6 - Die Wahrheit

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Ich sah Gastón unglaubwürdig an. Mir kam ein Lächeln übers Gesicht.
„Also...magst du diese Felicity?"

„Nun ja...ich habe noch nie mit ihr geredet, aber ihre Texte scheinen alle zu berühren. Schau mal..."
Gastón wirkte sichtlich begeistert und holte sein Handy aus der Hosentasche. Er zeigte mir meinen Kommentar auf "Fab & Chic".

„Sieh mal, wie viele Leute auf ihren letzten Kommentar geantwortet haben!"
Tatsächlich waren es schon 50 Antworten und ich bat Gastón, sie mir durchzulesen.

Ich las sie alle durch.

„Liebe @felicityfornow , du liegst mit deiner Einstellung sowas von richtig!"

„Du hast recht, Felicity, denn Mode bestimmt deine Lebensart und nicht die Tatsache, man hätte keinen Geschmack, wenn man sich anderen Leuten nicht anpasst."

In meinem Körper breitete sich ein Gefühl von Dankbarkeit und Freude aus. Ich gab Gastón sein Handy wieder und wir gingen weiter Richtung Schule.

„Nina?"

„Ja, Gastón?"

Ich bemerkte, dass er stehen blieb.
„Äh, wollen wir nicht weiter? Wir kommen noch zu spät, wenn wir trödeln" , merkte ich ihm an, aber er hielt mich zurück.
„Wir haben noch Zeit!" , gab er zurück.
„Ich habe eine Idee, aber du musst mir vertrauen. Wir kommen nicht zu spät, okay?"

Ich nickte und er bat mich, die Augen zu schließen. Er führte mich durch den Park bis wir ruckartig stehen blieben. Noch mit geschlossenen Augen stand ich da und lauschte dem Geräusch eines Gewässers.

„Öffne die Augen!"
Gastón grinste mich gespannt an.
Er hatte mich soeben zum schönsten Ort Buenos Aires' geführt. Wir standen am See im Park. Die Luft war warm am Morgen und es es war so ruhig, man konnte selbst unter dem sonstigen Großstadtlärm die Vögel im Park zwitschern hören.

„Es ist...wunderschön hier" , sagte ich begeistert und schwenkte meinen Blick zu den vielen Blumen, die um den See an Büschen hingen und aus dem Boden schlüpften. Ich kannte diese Gegend des Parks am frühen Morgen nicht, da ich um diese Uhrzeit schon in der Schule war. Doch der Anblick auf das glasklare Wasser, die bunten Blumen und den leicht rötlichen Himmel ließ mich begeistert auf der Stelle stehen.

„Was machen wir hier, Gastón?"

„Ich wollte dir...einen schönen guten Morgen wünschen. Einen wunderschönen."

Er kam näher und sah mir tief in die Augen, wobei er mir zulächelte. Auch ich verfing mich im Glanz seiner braunen Augen. Plötzlich klingelte sein Handy.
„Tut mir leid, ich muss da kurz dran, Matteo ruft an."

Ich nickte verständnisvoll und er ging etwas weiter weg.

Kurz drauf stand Delfi plötzlich neben mir.
„Na, amüsierst du dich gut mit meinem Ex-Freund?"
Sie zog ein spöttisches Gesicht und verschränkte ihre Arme.

„Wie meinst du das?"

„Ach, ihr Nerds versteht ja auch echt gar nichts von der Außenwelt!"

Mit einem Stoß gegen meine Schultern schubste sie mich in das kalte Wasser des Sees und lief sofort weg.

„HILFE!"

Ich schrie so laut ich konnte und versank ständig im Wasser, denn ich konnte nicht schwimmen! Ich schlug mit den Armen um mich herum du konnte mich nur schwach über dem Wasser halten. Ich sah nur noch, wie Gastón sein Handy fallen ließ und zu mir ins Wasser sprang.

Plötzlich wurde alles um mich herum schwarz.

Meine Augen öffneten einen kleinen Spalt und ich sah nur verschwommen Gastóns Gesicht. Er lächelte erleichtert und half mir, mich aufzurichten. Er kniete auf dem Boden, wobei ich auf seinem Schoß lag. Seine nasse Hand lag unter meiner Schulter, damit ich nicht nach hinten kippte.

„Nina, geht es dir gut?"

„Ja..." , hustete ich und bemerkte das Gastón näher kam. Ich schaute ihn verwirrt an.

„Wieso bist du so nett zu mir?"

Diese Frage ging mir seit langem durch den Kopf und nun war sie frei. Ich wartete geduldig auf seine Antwort.

„Weil ich dich mag. Schon seit dem ich dich das erste mal am College gesehen hatte. Du bist anders als die anderen Mädchen: Du bist intelligent, schüchtern, freundlich und... wunderschön. Sowohl von innen, als auch von außen. Mein größter Fehler war, dich aus Angst, du könntest mich nicht leiden, zu ignorieren, dich nicht wahrzunehmen. Doch dieses Jahr, nach der Trennung mit der Hexe Delfi, habe ich meinen Mut zusammengenommen, um dir zu sagen, was ich für dich empfinde.
Nina, ich sehe dich aus einer anderen Perspektive. Ich sehe in dir nicht die langweilige Streberin, nein, ich sehe in dir eine freundliche Person, die nie die Chance hatte, ein anderes Gesicht von sich zu zeigen."

Gastina - Eine andere Perspektive Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt