2.

184 19 6
                                    

,,Lies dir das mal durch!", knurrt Devon wütend.

Ich sehe ein Papier in seiner Hand, welches er mir mit leichtem Zittern hinhält, sofort rutscht mir mein Herz in die Hose.

Das kann nur der Brief von Lena sein. Aber wie hat er ihn gefunden? Ich hab ihn doch bei mir aufbewahrt, sodass er ihn auf keinen Fall finden kann.

Jetzt ist alles vorbei, ich bin durch bei ihm und Lena wird meinen Platz einnehmen.

,,Hallo? Erde an Saphira! Kannst du mir mal bitte antworten?", ruft Devon mit leichtem aggressiven Unterton.

,,Eh.. ja.", sage ich zögerlich und nehme den Brief an mich.

Er lässt mich gerade in meinen eigenen Tod laufen. Das er mir den Brief gibt ist nur das Vorspiel, danach wird er mir den Kopf abreißen. Ich will nur das es schnell vorbei geht.

Eilig überfliege ich den Brief und merke sofort, dass dieser Brief nicht von Lena stammt, sondern von Christian. Er hat sich also gemeldet?

Sofort entspanne ich mich wieder, nur um mich im darauffolgenden Moment wieder anzuspannen.

Christian ist sauer. Sehr sauer.

Sein Ton ist viel harscher als zuvor und er verlangt dieses gestohlene Ding wieder zurück. Wieso kann er nicht einsehen, das niemand hier irgendetwas gestohlen hat? Wieso beschuldigt er zuerst uns?

,,Was sagst du?", fragt Devon.

In Devons Augen sieht man die blanke Wut. Eindeutig, er kann es nicht leiden, wenn er zu etwas beschuldigt wird, woran er kein bisschen Schuld hat.

,,Ich hab keine Ahnung. Wieso denkt er, wir hätten ihn bestohlen? Warum sollten wir das tun? Devon, wir brauchen endlich mal einen vernünftigen Plan und das sofort, ansonsten können wir uns gleich ins Meer schmeißen. Christian ist älter und wesentlich überzeugender als wir, was sollen wir gegen ihn ausrichten? Wir brauchen Leute, die auf unserer Seite stehen und da reicht unsere Nation allein nicht aus, wir brauchen mindestens eine andere Nation mit auf unserer Seite, anders werden wir untergehen.", schlage ich ihm vor und sehe ihm fest in die Augen.

,,Da hast du Recht, aber wie kommt das rüber, wenn wir versuchen, Nationen auf unsere Seite zu ziehen? Als ob wir auf Krieg aus sind und das ist das Letzte, was wir wollen. Zumal der Krieg völlig unbegründet wäre. Wir können nicht Leute aus dem Krieg retten, nur um sie danach in den nächsten zu schicken, nur weil ein Hampel uns beschuldigt.", widerspricht Devon mir nachdenklich.

,,Wer sagt denn hier, dass wir auf Krieg aus sind? Wir haben ein Recht uns zu verteidigen, sollten sie wirklich angreifen oder im geringsten auf die Idee kommen. Es ist einfach so, dass wenn uns Fortiter tatsächlich angreifen sollte und alle anderen Nationen auf ihrer Seite stehen, haben wir überhaupt keine Chance, wir sind sozusagen schon verloren.", erkläre ich Devon zögerlich.

,,Niemand hat gesagt, dass die anderen Nationen auf Christians Seite sind. Vielleicht sind sie ja auch eher auf unserer Seite, anstatt auf seiner, kann ja auch sein.", wirft Devon ein.

,,Wieso gehen wir eigentlich sofort von Krieg aus? Sind wir solche Pessimisten?", frage ich eher mich selbst als Devon.

,,Wir gehen davon nicht aus, Saphira. Wir ziehen einfach nur jede Möglichkeit in Betracht und Krieg ist nicht einmal eine der unwahrscheinlichsten Möglichkeiten, auch wenn es traurig klingt.", beantwortet Devon mir meine Frage.

,,Weißt du was Devon? Wieso besteht die ganze Geschichte nur daraus, dass sich zwei Klassen gegenüber stehen? Alle wollen Gerechtigkeit und Gleichheit, aber so klappt das nicht. Wenn jedem alles gehört, wer kümmert sich dann? Jeder schiebt die Verantwortung auf jemand anderen ab, was soll das werden? Schließlich endet alles wieder so, dass sich einer benachteiligt fühlt und deshalb eine Revolution oder irgendetwas dergleichen starten wird."

Es ist zum verzweifeln. Grade habe ich einen Krieg überlebt, folgt der nächste und der nächste. Wo bleibt die Zeit zum Atmen? Sofort beginnt es von neuem und das raubt mir meine Kräfte, auch wenn ich es niemals laut zugeben würde.

,,Das ist einfach so. So ist das in der Evolution, Saphira. Der Stärkere gewinnt und der Schwächere stirbt. Klingt hart, ist aber so.", sagt Devon achselzuckend.

Wie kann er das einfach so hinnehmen? Hinnehmen, dass die Schwächeren sterben? Jeder hat doch eine Chance verdient, nicht nur die Stärkeren.

,,Mach doch nicht so ein Gesicht. Die Welt ist grausam, na und? Wenns jemandem hier nicht gefällt kann er gerne gehen, anstatt sich zu beklagen. Manche Menschen müssen einfach lernen ihre Klappe zu halten, anstatt ihre völlig sinnlose Meinung in die Welt zu posaunen, die am besten noch Gehör kriegt und jeder Trottel glaubt."

Das erinnert mich an einen englischen Kinderreim, der hier gar nicht mal so schlecht passen würde.

A wise old owl lived in an oak,

The more he saw the less he spoke,

The less he spoke the more he heard,

Why can't we all be like that wise old bird?

Keine Ahnung wieso ich plötzlich auf Kinderreime komme, aber ich finde es einfach nur faszinierend, wie sogar schon den Kindern eingetrichtert wird zuzuhören und einfach mal nichts zu sagen.

Zugegeben, manchmal hilft das nicht, aber oftmals schon.

,,Kannst du mal für einen Moment anwesend bleiben? Wir brauchen immer noch einen Plan!", reißt Devon mich völlig genervt aus meinen Gedankengängen.

,,Eh ja. Ich schlage vor, Pax oder Wisdom anzuschreiben, die Situation erklären und freundlich zu bitten, ob sie nicht vielleicht helfen könnten, uns in dem Streit beizustehen."

,,Glaubst du nicht, dass das ein bisschen komisch rüberkommt? Damit sagen wir ja praktisch schon aus, dass wir glauben, es stehe ein Krieg an und wir nur mehr Leute brauchen.", zweifelt Devon.

,,Vielleicht kommt es so rüber, aber wir haben ja nichts von Krieg gesagt, dass dichten sie sich dann selber dazu. Wenn sie uns helfen, ist das perfekt, wenn nicht, müssen wir hoffen, dass es nicht zum Krieg kommt."

,,Stimmt. Ich verfasse dann später die Briefe. Bis später.", verabschiedet sich Devon und geht weg.

Soll ich ihm das mit Lenas Brief sagen? Nein, ich kann nicht, jedenfalls nicht jetzt.

Argh! Dieser Brief bringt mich um den Verstand und ich weiß einfach nicht, ob ich hier das Richtige oder das Falsche tue und das ist das Schwierigste an allem.

Zu spät. Er ist schon weg.

Ich muss mich endlich entscheiden, ob ich es ihm sage oder nicht, dass kann ja nicht ewig so weitergehen. Daran werde ich sonst noch irgendwann eingehen!

Regina Bellum - Blick in die GegenwartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt