4 Kapitel

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Kimis PoV

Als Jenni mir heut Vormittag gesagt hat, es würde bei ihr eventuell etwas später, hatte ich mit spätem Nachmittag gerechnet, aber nicht mit spätem Abend. Jetzt ist es bereits 21 Uhr und seit mittlerweile 10 Stunden warte ich auf sie. Ich machte mir langsam Gedanken…Pferde verkaufte man um diese Uhrzeit wohl kaum noch. Eigentlich war ich von Natur aus kein neugieriger Mensch. So sehr, wie ich das öffentliche Interesse an mir hasste, so wenig interessierte mich das Leben anderer. Aber wenn es um Jenni ging, war das anders. Beinahe im Fünf-Minuten-Takt schaute ich auf mein Handy. Eigentlich erwartete ich nichtmal eine Nachricht, so wie sie sich die letzten Tage verhalten hat. Und doch konnte ich nicht anders. Ich war sogar einmal kurz davor gewesen sie anzurufen, ließ es aber doch bleiben. Schließlich wollte ich ihr nicht wie ein eifersüchtiger, neugieriger Gockel hinterherspionieren. Naja, allgemein galt ein Anruf ja nicht als Spionage, aber die langsam aufkeimenden Zweifel an den Geschehnissen gaben mir genau das Gefühl. Ich vertraute Jenni doch. Ich wollte es zumindest, aber sie machte mir das im Moment recht schwer. Sie redete nicht mehr mit mir über die Dinge, die sie bedrücken. Sie war fast jeden Tag, für ihre Verhältnisse, ungewöhnlich lang weg und behauptete abends, wenn sie Heim kam, sie sei mit Sarah in einem Café gewesen. Mal ehrlich…drei Tage am Stück? Ich konnte mir ihr Verhalten einfach nicht erklären und ich kannte sie so nicht.

Während ich mir mit einer Vodka-Schorle auf der Couch das Hirn zermarterte, hörte ich im Flur endlich die Tür ins Schloss fallen. Als Jenni sich Richtung Wohnzimmer bewegte, konnte ich aus ihren Schritten schon heraushören, dass es ihr widerstrebte sich zu mir zu gesellen. Doch das Gespräch konnte sie wohl kaum unter den Tisch fallen lassen. Deshalb kam sie langsam durch die Tür und um die Ecke und setzte sich ganz dicht zu mir. Sie fröstelte und ich griff mit meiner Hand hinter die Couch und zog eine weiche Decke hervor. Als ich sie darin eingewickelt hatte, legte ich meinen Arm um ihre Schultern und zog sie näher zu mir, sodass sie ihren Kopf auf meiner Schulter ablegen konnte. Ich wusste, sie würde sich jetzt erst kurz sammeln, bevor sie mit der Sprache rausrücken würde, also sagte ich erstmal nichts. Mit der freien Hand griff ich nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher aus. Scheinbar hatte ich mir drei Stunden lang irgendwelche Soaps und Telenovelas reingezogen ohne es zu merken. Das war wahrscheinlich eine Mischung aus konzentriertem Grübeln und der Vodka-Schorle.

Nach zehn Minuten Sammelzeit für Jenni riss mir dann allerdings der Geduldsfaden. Sie machte keine Anstalten, das Wort zu ergreifen, also drehte ich meinen Oberkörper etwas zu ihr rum, sodass sie gezwungen war, ihren Kopf von meiner Schulter zu nehmen und sich aufrecht hinzusetzen. Ich suchte ihren Augenkontakt, um ihr zu signalisieren, sie solle loslegen, doch sie wich mir aus. Da sie es also nicht anders wollte, ergriff ich das Wort.

„Jenni, erzähl mir, was los ist! Die ganzen letzten Tage verhältst du dich schon seltsam. Erst habe ich es auf den Artikel geschoben, doch langsam sollte das Gras anfangen zu wachsen…“

Jenni schaute todtraurig zu Boden und nestelte an der Decke herum, als sie endlich anfing zu reden. „Kimi, ich hab meine Pferde verkauft. Ich kann sie nicht weiter behalten.“ Ihr rollten einzelne, aber dicke Tränen über die Wange. Sie versuchte es zu unterdrücken. So, wie sie aussah, als sie ins Zimmer kam, waren das auch nicht ihre ersten Tränen heute.

„Jenni, wieso kannst du sie nicht mehr behalten?“

„Ich…weil…ich Abstand zum Hof brauche. Ich kann dort nicht mehr arbeiten. Es geht einfach nicht.“

„Lass dir nicht jeden Fetzen einzeln aus der Nase ziehen! Also…warum geht es nicht?“ Langsam wurde ich wütend. Ich hätte mich wohl mit der Vodka-Schorle zurückhalten sollen. Ich will nicht sagen, Alkohol mache mich aggressiv, aber es setzte meine Geduldsgrenze deutlich herab und die ist heute eigentlich schon im Nüchternzustand überschritten gewesen.

The final raceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt