Kapitel 11

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Nachdem Julianna und ich eingecheckt, und der Concierge unsere Koffer auf das Zimmer gebracht hatte, standen wir vor einem neuen Problem. 

Wie sollten wir schlafen? 

Anders als erwartet, hatten wir zwei kleine Sofas im Zimmer, die maximal einen Meter fünfzig maßen, und die durch ihre hohen Seitenlehnen auch nicht größer geschummelt werden konnten. Nicht einmal Julianna hätte auf ihnen Platz. Sie waren ja eigentlich auch nur als Dekoration gedacht, denn niemand, der normalerweise ein Hotelzimmer bucht, auf der Couch schläft. 

"Wir können beide auf dem Bett schlafen, Liam." Juliannas Stimme riss mich aus meinen Gedanken und mein Kopf schoss in ihre Richtung. "Es ist groß genug für uns beide und wir sind zwei Erwachsene, die kein großes Drama aus dieser Sache machen müssen."

In einem Bett mit Julianna. Als ob dieses Wochenende nicht schlimm genug werden würde, nun würde die größte Verführung seit Langem direkt neben mir liegen. Ich bin zwar kein Teenager, aber ich bin ein Mann, und genau da liegt das Problem. Obwohl ich eigentlich lange aus dem Alter raus sein sollte, in dem jede freie Minute des Tages damit verbrachte nur an das eine zu denken, aber so war es leider nicht. 

"Du hast recht", stimmte ich ihr zu, da mir im Moment keine passende Ausrede einfiel. Da ich Julianna mochte, wollte ich keinesfalls, dass sie sich unwohl in meiner Nähe fühlte. Leider, war auch ich der Meinung, dass ein Mann und eine Frau nicht einfach befreundet sein konnten, wenn zumindest einer der beiden eine sexuelle Anziehung zum anderen verspürte. 

Schlag dir das aus dem Kopf, Liam! Du vergisst immer wieder, dass die Frau nur hier ist, weil du sie dafür bezahlst. 

"Gute Nacht, Liam", flüsterte sie eine Stunde später, als wir Rücken an Rücken im Bett lagen. 

"Gute Nacht, Julianna."


Am nächsten Morgen war ich überrascht, als ich in der Position aufwachte, in der ich eingeschlafen bin. 

Meine gute Laune über meine Selbstbeherrschung fand ein schnelles Ende, als ich mich daran erinnerte wo ich eigentlich war und warum ich hier war. Das Frühstück mit meinen alten Klassenkamaraden und dessen Familien stand an und die gestrige Begegnung mit Macy hat mir einen gehörigen Dämpfer verpasst. 

Niemand erinnerte sich an mich. Wie auch? Mein damaliges Ziel war es nicht im Entferntesten so auszusehen, wie ich es zu meiner High-School-Zeit getan habe. 

Nein, ich bekam keinen filmreifen Auftritt, wie ich ihn mir erwartet - ja, sogar gewünscht - hatte. Vielleicht war das auch gut so. So könnte ich noch mehr Schaden anrichten. Keiner von den Idioten, die mich damals fertig gemacht haben, wird sich an mich erinnern, geschweige denn dafür interessieren, dass ich hier war. 

Wäre ich nicht so nachtragend als Mensch, dann wäre ich heute nicht hier und würde mir überlegen, wie ich es diesen Mistkerlen heimzahlen könnte. Nein, dann würde ich meinen freien Tag genießen, vielleicht zu Abend essen mit Mitch und Monica, möglicherweise sogar in einen Klub gehen, um eine junge Frau zu suchen, die mein Bett wärmen könnte. Wobei es sich bei Letzterem um ein eher unwahrscheinliches Szenario handelte, geht man davon aus, dass ich vor fast einem halben Jahr das letzte Mal Sex hatte. Und daran konnte ich mich noch nicht einmal erinnern, da ich am Abend zuvor so viel getrunken hatte, dass mir am nächsten Morgen der Kopf fast von den Schultern gefallen wäre und ich nicht wusste, wo ich war, geschweige denn, wer neben mir lag. Es hätte der Weihnachtsmann sein können und ich würde es bis heute nicht wissen. 

Ich fuhr mir mit einer Hand über mein Gesicht, nachdem ich mich aufgesetzt hatte und sah verwirrt auf die leere Seite des Betts auf der Julianna schlafen sollte.

"Guten Morgen." Ihre fröhliche Stimme riss mich aus meinen Gedanken und mein Kopf schwang in ihre Richtung. Sie stand, nur in einem Handtuch bekleidet, in der Tür zum Badezimmer. Es fiel mir sehr schwer nicht den kleinen Wassertropfen zu folgen, die vereinzelt über ihre Haut liefen. 

Räuspernd nahm ich meine Augen von ihrem Körper und fixierte einen Punkt über ihrem Kopf, auf den ich mich konzentrierte. "Guten Morgen, wie hast du geschlafen?"

"Gut, danke, und selbst? Stimmt etwas nicht, du klingst irgendwie komisch."

Als sie sich in meine Richtung bewegte, sprang ich auf und machte meinen Weg ins Badezimmer. "Ich bin in zehn Minuten fertig, wir können dann frühstücken gehen."

Lieber Himmel, dieses Wochenende wird besser das Beste, das ich je hatte.


Das klirrende Geräusch vom Geschirr war zu vernehmen, als ich Julianna mit einem Arm um ihre Taille in das hoteleigene Restaurant führte. Die Schüler der Abschlussklasse 2001 saßen verteilt auf runden Tischen im Saal  und mit Freude konnte ich erkennen, das sich auf jedem Platz ein Namenskärtchen befand. Einerseits fand ich es komisch, das man schon beim Frühstück einen Platz zugewiesen bekam, aber andererseits war ich froh darüber, denn ich hätte nicht gewusst wo ich mich hinsetzten sollte. 

"Die haben wirklich alles bis ins kleineste Detail geplant", flüsterte Julianna mir zu. 

Schmunzelnd meinte ich, "Was glaubst du welchen Aufstand die machen werden, wenn sich mal wer umsetzten möchte?"

"Das käme wahrscheinlich dem Ende der Welt nahe."

Bevor meine Begleitung und ich uns auf den Weg machen konnten unseren zugewiesenen Platz zu suchen, kam eine freudenstrahlende Macy auf uns zu. "Guten Morgen! Ich hoffe ihr habt eine gute Nacht hinter euch. In einer Stunde starten wir in der Lobby!"

"Was starten wir in einer Stunde?", fragte Julianna, die genauso verwirrt aussah wie ich. 

"Unseren Spaziergang durch die Stadt natürlich. Wir möchten mit unseren Partnern die gute, alte Zeit Revue passieren lassen."

"Lieber Gott", flüsterte ich, nachdem Macy uns unseren Plätzen zuwies. "Das wird eine reine Parade durch die Hölle."

"Wir können uns lustig machen über die anderen Pärchen", flüsterte Julianna mir zu. "Damit wir uns die Zeit vertreiben können während des Spazierganges und ich könnte eine Migräne vortäuschen, falls es zu langweilig wird."

"Du bist eine Lebensretterin."

"Einer meiner Vorteile."


Nach dem gemeinsamen Frühstück, bei dem wirklich niemand zu Wort kam, den die gesamte Zeit gingen Macy und Cindy den Plan der Woche durch. Man konnte sich nicht einmal mit seinem Tischnachbarn unterhalten. 

Bereits genervt von der nasaligen Stimme, die leider beide Frauen besaßen, machten Julianna und ich uns auf den Weg in die Loby. 

"Da wir nun alle vollzählig sind, würden wir euch bitten, dass ihr euch in drei Gruppen aufteilt. Alle von A bis I, bitte auf die rechte Seite. Von J bis R in die Mitte und der Rest bitte nach links. Da wir dieses Jahr mehr Leute als erwartet sind, müssen wir den Stadtrundgang in Gruppen durchführen, in zwei Stunden treffen wir uns dann alle wieder vor der Schule. Dort wird dann ein freundschaftliches Footballspiel stattfinden und danach wird gegrillt", erklärte Cindy. 

Nun stand ich hier, mit meiner bezahlten Freundin, meinem ersten Schwarm und meinem ehemaligem Peiniger. Alle in einer Gruppe. 

Was für ein beschissener Start in das Wochenende. 

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Ich möchte nur sagen, dass dieses Kapitel seit 6 verdammten Monaten unveröffentlicht darauf wartet hochgeladen zu werden. 







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⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 29, 2018 ⏰

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