10

249 54 27
                                    



„Du warst da."

„Ja, das war ich."

„Du hast Kaugummis hingelegt."

„Es fällt nicht weiter auf. Du hast gute Arbeit geleistet."

„Mehr als zwei Pfund."

„Und ich habe wirklich geglaubt, du würdest damit die Kaugummiautomaten der Stadt auffüllen."

„Das habe ich getan, aber du hattest richtig erkannt, dass ich für diese paar Automaten viel zu große Mengen Kaugummis gekauft habe."

„Sie war deine Schwester, richtig?"

„Sie ist meine Schwester, Oscar. Sie ... sie wird immer meine Schwester bleiben. Der Tod kann uns nicht auseinanderreißen. Er wird es niemals schaffen."

„Wie ist es passiert?"

„Oscar..."

„Bitte, Eden. Du kannst mir vertrauen."

„Ich ... ja, ja ich weiß. Es ist nur so unglaublich schwer..."

„Hier, nimm meine Hand. Ich bin für dich da."

„Danke ...  ich, es - es war ein Autounfall. Nachts. Ich saß mit ihr im Auto. Ich war betrunken und habe so dämliche Lieder gesungen und Kaugummis gekaut. Sie hatte mich abgeholt und sie fand es lustig, sie hat gelacht. Sie hat so schön gelacht..." 

„Es ist okay, Eden. Es ist okay zu weinen."

„Und auf einmal ... da blitzen auf einmal Scheinwerfer auf. Es ging so schnell, Oscar. Sie hatte gerade noch zu mir geguckt, weil ich ihr zeigen wollte, wie groß ich das Kaugummi aufblasen konnte, da hatte sie kaum Zeit zu reagieren. Sie wollte ausweichen. Doch dann, dann war dort dieser Baum. Sie hatte ihn nicht kommen sehen und auf einmal hat es geknallt. Sie hat geschrien. Oder ich habe geschrieben. Ich weiß es nicht mehr ... es war so laut und dann fing das Auto euer. Ich habe alle getan, um sie zu retten. Verstehst du? Alles. Mein Bein ... ich habe in dieser Nacht nicht nur meine Schwester verloren."

„Oh mein ..."

„Oscar, bitte nicht. Bitte sag nicht nichts. Worte können es nicht ändern. Du kannst sie nicht wieder zum Leben erwecken."

„Nein, aber ... aber dich. Ich kann dich wieder zum Leben erwecken."

„Aber ich will nicht leben, verstehst du das nicht? Ich hätte sterben sollen. Ich war es, die zu betrunken zum Fahren war. Ich war es, die sie abgelenkt hat."

„Sag so etwas nicht. Bitte, Eden, sag nicht, dass du lieber tot wärst als lebendig."

„Aber es ist meine Schuld. Es ist meine alleinige Schuld. Ich kann das nicht vergessen."

„Das musst du auch nicht."

„Aber was möchtest du dann von mir?"

„Ich möchte dich wieder lachen sehen. Ich möchte deine Augen strahlen sehen."

„Das können sie nur, wenn meine Schwester wieder lebt."

„Aber das ist unmöglich."

„Da hast du deine Antwort."

Oscars Körper fühlte sich kalt an, während er sie einen Moment anstarrte. Mit einer plötzlichen Bewegung zog er die blasse und auf wackligen Beinen stehende Eden dicht an seine Brust, strich ihr beruhigend über die Haare und flüsterte bedeutungslose Worte in ihr Ohr, während sich sein T-Shirt mit ihren Tränen vollsog.
Tränen, vergossen aus Verzweiflung, Hass und unendlicher Liebe für eine Schwester, welche nicht mehr war.

Das KaugummimädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt