Eléonore beruhigt sich einfach nicht. Auch wenn sie nicht laut losheult und schreit, ich merke, wie sehr sie genau das gerne tun würde.
Stattdessen sitzt sie mir gegenüber, starrt auf ihr Bett, während ihr stillschweigend Tränen über die Wangen laufen.
Ich bewundere ihre Stärke, ihre Selbstsicherheit. Ich bewundere, wie stark sie geworden ist, denn ich kann mich noch gut daran erinnern, wie unsicher sie mal war.
Mancher sieht ihr Verhalten gerade vielleicht alt Schwäche an, aber in meinen Augen ist sie unheimlich stark. Ich, an ihrer Stelle, hätte bereits laut losgeheult, hätte um mich geschlagen, hätte Dinge getan, die ich im Nachhinein bereuen würde, nur um diesem Schmerz zu entkommen. Doch was macht sie? Sie weint lautlos.
Lässt es raus, wobei sie es dennoch drin lässt.
Eléonore reißt sich zusammen. Für sich, für Bellum.
Eléonore wird heute erst achtzehn, doch in meinen Augen ist sie mit dem Geiste viele Jahre älter als manch anderer.
Trotzdem tut es mir weh sie so zu sehen.
Sie blockiert sich selber, blockiert ihre Gefühle, weil sie ansonsten von anderen nicht mehr richtig Ernst genommen wird.
Plötzlich fallen mir die Schuppen von den Augen.
Nicht nur sie blockiert sich, wir alle blockieren uns.
Wir alle dürfen unsere Gefühle nicht zeigen, wir alle dürfen uns nicht so zeigen, wie es andere Gleichaltrige tun. Wir dürfen uns keine Fehler erlauben, denn dann sind wir weg vom Fenster, wir sind nicht mehr angesehen.
Auch wenn es hart klingt, wir können uns keinen großen Emotionsausbruch erlauben.
Selbst bei meinem Konflikt mit Devon, haben wir beide, wenn auch unterbewusst, darauf geachtet, dass kein Außenstehender ihn mitbekommt, weil wir Angst um unser Image hatten. Oder sollte ich lieber sagen, haben?
Plötzlich verstehe ich Stevens eher verschlossene Art. Er will nicht, dass man ihm ansieht, wie es eigentlich in ihm aussieht. Er will nicht, dass man ihm seine Probleme von den Augen ablesen kann, er will das alles nicht. Er will so angesehen werden, wie er sich ausgibt, zu sein.
Über Devon muss man in diesem Thema erst gar nicht richtig anfangen. Man muss gar nicht zwei mal hinsehen, um zu erkennen, wie sehr er doch auf sein Auftreten achtet. Devon ist derjenige, der im Bewusstsein darüber ist, dass er sein Auftreten spielen muss und das so gut, als würde er dafür einen Oscar bekommen.
Daniel ist sogar einer der Offeneren von uns, auch wenn er selber Dinge gerne verheimlicht. Er ist gewissermaßen ein echter Fuchs und versteht sich darin, Dinge zu wandeln, wie es ihm gerade passt. Dabei erinnere ich mich sofort an die Fast-Beziehung zwischen ihm und mir. Daniel hat mir so leicht und so schnell etwas vorspielen können. Sogar heute bin ich noch fasziniert davon. Klar, ich habe den Schmerz von seinem ,,Betrug" schon lange vergessen, heute spüre ich ihm gegenüber nur noch Anerkennung. Anerkennung, dass er es so schnell und leicht geschafft hat, mich um den Finger zu wickeln, während er so strikt auf Eléonore aus war.
Und ich?
Gestern hätte man meinen können, ich bin sehr offen und man sieht mir sofort an, was ich fühle und wie es mir geht.
Doch heute? Heute kann ich lügen, mich verstecken, so gut, dass ich darüber sogar selbst erschrocken bin.
Denke ich darüber nach, ist der Grund dafür, dass ich mich selber schützen will. Das ist auch der Grund, der mir dazu einfällt wenn ich mich in die Lage von Steven, Eléonore, Daniel oder Devon hinein versetze. Ich will mich vor dem Schmerz schützen und keine Schwäche zeigen. Ich will nicht zeigen, wie sehr - oder sollte ich doch lieber leicht sagen - man mich doch verletzen kann. Auch wenn es nicht so scheint. Von jeder kleinen Beleidigung bin ich verletzt. Klar, oftmals sind es nur kleine Späße, aber in jedem kleinen Spaß, steckt ein Fünkchen Wahrheit.
Was mir nur dabei hilft, dass andere es nicht sehen, ist diese eine Wand um mein Herz herum. Diese Wand, durch die ich nur wenige Menschen durchsehen lasse. Doch sooft wie ich verletzt oder gar hintergangen werde, desto dicker wird diese Wand und desto weniger Menschen können noch hindurchsehen.
Ja, ich weiß. Damit baue ich nur mein eigenes Grab, indem ich mir nicht helfen lasse. Doch in meinen Augen sieht das anders aus. Ich baue mir diese Wand, damit ich keine Hilfe brauche. Damit es gar nicht erst soweit kommt, damit keiner hindurch sehen kann und weiß, wie es eigentlich tief in mir aussieht.
,,Ich will jetzt nicht unhöflich sein Saphira. Aber was genau machst du eigentlich hier?", fragt Eléonore mit glasigen Augen.
Anstatt ihr zu antworten, sehe ich sie nur still an.
Es klingt ziemlich dämlich, aber irgendwie möchte ich sie nicht auf das Fest lassen.
Ich weiß wie viel Aufwand darin lag und wie viele sich schon auf das Fest freuen und sie wieder lächeln sehen möchten. Aber ich denke, dass es jetzt nicht passt. Eléonore ist verletzt und möchte jetzt trauern, nicht feiern.
Ja, Ablenkung ist zwar gut, aber jetzt gerade nicht. Sie braucht Zeit um sich an die Situation zu gewöhnen und muss sich selbst Hoffnungen machen.
Eléonore hat eine starke Persönlichkeit und kann kämpfen und das wird sie auch, ich weiß es.
In meinen Augen ist das gerade eine Herausforderung für sie. Sie muss lernen, dass das Leben so spielt, das sie dem Leben den Mittelfinger zeigen und aufstehen muss.
Außenstehende würden jetzt vielleicht sagen, dass sie schon durch genug Scheiße gegangen ist und so etwas nicht mehr braucht, dass sie jetzt Aufmunterung braucht, aber ganz ehrlich?
So spielt das Leben nicht. Man kann nicht erwarten, nach einem fetten Arschtritt sofort Sonnenschein zu kriegen, ohne etwas dafür getan zu haben. Man kann nicht erwarten, dass wenn man eine beschissene Vergangenheit hatte, das die Zukunft rosig wird. So spielt das Leben einfach nicht.
Leben heißt auch Schmerz zu fühlen und immer wieder aufstehen zu müssen. Jeder, der das nicht akzeptiert, ist kein Kämpfer und verdient das Leben nicht, auch wenn es hart klingt.
Jeder bekommt als Geschenk das Leben, mehr kann niemand erwarten.
Was man damit anfängt, ist jedem selbst überlassen.
Von Geburt an ist klar, das nicht alles kunterbunt wird und auch mal dunkle Zeiten herrschen. Jeder hat auf irgendeine Art eine Bürde zu tragen, auch wenn das schnell mal vergessen wird.
Das ist der Grund, wieso ich Eléonore jetzt alleine lassen möchte. Sie soll kämpfen und zeigen, dass sie es verdient hat zu leben.
(Ich hätte eine Frage an euch. Mittlerweile habe ich mich entschlossen, den ersten Teil von Regina Bellum zu übersetzen, jedoch bin ich kein Ass in Englisch. Deshalb jetzt meine Frage/Bitte: Hätte einer oder mehrere vielleicht Lust dazu, mir beim Übersetzen zu helfen? Ich würde mich sehr darüber freuen!)
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Regina Bellum - Blick in die Gegenwart
Science Fiction-TEIL 3.- »Bellum arma cape!« Bellum und Fortiter geraten immer mehr aneinander, während Saphira der Brief von Lena nicht mehr aus dem Kopf geht, wie auch Tatsache, dass dieser Devon niemals erreichen würde. Saphira spielt mit dem Gedanken alles auf...