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„Bist du oft hier?"

„Ich treffe mich gelegentlich mit einigen Freunden um etwas zu trinken. Gehst du abends oft aus?"

„Ich war früher jedes Wochenende in Bars. Mit meiner Schwester. Aber ich trinke nicht mehr. Zeiten ändern sich."

„Ich wusste nicht, dass du eine Schwester hast. Wie alt ist sie?"

„Genauso alt wie ich."

„Zwillinge, also?"

„Ich, ja ... wie ist das bei dir? Hast du Geschwister?"

„Ich habe ebenfalls eine Schwester. Sie ist vier Jahre jünger als ich. Ganz schön nervig. Sie hat gerade ihren ersten Freund."

„Freust du dich nicht für sie?"

„Doch, natürlich freue mich für sie, aber es ist für mich unvorstellbar, dass sie und ihr Freund das Gleiche tun, was ich damals mit meiner Freundin tat."

„Warum versuchst du dann darüber nachzudenken?"

„Das tue ich doch gar nicht."

„Du meintest, es wäre unvorstellbar, also hast du doch versucht ..."

„Das ist eine Redewendung, Eden, bloß eine Redewendung."

„Und Redewendungen haben keinen Ursprung?"

„Doch natürlich, aber ... du verwirrst mich."

„Entschuldige."

„Na ja, ist ja eigentlich auch egal. Ich möchte mehr über mein Kaugummimädchen erfahren. Was machst du in deiner Freizeit, wenn du nicht gerade deine Zeit äußerst sinnvoll in meine Begleitung investierst oder Kaugummiautomaten nachfüllst?"

„Ich ... ich denke viel nach. Ich bin oft in der Natur, abseits der Menschen und hänge den wirren Fetzen nach, mit welchen mich mein Gedächtnis quält."

„Deine Gedanken quälen dich?"

„Quälen dich deine etwa nicht?"

„Nein. Ich meine, weshalb sollte sie?"

„Oh, Oscar, bitte sei nicht so naiv."

„Warum bin ich naiv, wenn ich sage, dass meine Gedanken mich in keinster Weise quälen?"

„Weil ich dir das nicht glaube. Gedanken sind nicht dazu da, um uns die Schönheit der Welt zu zeigen, dafür haben wir unsere Augen. Unsere Gedanken lassen uns die schlichte Schönheit der Welt hinterfragen. Verstehst du, Oscar, sie zerstören das, was wir als angenehm empfinden."

„Eden, wovon sprichst du?"

„Ich spreche von der Wahrheit. Denn die Wahrheit ist, dass nichts so ist, wie es zu sein scheint."

„Eden ... Eden, sieh mich an. Was ist los? Warum weinst du denn plötzlich? Bitte, dreh dich nicht weg."

„Weshalb, Oscar?"

„Was ist passiert?"

„Du würdest es nicht verstehen."

Es schmerzte tief in Oscars Herzen Eden mit einem Ausdruck purster Verzweiflung zu sehen. Er wollte ihr so gerne helfen, doch wusste nicht wie.
Vorsichtig legte er einen Arm um ihre Schulter und zog ihren bewegungslosen Körper an seinen. Tief seufzte er, zögerte, drückte ihr dann einen sanften Kuss auf das Haar und schloss die Augen. Er konnte es nicht ertragen, dass Eden litt, denn er litt mit ihr.

Das KaugummimädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt