20 | Abend

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PoV Stegi

Es war 17 Uhr und in einer Stunde würden Tim, Sarah, Max und ihre Eltern kommen. Ich saß auf meinem Bett und langweilte mich. Eigentlich könnte ich ja was zeichnen, aber irgendwie weiß ich nicht was. Ich beschloss einfach mein Zimmer etwas aufzuräumen. Das musste ich so oder so ja mal machen. Ob ich das jetzt freiwillig mache oder meine Mutter in 5 Minuten auftaucht und mich dazu zwingt, macht kaum einen Unterschied. Und kaum hatte ich angefangen aufzuräumen, 10 Minuten später klopfte meine Mutter an, kam rein und ging verwirrt wieder. Ich kicherte kurz darüber, da ihr Gesichtsausdruck einfach unbezahlbar war. Ich schob aber nicht alles unter mein Bett, sondern verstaute es in irgendwelchen komischen Boxen, die ich schon ewig in meinem Zimmer rumstehen hatte. Die paar tausend Zeichnungen sammelte ich zusammen und verstaute sie in einer Box mit einem Stegosaurus drauf, die ich anschließend neben mein Bett stellte, wo auch noch eine andere Box mit Zeichen-Zeugs stand.  Als ich zur Uhr schaute war es schon 17:48 Uhr. Ich zog mir schnell noch ein einfaches, weißes T-Shirt an, da das vorherige leicht dreckig war. Ich lief in die Küche, wo meine Mutter anfing das Essen zuzubereiten.
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Es klingelte und da Mum mich vorhin darum gebeten hatte, die Tür zu öffnen, tat ich dies nun auch. Chrissy tauchte hinter mir auf und ich musste feststellen, dass sie und Sarah das gleiche Kleid, nur in unterschiedlichen Farben, anhatten. Tims Eltern waren genauso schick angezogen wie meine. Die einzig normal angezogenen hier waren wahrscheinlich Tim, sein Bruder Max und ich. Ich begrüßte alle und stellte mich kurz vor. Es war zwar komisch von allen angeguckt zu werden, aber allein schon durch Tims warmes, freundliches Lächeln fiel es mir irgendwie leichter mich vorzustellen. Nach mir stellte Chrissy sich vor, wir führten unsere Gäste ins Wohnzimmer, wo schon unsere Eltern und meine Katze, die mal nicht auf meinem Bett lag, warteten. Als ich den Raum betrat sprang diese vom Sessel und schlich zwischen meinen Beinen umher. Keks machte auch keine Anstalten damit aufhören zu wollen. Während ich irgendwie versuchte sie hochzunehmen, sah Tim uns amüsiert zu. Nach 'ner gefühlten Ewigkeit schaffte ich es dann doch. Mit Keks in meinen Armen setzte ich mich einfach neben Tim auf den Boden, da auf der Couch kein Platz mehr war. Keks tollte zwischen Tim und mir herum und Tim sah ihr einfach nur zu. Wie fasziniert war er denn bitte von ihr?! Obwohl sie auch nicht sehr kontaktfreudig war, schien es so, als würde sie super mit Tim klarkommen. Nach kurzem Gelaber unserer Eltern verschwanden Tim, Sarah, Chrissy und ich nach oben. Sarah mit zu Chrissy und Tim mit zu mir. In meinem Zimmer angekommen setzte ich mich mal wieder auf den Boden, auch, wenn auf meinem Bett genug Platz wäre. Keks war uns außerdem auch gefolgt. Die spielte gerade mit meiner Hand und meinem Shirt. Tim sah uns immer noch zu. Er ließ sich neben mir nieder und betrachtete Keks und mich fasziniert. "Warum bist du so fasziniert von Keks?", fragte ich ihn. "Keine Ahnung. Ich hatte mir damals immer eine Katze gewünscht, aber da wir ja ständig in die verschiedensten Wohnungen umgezogen sind, ging das nicht und meine Mutter hat eine 'Tierhaarallergie'", sagte er etwas traurig, "aber der Name ist echt süß, passt zu ihren Flecken." "Oh, das ist echt dumm. Ich musste richtig lange drum betteln, bis ich sie bekam", sagte ich, nahm Keks und setzte sie auf seinem Schoß ab. Sie fing sofort an mit ihm zu spielen und Tim sah auch ziemlich froh aus. Ich betrachtete die beiden. Schon knuffig wie Tim mit Keks spielt. Ich könnte den beiden stundenlang zuschauen... Nach ca. 15 Minuten, in denen Tim eigentlich nur mit Keks gespielt hat, nahm er sie, setzte sie vor uns ab und stand auf. Ich erhob mich ebenfalls und ließ mich kurz danach aber aufs Bett fallen. Ich klopfte neben mir auf die Bettdecke, um Tim zu zeigen, dass er sich ruhig setzen konnte. Er setzte sich neben mich. "Was machen wir jetzt eigentlich?", fragte ich. "Keine Ahnung", bekam ich als Antwort. "Hast du deiner Mutter eigentlich erzählt, dass wir uns schon kennen?", fragte er schmunzelnd. "Ach, du also auch nicht!", lachte ich. "Tun wir mal so als ob wir uns nicht kennen würden", schlug er vor. "Eh... okay." "Also, ich bin der Tim Bau, bin 17 Jahre alt, habe eine Schwester, Sarah und einen Bruder, Max und ich hoffe, dass wir hier wohnen bleiben, weil ich keinen Bock mehr auf die ganze Umzugsscheiße hab", stellte er sich vor. "Ehm... ich heiße eigentlich Stegobert Expert, bestehe aber darauf, dass mich niemand so nennt und bevorzuge daher meinen Spitznamen Stegi, ansonsten hab' ich noch eine Schwester, Chrissy, ich bin 16, habe eine soziale Phobie, wegen der ich normalerweise garnicht mit anderen, außer Tobi und Veni, rede. Dann ist da noch meine kleine Katze Keks, sie ist 1 Jahr alt und bedeutet mir ziemlich viel", stellte ich mich vor. Warum auch immer stellte mir Tim ein paar Fragen. "Lieblingsfarbe?" "Verschiedene Blautöne, weiß, schwarz, gelb. Mehr fallen mir gerad' net ein." "Okay. Hab so ziemlich die selben, außer gelb. Deine Hobbys?" "Ähm... zeichnen, Ausdauerlaufen, Leichtathletik, ab und zu mal lesen und natürlich nicht zu vergessen: Zocken!" "Gut, Basketball und zocken." Wir schwiegen, nachdenkliche Stille. "Stegi?", fragte Tim vorsichtig. "Was ist denn?" "W-Woher ist eigentlich diese schwarze Haarsträhne?" Oh, stimmt. Da war ja was. 10. Mai. Eigentlich konnte ich von Glück sprechen, dass die Narben auf meinen Armen größtenteils verheilt waren. Narben von damals, 5. Klasse. Das hielt auch nur ein halbes Jahr, danach hab ich aufgehört. Die Schnitte wurden auch nie sehr tief. Damals hatte es Tobi gemerkt und mich aus diesem Teufelskreis geholt. Auch die Depressionen verschwanden. Nun kamen diese 'depressiven Phasen' höchstens einmal im Monat oder so. Seitdem waren wir beste Freunde. Er war auch mein einziger Freund. Dann, vor einem halben Jahr, stellte er mir Veni vor. Anfangs war ich noch total still, aber mit der Zeit ging es. "Stegi? Was ist los? Wieso weinst du?", fragte Tim mich besorgt und holte mich somit aus meinen Gedanken. Ich weinte? Ich griff mit meiner Hand in mein Gesicht, tatsächlich. Ich schluchzte nur und Tim strich mir über den Rücken. Ich ließ mich einfach in Tims Arme fallen. Ich schaffte es sogar, mich in Tims Armen etwas zu beruhigen. "Sorry", nuschelte dieser gerade in meine Haare. Ich löste mich etwas von ihm und sah ihm in die Augen, wobei ich aufpassen musste, dass ich mich nicht in dem faszinierenden Braun verlor. "Du kannst dafür doch nichts", sagte ich und umarmte ihn. Nach ein paar Minuten fing ich an. "A-Also", wurde jedoch von Tim unterbrochen. "Stegi, wenn du es nicht erzählen willst, dann tu es auch nicht. Ich werde dich ganz bestimmt nicht dazu zwingen", sagte er behutsam. "Nein, ist schon gut. Vielleicht gehts mir ja danach besser." "Wenn du meinst..." "Jap. Also...  das hatte damals in der Grundschule angefangen. Ich wurde von meinen angeblichen Freunden schamlos ausgenutzt und mein Selbstbewusstsein sank von Tag zu Tag. Und dann, in der 4. Klasse bekam ich das erste mal Depressionen, die wurden immer stärker und in der 5. waren diese Arschlöcher immer noch in meiner Klasse, haben mich gemobbt, physisch und psychisch verletzt und in der ganzen Schule irgendwelche Gerüchte über mich verbreitet, die natürlich falsch waren", schluchzte ich und Tim drückte mich an sich. "Ich hab mich immer mehr distanziert, meine Mutter hatte mich auch zu so 'nem Psychiater geschleppt, aber der hat auch nix aus mir raus bekommen. Und dann, hab ich halt angefangen, mich zu ritzen. Am 10. Mai hatte ich dann diese schwarze Haarsträhne bemerkt. Ich weiß nicht woher sie kommt. Sie war halt einfach da. Kurz darauf sind wir umgezogen. Und hier, an der neuen Schule, hat Tobi gemerkt, dass etwas bei mir nicht stimmte und hat mir aus diesem Teufelskreis geholfen. Das einzige was geblieben ist, ist die soziale Phobie und meine Narben", beichtete ich ihm. Ich hatte mich einigermaßen beruhigt und zeigte ihm eine Narbe an meinem Arm, die man noch sehr deutlich sehen konnte, die meisten waren ja schon verblasst. Er fuhr mit seinem Finger die Narbe nach und ich spürte seine Besorgnis irgendwie. "Danke!", sprach er. "Wofür?", fragte ich unsicher. "Dafür, dass du mir so etwas erzählt hast. Ich glaube nicht, dass es so leicht für dich war." "Bitte. Danke!", lächelte ich und er schloss mich in seine Arme. Ich erwiderte seine Umarmung, die unglaublich gut tat. Ich fühlte mich so hilflos, aber auch irgendwie befreit. "Haben die Depressionen eigentlich komplett aufgehört?", fragte Tim vorsichtig. "Nicht ganz. Einmal im Monat, für einen Tag, da tauchen sie manchmal auf", antwortete ich wahrheitsgemäß. "Glaubst du, sie werden mal komplett weg sein?" "Ich hoffe es." "Sorry für die Frage, aber was passiert da eigentlich?", fragte Tim mich neugierig. "Also eigentlich, fühlt man sich wertlos, zu nichts gut, denkt, dass wenn man tot wäre, es eh keinen kümmern würde, dass die Welt ohne einen besser wäre. Sowas halt", antwortete ich. "Du weißt aber schon, dass das nicht so wäre?" "Wie meinst du das, Tim?" "Naja, du bist auf jeden Fall nicht wertlos", sagte er und wischte mir mit seinem Finger eine Träne weg. Ich fiel ihm nochmal in die Arme. Jaja, Kitsch und so...  mich interessierts gerade herzlichst wenig! Als ich zu Uhr schaute war es 18:43 Uhr. "Noch 17 Minuten, dann gibts Essen", sprach ich meine Gedanken laut aus und Tim lachte kurz leise auf. Keks sprang auf mein Bett und legte sich zwischen Tim und mich. Wir betrachteten sie lächelnd. Ich fühlte mich gerade echt, wie so 'en altes Ehepaar. Die restlichen 15 Minuten redeten wir über irgendwelche komischen Sachen bis wir uns auf den Weg ins Esszimmer machten. Meine Mutter hatte Hühnchen gemacht. Chrissy und Sarah kamen auch und wir setzten uns an den Tisch, wo auch schon unsere Eltern saßen. Das Abendessen lief ganz gut ab und während unsere Eltern noch redeten, verschwanden wir wieder in unsere Zimmer. Natürlich immer mit der persönlichen Stalkerin Keks an unserer Seite. "Gibts sonst noch was, was ich über dich wissen sollte?", fragte Tim, als wir wieder mit Keks auf meinem Bett saßen. "Äh... ja. Eigentlich schon, aber hass' mich dann nicht, okay?" "Was ist denn so schlimm, dass ich dich dann hassen könnte?", fragte er.
Okay, Stegi. Beruhig dich, schließlich hat er ja auch nichts gegen Venation und Rewilz. Komm schon, sei einmal keine Pussy, Stegi, sei nur einmal stark. "Ich...  bin...  ähm...  schwul", sagte ich leise mit Blick zu Boden gerichtet. "Und deshalb sollt' ich dich jetzt hassen, oder was?" "Könnt' ja sein..." "Och Stegi!" Er nahm mich in die Arme. "Das ist doch net schlimm." Wir redeten noch über paar andere Sachen, bis Tim dann gehen musste und ich mich von ihm und Sarah mit einer Umarmung verabschiedete. Ich verschwand danach wieder in meinem Zimmer und spielte mit Keks. 2 Stunden lang. Es war 22:38 als ich bei meinem PC Minecraft öffnete und ein paar Runden Bedwars zockte. Mal was anderes, statt immer nur HG oder so. Ich wählte Team Blau aus und kurz danach begann auch schon die Runde mit meinen zwei Mates klappte es ganz gut und wir gewannen die Runde.
Mir fiel eine Nachricht ins Auge: »MCExpertDE: Stegi, Screen? Bitte!«
Ich antwortete mit einem »Klaro!« warum auch immer jemand einen Screen mit mir haben wollte...  und kaum hatten wir einen Screen gemacht, gab mein Handy einen Ton von sich. Ich nahm es und sah nach, wer was von mir wollte, obwohl da echt nich' viele in Frage kommen: Tobi, Veni, Tim, Klassengruppe. Ich sah, dass Tim mir ein Foto gesendet hatte und als es vollständig geladen war, musste ich lächeln. Das Foto zeigte meinen und wahrscheinlich seinen Skin bei Minecraft. Kaum hatte ich das Bild gesehen, bekam ich eine FA von ihm, die ich annahm. Wir zockten noch ein paar Runden, bis ich mich gegen 00:27 Uhr schlafen legte. Recht früh für meine Verhältnisse.

[PAUSIERT] Maybe. | Stexpert Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt