Am nächsten Morgen blinzelte ich mit einem Lächeln auf den Lippen ins Licht und schirmte mein Gesicht mit der Hand vor der blendenden Sonne ab. Bis vor kurzem hatte es noch wie aus Kübeln geregnet und jetzt strömte feuchtwarme und schwüle Luft durch das geöffnete Fenster herein. Irgendwie hatte diese hohe Luftfeuchtigkeit etwas beruhigendes an sich. Ich strich mit dem Finger über die halboffenen Blütenknospen in den kleinen Pflanztöpfen auf meiner Fensterbank. Auf den Blättern, die die hellrosa Blumen umgaben, hatten sich ein paar vereinzelte Regentropfen verfangen, die ich gedankenverloren mit der Hand verwischte. Malya war an diesem Tag wunderbar ruhig und friedlich.
Hinter den hohen Palastmauern befanden sich viele etwas kleinere moderne Wohnhäuser und dahinter glänzten in der Ferne ein paar dunkelgrüne Tannenwipfel, die sich am Waldrand in der schwülwarmen Luft wogen, im Sonnenlicht auf.
Es war einer dieser Tage, an denen die Welt in Ordnung zu sein schien.
''Eure Hoheit'', wurde die friedliche Stille und damit auch meine Hoffnung auf einen schönen Tag von einer meiner Zofen zu Nichte gemacht, die gerade mit einem silbernen Tablett in dr Hand in mein Zimmer kam. Auf dem Tablett lagen zwar nur ein paar Kekse, doch ihr Gesichtsausdruck zeigte mir schon bevor sie es sagte, dass da noch etwas anderes war, wieso sie zu mir kam. Erwartungsvoll zog ich eine Augenbraue hoch. Schlagartig wirkte sie etwas eingeschüchtert und ich fragte mich wieso. Hatte ich etwas falsches gemacht?
''Ihr Vater schickt mich'', erklärte sie nun endlich. Hatte ich doch Recht gehabt. ''Er sagte'', fuhr sie fort, ''Dass Sie sich schnell fertig machen sollen, weil er ein spontanes Treffen mit Sir Wesley einrichten konnte.''
Ich nickte und unterdrückte ein Stöhnen. Auf Sir Wesley, einen alten Kotzbrocken und guten Freund meines Vaters, hatte ich gerade so garkeine Lust.
''Richten sie meinem Vater aus, dass ich in vierzig Minuten abfahrbereit im Salon erscheinen werde'', sagte ich an die Zofe gewandt. Sie nickte, knickste und ging dann weg um meinen Befehl auszuführen.
Währenddessen öffnete ich die dunkelbraunen Holzflügeltüren meines Kleiderschrankes und warf einen Blick hinein.
''Was meinen Sie ?'', fragte ich meine oberste Zofe, Erica, um Rat. Mit einem höflichen Lächeln deutete sie mir einen Schritt zur Seite zu gehen, dann ließ sie ihren Blick konzentriert über die unzähligen edlen Kleider schweifen, bis sie schließlich ein wunderschönes, schneeweißes Seidenkleid mit Empire Taille, das hellblau und silber glitzerte.
''Wow, das ist ... wunderschön'', hauchte ich und Erica grinste zufrieden. ''Wollen sie es anprobieren ?'', fragte sie, obwohl ihr die Antwort sicher schon klar war.
Wenige Minuten später betrachtete ich zufrieden mein Spiegelbild. Das Kleid war trägerlos und beinahe rückenfrei. Um meine Taille schlangen sich elegante Ranken aus einem feinen, silbernen Metall, die wie ein Gürtel einen großen hellblauen Edelstein umrahmten. Von da an war der schneeweiße Rocksaum über und über mit winzigen silbernen und hellblauen Edelsteinen besetzt, die nach unten hin immer weniger wurden, bis es am Ende in leerer weißer Seide endete. Der Rock reichte bis zum Boden und zog dort auch eine kleine Schleppe hinter sich her. Es war perfekt.
''Erica, wie konnte dieses Kleid nur so weit hinten in meinem Kleiderschrank landen ?'', staunte ich. Statt einer Antwort grinste meine Zofe nur verschmitzt und stellte sich mit einer Hand auf meiner Schulter hinter mich. ''Soll ich ihnen die Haare hochstecken ?'', fragte sie und ich nickte.
Etwa zwanzig Minuten später stand ich wie versprochen abfahrbereit im Salon und wartete auf meinen Vater. Er würde staunen, wenn er mich so sehen würde.
Erica hatte mir noch die dunkelbraunen Haare zu einer kunstvollen Hochsteckfeisur geflochten, die die silbernen Ohrringe perfekt zur Geltung brachten. Ich trug auch noch das zu den Ohrringen passende Armband und meine ebenfalls silberne Lieblingskette.
Ich war zwar nicht abergläubisch, aber trotzdem hatte ich das Gefühl, als würde sie mir Glück bringen und ich war immer froh, wenn ich sie bei mir hatte.
''Kommst du, Hilary ?'', riss mich eine Stimme aus den Gedanken. Mein Vater. Betont langsam und mit einem dezenten Lächeln ging ich auf ihn zu, damit er mein Kleid in aller Pracht genießen konnte, doch er sagte nichts, sondern drehte sich nur um und deutete mir, mitzukommen. Niedergeschlagen folgte ich ihm in den Innenhof, wo eine große Kutsche auf uns wartete. Die Kutsche war nicht vergleichbar mit denen, die wir uns mal in alten Geschichtsbüchern angesehen hatten.
Sie war viel moderner und schicker.
Das dunkle Holz ließ sie unglaublich edel wirken und die goldenen Verzierungen und die kunstvollen Schnutzereien verliehen dem ganzen noch den gewissen Touch.
Davor waren mit goldenen Geschirr zwei elegante Schimmel gespannt.
Ein Wachmann hielt mir die Tür auf und als ich an meinem Vater vorbei in die Kutsche ging, behielt ich trotzdem mein Lächeln aufrecht. Für eine Prinzessin gehörte es sich nicht zu schmollen.
Ich setzte mich hin, gefolgt von meinen Eltern, und die Tür fiel mit einem sanften Klicken ins Schloss. Dann fuhr die Kutsche los.
Ich machte es mir auf meiner Bank bequem und lehnte meinen Kopf ans Fenster. ''Schönes Kleid!'', bemerkte Mum, die mir gegenüber saß. Ein Lächeln huschte über mein Gesicht. Endlich jemand, der das würdigte.
''Danke!'' Mit der Hand strich ich den Rocksaum glatt, der durch das Hinsetzen ein paar kleine Falten geworfen hatte. Schließlich wollte ich nicht, dass das Kleid zerknüllte.
Dann sah ich aus dem Fenster. Dort standen einige unseret Untertanen, die der Kutsche staunend hinterherblickten. Ich lächelte weiterjin und wank fröhlich aus dem Fenster. Das Volk rief wild durcheinander, bis wir schließlich im Wald verschwanden. Ein paar Meter weiter, wo uns die hohen Nadel- und Laubbäume Schutz bieteten, ließ mein Lächeln langsam nach. Ich zog eine seltsame Grimmasse um meine angespannten Wangen zu entspannen. Dieses ganze Gelächle konnte echt anstrengend sein. Ich beobachtete wie die die dunkle Landschaft an mir vorbeizog. Hier im Wald drang nicht besonders viel Licht durch das dichte Blätterdach, dass sich über uns erstreckte.
Ich schloss die Augen und lehnte mich in die mit weichem Stoff überzogene Bank zurück.Ein heftiger Ruck ließ mich aufschrecken. Offensichtlich war ich wohl eingeschlafen. Vorne wieherten Pferde und ich beugte mich ein wenig aus dem Fenster um besser sehen zu können, was dort los war. In diesem Moment ließ mich ein Ohrenbetäubender Schuss zusammenfahren.
Erschrocken taumelte ich zurück, direkt in die Arme meiner Mutter, die mich ganz fest an sich drückte. In diesem Moment kam ein Mann um die Kutsche herumgerannt, direkt auf uns zu.
Mum öffnete die Hintertür und schob mich schnellstmöglich heraus. ''Lauf!'', brüllte sie in einem Tonfall, den ich bei ihr noch nie gehört hatte.
Der Mann öffnete nun die andere Tür und stürzte sich auf uns. ''Hilary, Lauf!'', rief meine Mutter noch einmal. In ihren Augen blitzte die blanke Panik auf, doch ich wusste, dass sie sich nicht um sich selbst, sondern einzig und allein um mich sorgte.
Also lief ich. In der Tür stellte sich mir ein zweiter Mann in den Weg, doch ich duckte mich einfach und huschte unter seinen ausgebreiteten Armen hinweg.
Einen kurzen Moment lang blieb er verdattert stehen, was mir einen kleinen Vorsprung verschaffte. Dann wollte er mir folgen, wurde jedoch aufgehalten, weil mein Vater ebenfalls einen Fluchtversuch wagte. Ich warf noch einen kurzen Blick zurück, sah jedoch nur verschwommen, weil ich Tränen in den Augen hatte.
Dann lief ich. So schnell ich konnte.
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Of Rebels And Royals
AdventureHilary hat alles was ein Mädchen braucht. Sie ist hübsch, hat viele Menschen, die nach ihrer Pfeife tanzen, jede Menge wunderschöne Kleider im Schrank und dazu noch ein duzent passende Diademe in der Schublade. Sie ist die Prinzessin eines der größt...