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Heute ist ein ganz wichtiger Tag. Für Eléonore. Denn sie wird endlich achtzehn!

Das wissen wir, da wir in Ernsts Revier eine Art Kalender bekommen haben. Jedes Jahr sollen wir einen neuen kriegen. Das ist echt praktisch, denn so kann man wirklich einen genauen Tag für Treffen ausmachen. Dieser Kalender hängt an dem Baum auf dem Versammlungsplatz, damit jeder einmal raufgucken kann.

Wir haben im Dux-Büro unseren eigenen Kalender, den wir uns selber gemalt hatten. Naja, den Devon eher ziemlich missmutig irgendwie auf die Blätter gekritzelt hat.

Devon ist vor wenigen Monaten erst zwanzig geworden, während ich in diesem Jahr erst, wie Eléonore, achtzehn werde.

Daniel ist ebenfalls zwanzig, nur etwas jünger als Devon, während Steven der Älteste ist. Steven ist zwar auch zwanzig, aber älter als Devon.

Ich weiß, es ist schockierend, dass wir alle noch so jung sind und das wird uns auch häufig ins Gesicht gesagt, beziehungsweise wurde. Seit wir uns würdevoll um Bellum kümmern, hören die Zickereien auch schon allmählich auf, worüber ich sehr froh bin. Denn noch länger kann ich mir dieses ständige Gemaule darüber, dass wir Dux noch viel zu jung für unseren Posten sind, nicht mehr anhören.

Aber ich muss mich jetzt auf Eléonore konzentrieren, immerhin wird sie jetzt volljährig!

Dennoch tut sie mir irgendwie Leid. Sie darf Daniel nicht sehen, da er immer noch krank ist und Steven nicht riskieren will, dass sie sich ebenfalls ansteckt. Verständlich. Aber irgendwie auch traurig.

Jetzt muss sie sich mit uns begnügen.

Mit uns meine ich nicht nur Devon, Steven und mich, nein. Ich meine ganz Memphis! Hier wird nämlich schon seit zwei Wochen rumgeplant, was man denn alles organisieren könnte.

Leider sind unsere Möglichkeiten sehr beschränkt, da wir weder Musik, noch Alkohol oder Ähnliches zur Verfügung haben.

Trotzdem haben wir uns bemüht und einfach mal versucht eine Art Fleischfest daraus zu machen. Ich weiß, nicht gerade schmeichelhaft am Geburtstag, aber uns ist nichts Besseres eingefallen.

Doch selbst das Fleischfest ist eine große Herausforderung gewesen, da sich die Tiere auch eher in Grenzen halten.

Ich versuche schon, verschiedene Gebiete zu verschiedenen Tageszeiten zu erkunden, aber so etwas ist einfach verdammt schwer. Dennoch kriegen wir genug Fleisch für Memphis zusammen und das ist schließlich auch alles was zählt.

Wir mussten teilweise auf Fleisch zurückgreifen, das eher für nächste Woche vorgesehen war. Devon und ich hatten darüber auch eine Diskussion, wurden uns aber einig, dass es nicht so schlimm wäre, würden wir alle mal eine Woche weniger zu essen bekommen. Schaden wird es uns ja auch nicht, also warum nicht? Immerhin ist es Eléonores Geburtstag und wenn sie sieht, dass wir sogar auf unsere Reserven zurückgegriffen haben, wird sie hoffentlich richtig glücklich werden.

Wenn ich so darüber nachdenke, hört sich das alles etwas komisch an. Aber nur wenn man nicht weiß worum es geht, wenn man es weiß, ist es absolut verständlich.

Eléonore ist den ganzen Tag schon in ihrer Hütte und macht irgendetwas.

Anscheint nimmt es sie wirklich mit, dass sie nicht mit Daniel feiern kann, aber dennoch. Heute wird auf sie gefeiert und gegessen und da kann das Geburtstagskind auf keinen Fall fehlen!

So gut wie ganz Memphis steht am Versammlungsplatz und alle sind, überraschenderweise, überaus still. Offensichtlich möchte jeder ihre Reaktion sehen, doch dafür muss ich sie erst einmal holen und das mache ich auch.

Ich laufe eilig über unsere selbstgebaut Brücke, zu dem Wohnviertel mit den ganzen Hütten und strebe explizit auf Eléonores Hütte zu.

Ohne zu Klopfen trete ich ein und sehe Eléonore im Bett liegend, an die Decke starrend. Selbst als ich näher trete, gibt sie mir keine Beachtung. Entweder sie hat mich nicht bemerkt, oder sie ignoriert mich einfach. Natürlich hoffe ich auf die Nummer eins.

,,Du weißt schon, dass du heute Geburtstag hast?", frage ich sie ironisch.

,,Was? Nein! Echt?", ruft sie gespielt erschrocken, ehe sie sich die Hand vor die Augen hält und sie betrachtet.

Wenn sie jetzt einen auf Diva macht und nur auf ihre Nägel achtet, während ich hier wie ein begossener Pudel neben ihr stehe, werde ich sie aus dieser Hütte rausboxen müssen, und das will Eléonore wohl eher nicht erleben.

,,Weißt du, ich hab Angst.", sagt Eléonore ganz plötzlich in die Stille hinein.

,,Wegen?", versuche ich sie dazu zu ermuntern, weiter zu reden.

,,Daniel. Selbst vor.. Allem war es schwer, eine Mandelentzündung schnell loszuwerden. Wie glaubst du, wird es bei uns sein? Wir verfügen über nichts wirklich Helfendes hier und das ist mein Problem. Daniel könnte sterben, wenn wir nicht endlich Etwas finden, das ihm wirklich helfen könnte.", erzählt Eléonore in einem sehr traurigen Ton.

,,Was redest du da bitte? Daniel wird nicht sterben, er ist ein Kämpfer! Er ist der Kampfdux von Bellum!", widerspreche ich ihr harsch.

,,Na und? Eine Krankheit interessiert es nicht, wer er ist. Eine Krankheit interessiert nur, wie sie sich selber am besten verbreiten und leben kann. Da hilft es auch nicht, wenn er ein Kämpfer ist. Vielleicht hat er den Willen zu Überleben, aber das heißt noch lange nicht, dass sein Körper das auch mitmacht und das ist genau das, was mir so eine große Angst macht.

Je länger diese Krankheit dauert, desto verzweifelter wird er, desto mehr gibt er die Hoffnung auf. Ich sehe ihn so selten Saphira, aber wenn ich ihn sehe, werden seine Augen immer trüber und dunkler. Er ist nicht glücklich in seiner Lage. Ich weiß schon, dass er das Leben liebt, aber auf diese Weise liebt er es nicht und das weiß ich.

Wenn er diesen Kampf aufgibt, ist es vorbei und damit meine ich endgültig. Das aller Schlimmste daran? Ich darf ihn nicht mal regelmäßig sehen, da ich mich sonst anstecken könnte. So gerne würde ich ihm wieder Hoffnung schenken und sagen, dass er durchhalten soll, aber so einfach ist das nicht. Er glaubt es mir, aber wie lange? Einen Tag? Zwei Tage? Danach ist er wieder am Abgrund."

Eléonore läuft mittlerweile eine Träne über die Wange, die ich ihr sofort wegwische und sie in den Arm nehme, sofort fängt sie stärker an zu weinen.

Sie tut mir grade so unendlich Leid. Ich weiß nicht, wie ich damit klar kommen würde, wäre Devon an Daniels Stelle. Wahrscheinlich würde ich wie Eléonore reagieren, nur noch schlimmer.

Regina Bellum - Blick in die GegenwartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt