Kapitel 8

2.6K 198 14
                                    

Vorsichtig legte ich meinen Arm um ihre Schulter, nachdem ich mich neben sie gesetzt hatte.

Sie weinte nicht, aber sie war kurz davor.

Ich musste mich selbst ermahnen nicht an ihren Haaren zu riechen oder auf ihre Lippen zu starren. Julianna Trost zu spenden, das war meine Aufgabe. Auch wenn ich ihr zum ersten Mal so nahe war.

"Als ich vierzehn war, habe ich das Küssen mit einer Grapefruit geübt", platzte es aus mir heraus.

Julianna lachte kirz erstickt auf, bevor sie mich verwirrt ansah und fragte: "Wieso?"

Schulterzuckend erklärte ich: "Ich hatte niemanden, mit dem ich es ausprobieren konnte. Falls du dich erinnerst, war ich nicht wirklich der Mädchenschwarm der Schule, meine Liebe. Meinen ersten richtigen Kuss habe ich erst mit neunzehn bekommen, als ich auf meiner ersten College-Party war. Wir waren beide betrunken und sie war zwei Jahre älter als ich."

"Mein erster Kuss war mit dreizehn, ohne Zunge, nur ein kurzes Aufeinanderdrücken unserer Lippen, als wir Flaschendrehen gespielt haben. Der erste Zungenkuss kam dann mit siebzehn. Schrecklich, er hat mit seiner Zunge in meinem Mund herumgebohrt, als ob er nach Gold suchen würde." Sie schüttelte sich vor Ekel.

Ich hatte es geschafft sie unwissentlich und ganz nebenbei vom Thema abzulenken. Ihre Augen waren inzwischen trocken, aber ich ließ meinen Arm dennoch auf ihrer Schulter liegen. Sie machte zumindest keine Anstalten ihn von sich zu schieben und das verzeichnete ich als gutes Zeichen.

"Du bist gar kein so schlechter Typ, Liam."

"Danke, du bist auch nicht so schlecht", gestand ich grinsend. "Wir könnten ja vielleicht doch Freunde werden."

"Das könnten wir", meinte sie abwesend und nickte. "Vielleicht solltest du jetzt anfangen mir mehr über dich zu erzählen, damit nächste Woche auch alles klappt."

"Du hast recht. Wo fange ich an? Als ich dreizehn war, habe ich meine Leidenschaft für Comics entdeckt. Mit sechzehn kam dann das Interesse für Computer, die damals natürlich nichts im Gegensatz zu heute waren. Mit achtzehn kam mein Wachstumsschub, was bei uns in der Familie so üblich ist. Da ich früher Akne hatte, wurde ich oft gehänselt. Deshalb habe ich nicht viel gegessen und bin klein und schmächtig geblieben und weil ich keine Freunde hatte, habe ich mich in meinem Zimmer verkrochen und Comics gelesen. Als ich mir eine Schulaktivität aussuchen musste, weil das besser für die College-Bewerbung war, entschied ich mich für den Schachklub. Dort fühlte ich mich einigermaßen wohl, da die Jungs genauso wie ich waren. Aber außerhalb der Schule haben wir uns nicht gesehen."

Inzwischen saßen wir uns gegenüber, jeweils auf dem anderen Ende der Couch.

"Meine Eltern haben mich nie dazu gezwungen mich mit anderen anzufreunden, dafür war ich damals schon sehr dankbar. Meine Mom, Margret, liebt ihren Garten und Gebäck mehr als meine Vater und mich. Mein Vater geht gerne Angeln und schraubt seit mehr als zehn Jahren an seinem alten Camero, den ich mit einundzwanzig zu Schrott gefahren habe", gestand ich.

"Sie klingen toll." Auf ihren Lippen bildete sich ein kleines Lächeln, das ihre Augen vor Wärme strahlen ließ.

Bevor sie wieder an ihre Jugend denken konnte,ratterte ich den Plan runter, den ich vor zwei Tagen per Post erhalten hatte und der die Tage von A bis Z genau bis auf die letzte Minute ausgeplant beschrieben hatte.
"Etwas Gemütliches für die Reise wäre nicht schlecht, wir werden circa zwei Stunden bis nach Stockton brauchen. Dann wäre ein einfaches Sommerkleid nicht schlecht, Sportkleidung und ein zwei Kleider für den Abend. Ist das so okay für dich?"

"Natürlich, du bestimmst, immerhin bezahlst du genug dafür."

"Dann vergiss die Negligés nicht", stichelte ich und war froh, als sich ein breites Grinsen auf ihren Lippen ausbreitete.

"Tut mir leid dich enttäuschen zu müssen, aber ich schlafe für gewöhnlich nackt."

Schockiert versuchte ich mit aller Macht, nicht an eine nackte Julianna zu denken. Es war schwer. Fast unmöglich, doch ihr lautes Lachen brachte mich aus meiner Starre.

"Das war nur ein Scherz", stellte sie klar und tätschelte beruhigend meine Hand. "Ich trage ein großes, altes T-Shirt und eine Jogginghose. Mir wird schnell kalt beim Schlafen, aber irgendwie geht meine Decke in der Nacht verloren."

"Bevor ich es vergesse, ich hoffe es ist kein Problem, aber wir werden uns ein Bett teilen müssen."

"Das dachte ich mir fast, aber das sollte kein Problem sein", erwiderte sie.

"Gut, Mitch hat vorgeschlagen, dass wir Bilder miteinander machen, falls jemand fragen sollte und uns vielleicht noch ein paar Geschichten zu unserer Beziehung ausdenken sollten."

"Natürlich. Wann?", fragte sie. Es war angenehm keinen Widerspruch zu vernehmen. Das war eines der großen Probleme in meiner alten Beziehung. Sie würde mir nach jedem Wort widersprechen, weil sie nicht damit einverstanden war, was ich machen wollte. Es musste immer nach ihr gehen. Ich wusste gar nicht, wieso ich Julianna und June verglich. Das eine hatte mit dem anderen überhaupt nichts zutun. Immerhin bezahlte ich Julianna, damit sie meine Freundin spielte und mit June war ich in einer - anfangs noch liebevollen - Beziehung, die fast ein ganzes Jahr gehalten hatte und der wahrscheinlich größte Fehler meines Lebens gewesen ist. Sie hatte mich nicht nur betrogen und hintergangen, nein, davor hatte sie mir praktisch das Geld aus den Taschen gesogen, mit den teuren Geschenken, die sie ständig haben wollte.

"Wie wäre es mit Mittwoch? Morgen habe ich leider keine Zeit."

"Okay, und welche Fotos stellst du dir vor? Oder besser gesagt, wie sollen diese Fotos gemacht werden."

"Ich habe mir überlegt, ein paar einfache Fotos für unsere Handys zu machen. Wir werden diesen Leuten immerhin nur ein Wochenende lang vorspielen müssen in einer Beziehung zu sein, da wird ein Hintergrundbild und das ein oder andere Foto schon ausreichen."

"Da kann ich nicht widersprechen", bemerkte sie.

"Gut, ich werde dann auch gehen."

"Stimmt richtig, du musst ja noch ins Büro. Es ist schon nach zehn", rief sie schockiert. "Ich habe dich aufgehalten, das tut mir leid."

"Ist schon okay", versuchte ich sie zu beruhigen. Mir selbst war nicht aufgefallen, wie die Zeit vergangen war. "Ich fahre nur schnell ins Büro, um ein paar Sachen abzuholen und arbeite von Zuhause aus weiter. Kein Problem."

"Na gut", seufzte sie und sah ein wenig bedrückt aus. "Dennoch tut es mir leid." Sie begleitete mich zur Tür und plötzlich kam ein kleines, beiges Etwas um die Ecke geschossen und blieb vor meinen Füßen stehen. Beast legte seine fordern Pfoten auf mein rechtes Schienbein und stand auf seinen kleinen Hinterbeinen, während er hechelnd und mit dem Schwanz wedelnd darauf wartete von mir gestreichelt zu werden. "Er ist wohl von seinem Nickerchen aufgestanden, danach braucht er immer ganz besonders viel Zuneigung."

"Er ist wie ein Baby", sagte ich, als ich in meine Arme nahm, um gleich danach von seiner Zunge überfallen zu werden, die sich an meinem Kinn zu schaffen machte.

"Er ist auch ein Baby, mein Baby", stellte Julianna klar und fuhr mit einer Hand über den Hund des kleinen Rüden.

"Da fällt mir ein, wo willst du ihn eigentlich lassen, wenn wir über das Wochenende weg sind?"

"Monica hat gesagt, dass ihn zu sich nach Hause mitnimmt und auf ihn aufpasst."

"Da wir Mitch sich aber freuen", sagte ich und prustete danach vor Lachen. Mein bester Freund und kleine Vierbeiner, haben sich nie wirklich gut vertragen.

"Wieso das denn?", fragte sie verwirrt und zog die Augenbrauen tief in die Stirn.

"Weil der allergisch auf Hunde ist."

die Rache des NerdsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt