Klartext

4.4K 205 49
                                    

Ein kühler Wind blies mir um die Ohren, was mich dazu verleitete, meine Jacke noch enger um mich zu schließen. Es war wieder Winter geworden. Heute war der 19. November 2001. Es war also fast wieder ein Jahr her, seit dem Weihnachtsfest im Fuchsbau. Ich hatte George auch seitdem nicht mehr gesehen, aber dies sollte sich hoffentlich heute ändern. Ich musste dringend mit ihm reden.

So schritt ich also zielstrebig und dennoch unsicher, ob herzukommen die richtige Entscheidung gewesen war, durch die Winkelgasse und blieb erst stehen, als ich die Hausnummer 93 erblickte. Ich krallte meine Finger in den Brief, den ich bei mir hatte.

'Weasley's Zauberhafte Zauberscherze' zierten sonst große, bunte Buchstaben die Fassade. Ich war schon lange nicht mehr hier gewesen. Mittlerweile war die Farbe etwas verblasst und die Fensterscheiben mit alten Zeitungen verdeckt, sodass man nicht dahinter blicken konnte. Das war Fred und Georges' Laden gewesen. Jetzt nur noch Georges'.

„Herzlich Willkommen in Rons persönlichen Albtraum.", scherzte Fred und George nahm endlich die Hände von meinen Augen. Wir standen in der Winkelgasse. Vor mir ein riesiges Gebäude. Die Fassaden waren in knalligen Tönen und über dem Eingang war einer der beiden Zwillinge in riesiger Form als Statue, wie er unter seinem Hut immer wieder ein Kaninchen hervorbrachte.

„Willkommen in Weasley's Zauberhafte Zauberscherze!", meinte Fred und nahm mich daraufhin von der einen Seite in den Arm und George von der anderen Seite, bevor wir lächelnd ihr Meisterwerk betraten.

Ich atmete tief durch, bevor ich den Laden schließlich betrat. Das gewohnte Klingeln, welches signalisieren sollte, dass jemand den Laden betreten hatte, ertönte.

„Entschuldigen sie, wir haben-... Mary?", meinte George verwundert und blieb einige Meter von mir entfernt abrupt stehen, „Was führt dich denn hier her?"

George hatte mir nach dem Fest immer wieder Briefeulen geschickt, in denen er mich darum bat zurück zu kommen. Manchmal entschuldigte er sich auch für seine Aufdringlichkeit, jedoch schien er dies im nächsten Brief wieder zu verwerfen. Ich hatte bis jetzt kein einziges Mal geantwortet. Ich brachte es einfach nicht übers Herz. Nachdem er mir im letzten Brief nun auch noch einen Antrag machte, damit ich zurückkam, konnte ich nicht mehr einfach nichts tun und hier stand ich also.

„Du führst mich hier her.", antwortete ich ihm schlicht und man hörte mir meine Verzweiflung bereits wieder an.

„Was meinst du?", wollte er verwirrt wissen.

„Ich werde dich nicht heiraten, George. Hör auf damit.", erklärte ich mit etwas energischer Stimme. Mir tat es selbst weh diese Worte auszusprechen, aber ich wollte ihn nicht heiraten, nur damit ich mich meinen Fehler, die ich begangen hatte, täglich stellen musste.

Lange sagten wir beide nichts und starrten uns einfach an, bis George ein einfaches „Warum?" von sich gab, was meine Fassade endgültig bröckeln ließ.

„Ich kann das alles nicht.", murmelte ich und biss die Zähne zusammen, bevor ich langsam zur Treppe blickte, nur um mich wieder an etwas zu erinnern.

„Wie viel kostet das?", fragte Ron und unterbrach deshalb Georges und meinen Kuss.

Schnell war Fred wieder an der Seite meines Freundes.

„Fünf Galleonen.", antworteten sie beide gleichzeitig.

„Wie viel für mich?"

„Fünf Galleonen."

„Aber ich bin euer Bruder!"

„Zehn Galleonen."

„Was kannst du nicht?", wollte Georg wissen und holte mich somit aus meinen Gedanken,

„Den Fehlern, die ich begangen habe, täglich ins Auge zu blicken zu müssen.", entgegnete ich.

„Deswegen rennst du lieber weg?", antwortete er mir und hielt mehr zum ersten Mal die trockene Wahrheit vor, ohne jegliche Verschönerungen.

Mir stockte der Atem. Er war wütend und das zu recht. Der Moment der vollen Wahrheit war somit nach Jahren des Versteckens gekommen.

„Weißt du was, Mary? Du hast absolut kein Recht dazu mir zu sagen, was ich machen soll oder nicht. Es hat dich die letzten Jahre schließlich auch nicht gekümmert. Ich war der glücklichste Mensch auf Erden. Ich hatte eine tolle Familie, das beste Verhältnis zu meinem Bruder, was man sich je vorstellen hat können, einen tollen Beruf und die wunderbarste Freundin, die man sich hätte vorstellen können und dann: Stirbt Fred und ich sehe, wie du schwer verletzt aus der Schlacht von Hogwarts kommst und eigentlich ebenfalls hättest tot sein müssen. Mein Herz zersprang in Hogwarts zum ersten Mal in meinem kompletten Leben und dann, als ich dich besuchen wollte, wurde mir mitgeteilt, dass du weg warst. Wie denkst du hab ich mich gefühlt? Da war dann plötzlich der Mensch weg, von dem ich geglaubt hab, dass wenigstens er ein Leben lang bleiben würde. So zerriss mein Herz immer wieder. Jahre lang. Also bitte: Hör auf zu Jammern über Probleme, die du dir nur selbst machst!", schrie er mich an.

Wieder sagte niemand etwas, bis er plötzlich begann zu lachen. Er lachte aus tiefster Seele. Kurz dachte ich, er sei wahnsinnig, bevor er begann zu erklären: „Und jetzt ist das Selbstbewusstsein auf einmal wieder weg. Marzia? Geh bitte einfach."

„Nein", murmelte ich wie aus der Pistole geschossen, als ich endlich den Mut fasste.

„Wie nein?", fragte er entsetzt und verschränkte wütend die Arme vor der Brust.

„Ich bin ein schlechter Mensch. Das weiß ich selbst, George. Ich wusste nicht, was in mich gefahren war. Jede Kleinigkeit hat mich verletzt und enttäuscht. Jedes Wort hat mich viel zu sehr getroffen. Alles fühlte sich auf einmal so viel schwerer an, bis ich endlich jetzt endlich begriffen hab, was das Problem war.", erklärte ich.

„Und das wäre?", wollte George desinteressiert wissen.

„Ich. Ich bin das verdammte Problem. Ich war es von Anfang an. Meine Eltern hätten mich damals nicht aufnehmen sollen. Ich hätte Fred retten können, hätte ich nur einen Ticken schneller reagiert. Ich stand direkt neben ihn, als uns alles um die Ohren flog. Ich hab Sekunden vor der Explosion noch sein Lachen gehört. Ich hätte später bleiben können, wäre ich nicht so egoistisch und feige gewesen. Ich hätte dir einen Teil deiner Schmerzen nehmen können, hätte ich mich nicht in dich verliebt.", erklärte ich weiter.

„Wieso wirfst du mir dann all diese Dinge an den Kopf, wenn du meinst, du seist das Problem?", wollte er nun mit deutlichem Interesse wissen.

„Weil du in 90 Prozent der Fällen ebenfalls das Problem warst, George und das obwohl du nicht einmal was dafür konntest... Fred war dein Bruder und wurde erst durch dich wirklich zu meinem besten Freund. Hättest du ebenfalls keine Gefühle für mich entwickelt, wären wir nie an diesem Punkt gelandet, an dem wir uns jetzt befinden!"

Wir sahen uns lange an, schienen beide das gesagte zu verarbeiten. Auch wenn immer noch diese gewisse Schwere in der Luft lag, fühlte es sich so an, als wäre eine Last von mir gefallen. George sah ebenfalls erleichtert aus.

Irgendwann begann er traurig zu lächeln und murmelte dann: „Dumme Gefühle."

Ich atmete ebenfalls leicht lachend aus und merkte, wie mir Tränen über die Wangen strömten. Es fühlte sich so an, als wäre diese Mauer an Last zwischen George und mir, endlich zusammen gebrochen.

George ging schließlich mit schnellen Schritten auf mich zu und umarmte mich. Mein Herz pochte stark, während ich mich mit meinen Händen in seinen Pullover krallte, als wäre es das letzte Mal, dass ich ihn sehen würde.

Diese Umarmung gab mir endlich wieder die Hoffnung, dass unser „Wir" noch nicht zu Ende war.

Dusk Till Dawn|| George WeasleyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt