Why don't you just kill yourself? ~4

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Meine Tür wurde aufgerissen und meine Mum steckte ihren Kopf herein und rief "Saphira! Du musst aufstehen, du hast verschlafen!" Ich murrte nur, dass ich gleich komme und zwang mich aufzustehen. Es war nicht so, dass ich noch unheimlich müde war, sondern viel mehr so, dass ich absichtlich verschlafen hatte, weil ich nicht zur Schule wollte. Ich hatte gehofft, dass meine Mum auf die Arbeit gefahren wäre, ohne es zu merken. Aber nein, natürlich nicht.

Widerwillig ging ich ins Bad und machte mich fertig. Dann schnappte ich mir meine Tasche und verließ ohne ein weiteres Wort die Wohnung. Immerhin kam sie so nicht noch auf die Idee, mich zum frühstücken zu zwingen. Langsam trottete ich meinen gewohnten Weg zur nächsten U-Bahn Station. Erst dann fiel mir auf, dass ich meine Oystercard gar nicht dabei hatte. Die Oyster-card war eine Art Monatskarte für sämtliche öffentlichen Verkehrsmittel in London und man konnte sie immer wieder mit Geld aufladen. Man musste sie nur an einen elektrischen Schalter halten und schon konnte man zur U-Bahn gehen und musste nicht weiter bezahlen. Leider brachte sie mir herzlich wenig, wenn sie zuhause auf meinem Schreibtisch lag.

In der Hoffnung, immerhin Kleingeld für ein Tagesticket dabei zu haben, wühlte ich in meiner Tasche. Auch Fehlanzeige. Ich hatte nur genug Kleingeld, das für ein Ticket zur Zone in der meine Schule war, reichte. Also hatte ich jetzt die Wahl heute morgen nochmal zurück nach Hause zu gehen und meine Oystercard zu holen, oder jetzt mit der U-Bahn zu fahren und nach der Schule den ganzen Weg zu laufen.

Ich hatte keine Lust mir noch eine Standpauke von meiner Mum anzuhören, also entschied ich mich für die zweite Variante und ging zum Ticketschalter. Anschließend fuhr ich mit der U-Bahn zur nächsten Station bei meiner Schule. Dann musste ich noch ein Stück laufen. So langsam wie ich lief, schaffte ich es, genau mit dem Gong zum Unterrichtsbeginn den Schulhof zu betreten. Alle anderen waren schon drin und man sah nur noch ein paar vereinzelte Schüler, so wie ich, die zu spät kamen. Als ich endlich mein Buch im Spind geholt hatte und an der Tür des Klassenzimmers anklopfte, hörte ich die schreckliche Stimme meines Mathelehrers, der "Herein" rief.

Das mulmige Gefühl, dass ich immer während der Schule hatte, wurde noch schlimmer und ich atmete nochmal tief durch. Dann drückte ich die Türklinke hinunter und öffnete sie. Mr. Pommeroy sah mich wütend an "Sie sind zu spät." Also wäre das noch nicht schlimm genug, starrte mich die ganze Klasse an. Ein paar Typen lachten und einer schlug einem anderen auf die Schulter und sagte wieder irgendetwas über mich, was den anderen noch mehr zum lachen brachte. "Es.. es tut mir sehr leid" murmelte ich und starrte auf den Boden. "Setzen sie sich und kommen sie nach der Stunde noch einmal zu mir" meinte er wütend. Ich nickte nur noch und setzte mich auf meinen Platz in der ersten Reihe direkt am Fenster.

Mr. Pommeroy hatte schon wieder mit dem Unterricht angefangen und erklärte irgendwelche seltsamen Formeln. Ich gab mir mühe, mit zu kommen, auch wenn es mir schwer fiel, mich zu konzentrieren. Ständig warf irgendeiner von den Typen in der letzten Reihe Papierkügelchen auf meinen Kopf und ich konnte mich nicht wehren. Pommeroy hatte mich eh schon auf den Kicker und wenn ich mich beschweren würde, wäre ich bloß diejenige, die seine Wut abbekommen würde.

Und noch etwas brachte mich ganz schön aus dem Konzept, beziehungsweise jemand. Er saß in der letzten Reihe, auf der anderen Seite des Klassenzimmers und ich spürte immer wieder seine studierenden Blicke auf mir. Aber jedes Mal wenn ich mich kurz umsah, sah er wieder nach vorne. Warum konnte er mich nicht weiter ignorieren, so wie immer? Warum musste Harry mich jetzt auch noch anstarren, nachdem er Schuld daran ist, dass ich mir den Mist hier überhaupt noch geben musste?

Am Ende der Stunde stürmten alle erleichtert heraus, weil Mathe endlich rum war. Ein Typ rempelte mich dabei so an, dass ich fast das Gleichgewicht verlor und meine Tasche auf den Boden fiel. Ihr Inhalt entleerte sich unter den Tischen und ich bückte mich, um alles wieder aufzuheben. Der Typ lachte nur und folgte seinen Freunden nach draußen. Als ich endlich alles aufgehoben und wieder in meine Tasche gestopft hatte, stand ich wieder auf und ging nach vorne zum Pult.

Mr. Pommeroy sah mich wütend an "Sie kommen in letzter Zeit ganz schön oft zu spät." Ich sah auf meine Hände und sagte leise "Entschudligen sie, dass ich heute wieder zu spät gekommen bin." "Ich möchte, dass sie einen zweiseitigen Aufsatz schreiben, warum man nicht zu spät kommen sollte und wenn sie noch einmal in meinen Stunden zu spät kommen, dann werde ich sie zum Direktor schicken und sie werden Nachsitzen müssen. Haben sie mich verstanden?" fragte er sauer. Ich nickte nur "Ja, sir." Er wollte mich gerade herausschicken, als sich plötzlich Jemand neben mich stellte.

"Mr. Pommeroy, es ist meine Schuld, dass Saphira heute zu spät kam. Ich hatte ihr versprochen, in meinem Auto mit zu nehmen, aber ich habe nicht daran gedacht" sagte Harry. Verwirrt sah ich ihn an. Was sollte das jetzt? Er hatte mir nie versprochen, mich mit zu nehmen, zumal er ja nicht einmal ein Auto hatte. Zumindest hatte ich ihn noch nie mit einem Auto gesehen.

"Ist das so, Mr. Styles?" fragte unser Mathelehrer mit zusammen gekniffenen Augen. Harry nickte und log weiter, ohne mit der Wimper zu zucken. "Na wenn das so ist, müssen sie keinen Aufsatz schreiben. Aber ab jetzt sollten sie trotzdem pünktlich zum Unterricht erscheinen!" sagte Mr. Pommeroy und ich nickte.

Er schickte uns aus dem Klassenzimmer und ich ging schnell los. Auf einmal war ich wirklich wütend. Was sollte das? Warum meinte Harry plötzlich, er müsste sich immer wieder in mein Leben eimischen? Für wen hielt er sich. Harry kam mir hinter her und schien mit mir reden zu wollen, aber ich wollte nicht mit ihm reden, also ging ich immer schneller. Normalerweise versuchte ich mich eher im Hintergrund zu halten, aber dieses Mal rannte ich einfach stur durch die Menge durch und wurde deswegen immer wieder zur Seite geschubst, angerempelt oder bekam einen Ellebogen in die Seite. Von überall her hörte ich fiese Beleidigungen, aber ich versuchte sie auszublenden. Nur leider funktionierte das nicht so ganz. Ich tat zwar immer so, aber in Wirklichkeit war es wirklich verletzend, diese ganzen Sachen über mich zu hören, obwohl sie ja nicht einmal stimmen.

Ich war mir sicher, dass ich morgen übersät mit blauen Flecken sein würde, aber es war mir egal und ich drückte mich weiter durch die Menge zum Mädchenklo. Schnell schloss ich mich in eine Kabine. Dort stellte ich meine Tasche auf den Boden und setzte mich auf den Klodeckel. Meine Augen brannten und ich versteckte mein Gesicht in meinen Händen. Ich wollte jetzt definitiv nicht auch noch anfangen zu heulen.

Plötzlich hörte ich Schritte und presste meine Lippen zusammen, um nicht laut los zu schluchzen. Ein paar Mädchen kichernden und flüsterten sich irgendetwas zu. Mein Kopf dröhnte und ich verstand es nicht, aber ich hatte ein echt schlechtes Gefühl in meiner Magengegend. Es dauerte nicht lange, bis sie die Toilette wieder verließen und es wieder stille wurde. Man konnte nur noch leise das Gemurmel der Schüler im Flur hören. Ich wartete noch eine Weile, bis der Gong zur nächsten Stunde läutete und es allmählich auch im Flur leiser wurde. Als ich mir sicher war, dass keiner mehr auf dem Flur sein würde, öffnete ich die Tür der Kabine. Ich wollte zum Waschbecken und mein Gesicht waschen, aber ich stockte.

In großen Buchstaben stand mit einem grellroten Lippenstift etwas auf dem Spiegel.

Why don't you just kill yourself?

Jetzt konnte ich die Tränen einfach nicht mehr stoppen. Ich weiß nicht, was schlimmer war, der Satz an sich, oder dass ich eigentlich schon längst ihrem Wunsch nach gegangen wäre, wenn Harry, dieser Arsch mich nicht davon abgehalten hätte.

Eins jedoch war mir klar. Der Tag war für mich gelaufen und ich würde sicherlich nicht mehr zur nächsten Unterrichtsstunde gehen. Ich wusch mir noch die Tränen weg und nahm ein paar Papiertücher. Mit ihnen versuchte ich den Lippenstift weg zu wischen, aber alles was ich machte, war es bloß zu verwischen. Naja, Hauptsache man konnte es nicht mehr lesen.

Dann verließ ich das Mädchenklo und wollte zur Krankenschwester. So blass wie ich war, würde sie mich bestimmt nach Hause schicken, wenn ich sagen würde, mir ginge es nicht gut. Doch ein großer Typ baute sich vor mir auf und versperrte mir den Weg.

SuicidalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt