CHAPTER FOUR

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Um Punkt vier Uhr klingelt es an der Türe und ich höre, wie Mom die Türe aufmacht. Schnell renne ich die Treppen runter und platze in den Flur, wo ich bemerke, dass Harry gerade leicht stotternd versucht, meiner Mum zu erklären, dass er jetzt mit mir lernt. 

„Hi Harry!" ich packe sein Handgelenk und ziehe ihn möglichst schnell hoch, ich möchte nicht, dass Mom ein Gespräch anfängt. „Wir lernen Mom!" schreie ich und schon knalle ich hinter mir die Türe zu. Dass Harry noch immer Jacke und Schuhe trägt ist mir egal, Hauptsache wir kommen schnell von meiner Mom weg.

„Okay leg dein Zeug, sowie deine Schuhe und Jacke einfach dahin. Sorry, dass das gerade so schnell ging, aber anders kommt man vor den Gesprächen mit meiner Mom nicht davon und wir wollen ja nicht am Kaffeetisch sitzen und reden, sondern lernen oder?" Harry lächelt nur schüchtern und legt seine Tasche neben den Schreibtisch. Dann zieht er seine Daunenjacke aus und legt sie über seine Tache. Seine Schuhe, dessen Marke mir unbekannt vorkommt legt er ordentlich daneben. 

„Gut dann fangen wir mal an würde ich mal sagen." ich lächele ihm vorsichtig zu und ziehe meine Chemiebücher aus meiner Tasche, die ich heute nach der Schule extra nochmals aus meinem Fach geholt hatte. Ich gehe zu meinem Schminktisch, nehme den Stuhl, der dazu gehört und stelle ihn neben meinen Schreibtischstuhl.

„Du kannst dich dahin setzen." spreche ich und deute auf den Schreibtischstuhl. Er nickt immer noch schüchtern und setzt sich dorthin. „So aber erst mal hallo!" grinse ich und halte ihm meine Hand hin. „H-Hallo" antwortet er und schüttelt meine Hand. Ich lache leicht und wir beginnen zu lernen.

Harry kann ziemlich gut erklären fällt mir auf. Ich kapiere bei ihm viel mehr als bei Mr Whitman und schon nach diesen drei Stunden fühle ich mich, bezüglich Chemie, klüger als nie zuvor. Harry hat sein Stottern nach einer Weile abgelegt und nun sitzen wir zusammen auf meiner Terasse und reden miteinander. 

„Weißt du, du bist viel netter als ich dich eingeschätzt hatte. Dadurch, dass du mit den Personen zusammen bist, die mich immer ignorieren und nicht mögen, habe ich dich eigentlich auch so eingeschätzt gehabt." ich lache leicht. „Ja, viele schätzen mich ganz anders ein, als ich eigentlich bin. Das ist manchmal echt scheiße. Aber du bist auch ganz anders. Du hast dein Stottern abgelegt. So bist du ganz anders wenn man dich von deiner anderen Seite kennenlernt" er lächelt wieder schüchtern.

„Und du hast einen Freund?" fragt er mich. Ich sehe ihn verwundert an und er sieht schnell zu Boden, trotzdem kann ich erkennen, dass sich seine Wangen leicht rot färben. „Ich- ähm ... ja. Brandon. Er ist toll." Harry lächelt leicht und sieht wieder auf direkt in meine Augen.  Gerade will ich etwas sagen, aber mein Handy unterbricht mich. „Verdammt." stoße ich aus, als ich auf den Namen sehe. 

Nicolas. Ich drücke auf annehmen und führe mein Handy zu meinem Ohr. „Was willst du?" zische ich in das Gerät. „Riley, Riley, Riley. Nicht so unfreundlich, du kennst die Konsequenzen." er lacht gehässig. „Steck dir deine Konsequenzen sonst wo hin ich kann gerade nicht." Harry blickt mich erschrocken an. „I-Ich kann auch gehen..." stottert er. „Nein, bleib." antworte ich ihm sanft und widme mich wieder Nicolas, der gerade lacht.

„Wer war das? Der nächste Typ den du anlügst, so wie Brandon?" fragt er mich. „Zum hundertsten mal lass Brandon raus, Nicolas."ich spucke seinen Namen geradezu aus. „Na gut. Warum ich dich anrufe. Ich hätte gerne, dass du herkommst. Keine Widerrede. Und von mir aus nimm deinen kleinen Freund ruhig mit."

„Scheiße nein, ich nehme ihn doch nicht mit. Wozu denn auch?" frage ich ihn. „Komm einfach." antwortet er mir. „Bin gleich da." ich lege auf und sehe zu Harry, der mich gleichzeitig neigierig und etwas geschockt ansieht. „Ich muss jetzt leider los, was erledigen. Kommst du morgen um die gleiche Uhrzeit wieder?" frage ich ihn. Er nickt und nimmt sich seine Sachen. Ich ziehe mir Stiefel an und renne mit ihm die Treppen runter. „Mom, ich bin nochmal aus" rufe ich durchs Haus. „Okay Maus. Pass auf dich auf!" ruft sie zurück. Wir gehen aus dem Haus und vor meinem Auto halten wir an. 

„Danke Harry." lächele ich und umarme ihn. Dann steige ich in mein Auto und fahre los in Richtung Nicolas. Ich achte nicht groß auf den Verkehr um mich herum. Ich kann nur daran denken, dass ich etwas komisches in Nicolas' Stimme gehört habe und deswegen habe ich ein ungutes Gefühl,dass irgendwas passiert ist. 

Ich parke vor dem Wohngebäude und renne zur Haustüre. Dort klingele ich und stürze sofort auf die   Wohnung in Erdgeschoss zu, als das Surren der Türe erklingt. Ich will gerade meine zur Faust gebildeten Hand zum Klopfen heben, als die Türe schon von einer böse drein blickenden Mariah aufgerissen wird. 

„Mariah." keuche ich und falle ihr um den Hals. Sie erwidert meine Umarmung und wiegt mich kurz nach links und rechts. „Was ist passiert? Hat Nicolas irgendwas getan?" frage ich sie. Sie schüttelt den Kopf. „Wir haben Besuch. Ich ... Es tut mir Leid, aber er hat nach dir gefragt und uns gedroht. Er ist hier"

Ich spüre, wie ich blass werde.  Nein. Das kann nicht sein. Er kann unmöglich hier sein. Nicht er. Das kann ich nicht. Schon so lange habe ich darauf gewartet, dass jemand diesen Satz sagt. Und nun ist es soweit. Mariah blickt mich mitfühlend an. „Was zur Hölle will er hier?" zische ich und schiebe Mariah bei Seite um in die Wohnung laufen zu können. 

Meine Schritte führen mich ins Wohnzimmer, hinter mir Mariah, die mir bei seinem Anblick eine Hand auf die Schulter legt. Kurz muss ich mich fassen und sehe ihn dann an. Mir wird warm und kalt, als mich die Erinnerungen durchströmen. Ich atme tief ein und aus und muss mich an dem braunen, aus Holz geschnitzten Schrank abstütze.

Sobald ich mich wieder gefangen habe mustere ich ihn, so, wie er mich mustert. Er sitzt da in seinem schwarzen Anzug darunter ein weißes Hemd. Seine Augen so kalt und grau und seine Haare sind zurück geschmiert mit Gel. Das einzige was ihn nicht so geschäftlich, sondern eher erschöpft aussehen lässt ist die fettige, vor Gel triefende Haarsträhne, die ihm ins Gesicht hängt, die dicken Augenringe und seine gebückte Haltung. Außerdem kann man eine Falte zwischen seinen Augenbrauen erkennen, die wahrscheinlich vom grimmig Schauen kommt. Dafür sieht man keine einzige Lachfalte, die darauf hindeuten lässt, dass er nie lacht. Was ich nur bestätigen kann.

Dieser Mensch vor mir ist mein Vater.

Behind Your Eyes | h.s.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt