Kapitel 2

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Sie reichte mir ihre faltige Hand und als ich einschlug zog sie mich nach oben. Wie schon so oft, wunderte ich mich über die schier unendliche Kraft, die sie noch trotz ihres Alters hatte und auch ausstrahlte. Sie ließ meine Hand los und stürmte mit jugendlichem Elan voraus Richtung Auto. Schimpfend und ächtzend stolperte ich mit meinem sperrigen Koffer hinter ihr her. Die größte Hürde lag jedoch noch vor mir. Mit zusammengepressten Lippen hievte ich, mit all meiner Kraft, den gefühlt tonnenschweren Koffer in den Kofferraum. Schnaufend ließ ich mich neben Oma in das kleine Auto fallen. „Freddi hat schon auf dich gewartet", meinte Luise verschmitzt und tätschelte dem kleinen grünen Twingo liebevoll über die abgenutzte Armlehne. Ich nickte und versuchte mein Grinsen zu verkneifen. Stattdessen wendete ich mich nun ebenfalls dem Auto zu, und begann dieses am Armaturenbrett zu tätscheln „Ja Servus Freddi, was für eine Ehre, dass wir uns nun doch endlich kennen lernen!" Nun konnte ich mir das Grinsen aber doch nicht mehr verkneifen. Schnell starrte ich nach vorne.
Oma, jedoch achtete gar nicht mehr auf mich. Sie war inzwischen losgefahren und der Twingo tuckerte in mäßigem Tempo die Landstraße entlang. Mellingen ließen wir schnell hinter uns. Außer der Straße, die von dem Schein des Autos erhellt wurde, war in der nun eingetretenen Dunkelheit nicht wirklich viel zu erkennen. Ich blickte zu Oma hinüber. Sie hatte sich inzwischen eine Brille aufgesetzt und starrte angestrengt nach vorne. Ha, ich hatte doch etwas gefunden, das auch bei ihr auf Alterserscheinungen hinwies. Aber wie gesagt, es war, außer ihrer etwas runzelig werdenden Haut, und den grauen Haaren auch das Einzige, bis jetzt.

Ich bewunderte sie für so vieles und wünschte mir auch einmal selbst so zu sein. Wie für ihre positive ausgeglichene Art, die sie an den Tag legte. Als auch wie selbstsicher und natürlich sie mit ihren Mitmenschen umging.
Da hatte ich noch einiges zu lernen, denn auch wenn ich es niemals zugeben würde, war ich doch ein bisschen schüchterner und zurückhaltend. Oftmals wünschte ich mir, ich hätte ein bisschen mehr von ihr geerbt.
Mein äußeres Erscheinungsbild, welches weder auffällig noch grell war, glich bei weitem nicht dem von meiner Oma. Ich hatte mittellange schwarze Haare, braune Augen und ein paar Sommersprossen die sich vereinzelt um die Nase herum tummelten, sich jedoch kaum unter meiner blassen Haut hervorhoben. Ich war sozusagen jemand, den man durchaus als „graue Maus" bezeichnen konnte, auch wenn ich diese Bezeichnung nicht ausstehen konnte. Meine Noten entsprachen ebenfalls dem Durchschnitt und auch sonst war ich nicht sonderlich auffällig. Ich war wohl das, was man als „normal" bezeichnete. Aber bei einem Punkt hatte ich doch etwas von Oma, denn ich war fest der Überzeugung, dass sich fast alles dem Positiven zuwenden konnte, wenn man nur fest daran glaubte. Ok, wie gesagt fast alles, denn für diesen Sommer machte sogar mein Drang zum positiven Denken eine Ausnahme. Doch wenn ich in diesem Moment gewusst hätte, was mich wirklich erwartete, wäre ich nicht so ruhig und gelassen hier gesessen. Es lag eine Zeit vor mir die mich für immer verändern würde...

Da es meine erste Geschichte ist, würde ich mich natürlich sehr über Tipps und Feedbacks freuen. Viel Spaß beim Lesen;)

Ein unvergesslicher SommerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt