihn dachte, sah ich auch seinen Zwillingsbruder vor mir, wie er lachte und scherzte und mir immer half, wenn ich Schwierigkeiten hatte und dann sah ich die eingestürzte Mauer und Ron und Percy, wie sie über seiner Leiche hingen und bitterlichen weinten.

Eigentlich war es mir in den letzten zwei Monaten, ohne jegliche Panikattacken, einigermaßen gut gegangen, doch gestern änderte sich dies schlagartig. Es war eine Briefeule von Molly und Ginny gekommen, die mich herzlich zum Weihnachtsfest bei ihnen im Fuchsbau einluden.

Ich wusste eigentlich, dass es wirklich keine gute Idee war dort aufzukreuzen, vor allem nachdem ich George so viel zusätzliches Leid beschwert hatte, jedoch haderte ich dennoch mit mir selbst.

Immerhin hatte ich auch gar nichts mehr mit der Magie am Hut. Ich arbeitete mittlerweile als Sekretärin für eine kleine Druckerei in London und verdiente dort einigermaßen in Ordnung. Ich führte mittlerweile nach außen hin, ein relativ normales und ruhiges Leben.

Auf der einen Seite wollte ich aber auf keinen Fall Ginny so im Stich lassen, wie ich es bei George getan hatte. Sie würde meine Anwesenheit immerhin sehr schätzen. Jedoch hatte ich auch gleichzeitig im Hinterkopf, dass ich mich somit auch George stellen müsste, dessen Blicke ich wahrscheinlich, aus Reue, keine Sekunde standhalten könnte.

Dann dachte ich an Molly, die sich seit zwei Jahren immer einmal wieder per Briefeule bei mir meldete und mich auf dem neusten Stand halten zu versuchte. Sie und Ginny hatten es wirklich nicht verdient, dass ich ihnen nach so langer Zeit, die zwar nur wie ein Wimpernschlag wirkte, immer noch die kalte Schulter zeigte.

Ich überlegte noch sehr lange, ob ich hingehen würde, bis ich mich schließlich dafür entschied. Auch wenn das bedeutete, dass ich George wieder unter die Augen treten müsste.

Am übernächsten Morgen stand ich also vor dem Spiegel in meiner Wohnung und betrachtete mich ausführlich. Dies hatte ich schon ewig nicht mehr getan und das sah man mir auch an.

Ich hatte jetzt noch sechs Stunden, bis ich mich auf den Weg zu den Weasleys machen sollte, um nicht zu spät zu kommen, jedoch sah ich eher nach einer größeren Baustelle aus.

Meine braunen Haare, reichten mir mittlerweile bis zum Po. Das letzte Mal, als sie so lang waren, war ich gerade einmal elf Jahre alt und sollte mein erstes Jahr in Hogwarts antreten. Sie waren spröde.

Ich griff nach meiner Tasche und meinem Autoschlüssel und verschwand auch schon aus meiner viel zu kleinen Wohnung.

Wieder beschlich mich der Gedanke einfach zu apparieren, jedoch konnte ich einfach nicht. Ich dachte beim Zaubern immer an Fred und George.

Ich verdrängte schnell den Gedanken an die Vergangenheit und fuhr zu einem Friseurladen, der nicht weit von meiner Wohnung entfernt war.

Als ich den Laden betrat, kam mir ein irgendwie vertrauter Geruch entgegen, aber ich hatte noch nicht mal wirklich Zeit um nach zu denken, da mir auch schon eine Frau ungefähr in meinem Alter entgegen kam: "Was kann ich für sie... Mary?", fragte sie schockiert.

Als ich sie genauer ansah, erkannte ich sie.

Es war Katie...

Katie Bell...

Eine meiner damaligen Schulfreundinnen in Hogwarts...

Dusk Till Dawn|| George WeasleyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt