Die Kobra und das Kaninchen

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>>Das ist nicht lustig, Tyler!<< Er sah das wohl anders und langsam wurde ich sauer. Ich bin ja wohl nicht die einzige Person auf diesem Planeten, die noch nie geküsst wurde. So abnormal ist das jetzt auch nicht. Als auch Tyler merkte, dass ich ziemlich sauer war, hörte er mit dem Lachen auf. >>Ich hab damit einfach nicht gerechnet. Ich dachte du würdest mir jetzt sagen, dass es dir zu schnell geht, du einen Freund hast oder so was. Ich habe nicht dich ausgelacht, ich habe gelacht weil ich mich einfach freue. Außerdem ist das süß.<< Tyler grinst mich an und zieht mich zurück in seine Arme. >>Süß? Ich fühle mich total blöd und ich habe angst.<< Wenn wir schon mal dabei waren, konnte ich ihm das auch gleich sagen. >>Warum hast du angst?<< Er schien es wirklich nicht zu verstehen. >>Ich habe keine Erfahrung was Beziehungen angeht. Gar keine. Und du hattest sicherlich schon tausende Frauen. Frauen die wussten was sie tun. Ich habe angst davor alles falsch zu machen.<< Ich holte tief Luft. Wenn er es jetzt auch nicht verstanden hatte, dann weiß ich auch nicht mehr. Dieses Gespräch war mir auch so schon peinlich genug. >>Bei einer Sache liegst du falsch, Ava. Wenn es um Beziehungen geht, habe ich genau so wenig Erfahrung wie du. Wir sind uns was das angeht ebenbürtig, deshalb musst du auch keine Angst haben. Du bist wunderschön und begehrenswert. Ich wäre ein Idiot, dich gehen zu lassen.<< Plötzlich grinst er wieder und ich habe eine ungute Vorahnung. >>Und das mit dem Kuss lässt sich auch ganz leicht lösen.<< Wegen dieses Kommentares verdient er den Schlag gegen den Oberarm. Wobei ich glaube das er ihn kaum gespürt hat.

Nachdem wir unsere Tour beendet hatten und es bereits Abend wurde, fuhren wir zu Tyler. Es wunderte mich, dass noch keiner meiner Familienmitglieder versucht hatte, mich zu erreichen. Wir fuhren also durch die Absperrungen und hielten vor Tylers Haus, dass ich schon ein Mal gesehen hatte. Jedoch damals nur von außen. Als wir das Haus betraten war ich erst ziemlich überrascht. Ich hatte mir eine unordentliche Männerbude vorgestellt. So würde es zumindest bei meinen Brüdern aussehen, wenn wir ihnen nicht alles hinterher räumen würden. Aber Tylers Haus war hell und modern. Alles wirkte freundlich, ordentlich und sauber. Ich schlüpfte aus meinen Schuhen und stellte sie vor die Garderobe. Tyler führte mich in das Wohn- und Esszimmer und die offene Küche. Alles ging in einander über. >>Du setzt dich jetzt da hin und ich koche uns was.<< Oh man. Ich glaube ich bin im Himmel. Jetzt kann der Kerl auch noch kochen. Das beste war, er zog sein Hemd aus und sich eine dieser Küchenschürzen über. Wahrscheinlich wollte er es nicht dreckig machen und ich hatte auch kein Problem mit dem Anblick. Er sah ziemlich geschickt beim Kochen aus und ich bekam langsam wirklich hunger. Da ich an der Kücheninsel saß, konnte ich genau in alle Töpfe gucken. Es roch göttlich. Tyler hielt mir einen Kochlöffel vors Gesicht. >>Probieren.<< Das tat ich auch ohne murren. Ob ich ihn als Koch engagieren könnte? Ein Handy klingelt und diesmal ist es nicht meins. Tyler geht dran, nachdem er seine Hände an der Schürze abgewischt hat und sich das Handy aus seiner Hosentasche fischt. >>Hey Rico.<< Natürlich höre ich nur einen Teil des Gesprächs, aber alleine Ricos Namen zu hören versetzt mich in Panik. Immerhin weiß ich nicht, was meine Cousine ihm alles erzählt hat und wie er es aufgenommen hat. Würde er mich jetzt vor Tyler auffliegen lassen? Vielleicht weiß er ja auch gar nichts. All diese Gedanken hatte ich den restlichen Tag verdrängt, nur damit sie jetzt wieder hoch kommen. Ava, beruhige dich. Vielleicht ist alles halb so schlimm. Als Tyler aufgelegt hat, dreht er sich zu mir um und vielleicht sehe ich ihn etwas zu erwartungsvoll an. >>Das war gerade Rico. Er und deine Cousine kommen vorbei.<< Lächelt er mich an. >>Lena ist bei ihm?<< Frage ich verwundert. Mir war nicht bewusst, dass sich meine Cousine mit ihm treffen würde. Ich dachte sie regelt das am Telefon. Außerdem trifft sich Lena nicht mit Männern. Vor allem nicht mit welchen, die sie kaum kennt. >>Ja, oder hast du noch eine Cousine?<< Fragt Tyler lachend, während ich immer noch meinen Gedanken nachhänge.

Tyler hatte genug gekocht, so dass es auch für Rico und Lena reichen würde. Gemeinsam deckten wir den Tisch, wobei Tyler mir immer sagen musste, wo ich was im Schrank finde. Dann warteten wir. Von Tyler wurde ich in den Garten geführt, der einfach nur riesig war. Wir setzten uns auf eine Holzbank und erzählten uns noch ein paar Kindheitsgeschichten und redeten über Lieblingsfilme, Lieblingsessen und so weiter. Ich musste wirklich lachen, als Tyler mir erzählte, das er seinen letzten Film mit sieben gesehen hatte und dieser findet Nemo war. Wie kann man seinen letzten Film mit sieben gesehen haben? Ich bin quasi ein Film-Suchter. Meine Familie und ich sehen auch mal ganz gerne einen Film zusammen, reden dabei viel und lachen. Diese Abende mag ich am meisten, was ich Tyler auch erzähle. >>Ich weiß kaum etwas über deine Familie. Außer deiner Cousine und deiner Oma kenne ich niemanden und du erzählst nicht besonders viel. Deine Oma war anders, als ich sie mir vorgestellt hatte. Ich habe noch nie jemanden mit so vielen Armreifen gesehen. Das toppt sogar dich.<< Lachend sehen wir beide auf meine Handgelenke. Wie sollte ich jetzt nur mit dem Familienthema anfangen? Was konnte ich ihm erzählen? Doch bevor er weiter darauf eingehen konnte, kamen Rico und Lena in den Garten. Rico warf mir einen Blick zu und ich wusste, Lena hatte ihm alles erzählt. Jedoch sah es nicht so aus, als würde er das weitererzählen. >>Alles klar bei euch?<< Fragte Rico und boxte Tyler kurz gegen den Arm. >>Klar. Lasst uns was essen. Habe schon gekocht.<< Während Tyler und Rico ins Haus hetzten und beide versuchten, schneller als der andere zu sein, nahm ich Lena an meine Seite. >>Er weiß es, oder?!<< Das war weniger Frage als Antwort. >>Ja, er wird es keinem erzählen. Das verspreche ich dir. Er war total ruhig und hat mir zugehört und sich bedankt, weil ich so ehrlich zu ihm war.<< Überrascht sah ich Lena an. >>Du magst ihn.<< Tatsächlich wurde sie rot. >>Er wirkt vielleicht ein wenig grimmig, ist aber wirklich lieb. Und ich fühle mich wohl bei ihm.<< Dass ich das nochmal erleben durfte. Ausgerechnet den aggressiven Rico hat sie sich ausgesucht. >>Er hat mir gesagt, dass ihm nicht so wichtig ist, dass wir zu den Navarrete gehören. Im Notfall würde er sich jedoch gegen uns stellen müssen. Du weißt wie das mit den Familias ist.<< Ich nicke nur. Das ist mehr als ich mir erhofft hatte. Lena redete vorsichtig weiter. >>Er hat mir auch gesagt, dass Tyler es hasst, wenn man ihn anlügt. Als Anführer kann er unsere Zugehörigkeit jedoch nicht akzeptieren. Du solltest aufpassen, Ava. Tyler mag dich und du magst ihn. Bei euch ist es jedoch alles noch viel komplizierter, Stell dir vor, deine Brüder wüssten, das du bei ihm bist. Selbst mein Bruder würde schon ausrasten, wenn er wüsste das ich mit Rico auch nur geredet habe. Wir sollte das nicht auf die leichte Schulter nehmen.<< Es war für mich aber schon zu spät, aus Tylers Leben zu verschwinden. Was sollte ich denn nur tun? >>Du weißt, dass ich ihn nicht einfach vergessen kann. Genau so wenig, wie du Rico einfach stehen lassen könntest. Hab ich recht?<< Darauf wusste auch Lena nichts mehr zu sagen. >>Er fährt uns nachher so weit wie es geht nach Hause. Habe eben mit Oma ALondra telefoniert.<< Zwar war es nicht Lenas richtige Oma, doch das war bei uns nicht so wichtig. >>Sie hat deinem Vater gesagt, dass wir einen Tagesausflug machen, weil Damian ja ausgefallen ist. Sie glauben einer der Neulinge begleitet uns.<< Das hatte ich total vergessen. >>Wie geht es ihm?<< Mein Cousin war verletzt und ich hatte es einfach vergessen. Hatte die Schlägerei zwischen Rico und Damian total verdrängt. >>Ihm geht es gut. Ich erzähle dir später alles.<< Dann betraten wir das Haus und das Thema war beendet.

>>Oh man, warum können die Männer bei uns nicht so kochen.<< Schwärmte ich von Tylers essen, was ihm schon fast unangenehm war. Meine Cousine stimmte mir stumm zu. >>Es war wirklich lecker, aber ich glaube Lena und ich müssen langsam mal nach Hause.<< Es tat mir beinahe weh, mich von Tyler zu verabschieden. Jedoch ging es nicht anders. Lena bedankte sich bei tyler für das Essen, bevor sie fast schon von Rico nach draußen gezerrt wurde. Der Kerl war sensibler, als ich anfangs dachte und ich wusste, dass er Tyler und mir ein bisschen Zeit alleine verschafft hatte. Also stand ich nun vor ihm, wusste nicht was ich sagen sollte, während er mich einfach nur anstarrte. >>Ava.<< Ich sah ihm in die Augen. >>Tyler.<< Bevor ich reagieren konnte war er schon bei mir und zog mich an sich. >>Wenn ich dich jetzt küssen möchte, drehst du dein Gesicht dann wieder weg?<< Mein Athem stockte als mir klar wurde, was jetzt vielleicht passiert. >>Probier es aus.<< Ich hätte niemals gedacht, dass ich jemals so etwas sagen würde. Es passte eigentlich nicht zu mir. Anscheinend brachte Tyler ganz neue Seiten in mir zum Vorschein. Doch die Worte verfehlten ihre Wirkung nicht. Tyler beugte sich noch näher zu mir herunter und ich fühlte mich wie das Kaninchen vor der Schlange. Lustig, wenn man bedenkt das Tyler als Kobra bezeichnet wird. Immer wenn ich nervös war, hatte ich die unnötigsten Gedankengänge. Doch als seine Lippen meine streiften, war mein Kopf wie leer gefegt.

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