#3
Wenn er wüsste, ich habe ein gutes Niveau erreicht. Und es wird mir wirklich leid tun, diesem Engelsgesicht wehzutun.
Ein junger Mann unterbricht uns und zeigt Daryl stolz die jüngste Übung, die er gelernt hat.
So schnell, wie er gekommen ist, ist er auch wieder weg. Daryl entschuldigt sich und fragt, ob wir in den Ring gehen wollen.
„Trainierst du die Jugendlichen des Viertels?“ frage ich ihn. „Ja. Ich kümmere mich seit einigen Jahren um ihn und seinen Bruder.“ Daryl grinst mich an.
„Er wirkte super stolz, dass er dir etwas zeigen konnte.“ „Ja. Er ist mein ganzer Stolz. Schau, für die jungen Leute ist das hier die Chance, etwas besseres aus seinem Leben zu machen, als auf der Straße herumzulungern und sich in schlechten Gegenden aufzuhalten.“
Daryl sieht mir in die Augen „Selbst wenn ich die Dinge nicht ändern kann, so versuche ich es wenigstens.“ „Das finde ich sehr schön!“ antworte ich ihm. Er nickt „Und es ist eine gute Sache, um zu begeistern.“
Ich verdrehe die Augen und stoße ihn leicht mit dem Ellenbogen an. Eine alte Angewohnheit zwischen ihm und mir, wenn er mal wieder den lieben, guten Kerl spielt.
Das Ding ist, dass er sich gar nicht vorstellen kann, dass ich mich bei seinen Witzen immer komischer fühle. Er ist nicht nur sexy, lustig und nett, sondern hilft nun auch noch Kindern, dass sie es aus dem Viertel schaffen.
Als wir im Ring stehen, zieht mir Daryl die Handschuhe an und erklärt mir zwei, drei Dinge.
Auf einmal schlägt er zu. Ich merke, dass er sich sehr zurückhält.
Ich weiche seinem Angriff aus und gebe ihm einen Schlag mit, was ihn überrascht.
Er ärgert sich, dass er sich zurückgehalten hat. „Hey, du kämpfst nicht zum ersten Mal!“
Ich grinse ihn an „Nein, ich habe einige Jahre Training hinter mir.“
Er erwidert mein Grinsen „Das hast du mir verheimlicht, vor mir steht also eine kleine Kriegerin!“
>Kleine Kriegerin?< bei diesem Kosenamen muss ich lachen. Papa hat mich immer so genannt. Dank ihm bin ich so abgehärtet.
Als ich klein war, wurde ich geschubst und angegriffen, wofür ich mich lange geschämt habe.
Erst nach Jahren habe ich endlich meinen Eltern davon erzählt und da hat mir Papa Kampfsport beigebracht.
Heute kann ich jeden auf den Boden werfen. Ich weiß z.B. wie man ein Handgelenk verdreht oder so hart wie möglich an eine bestimmte Stelle des Körpers schlägt, um den anderen bewegungsunfähig zu machen.
Ich habe einstecken müssen und auch ausgeteilt. Ich habe langsam gelernt, jenen Teil in mir zu zähmen, der keinerlei Kontakt mehr zu anderen wollte.
Als Mama nach ihrer Krankheit gestorben ist, habe ich meine gesamte Wut im Ring ausgelebt.
Plötzlich werde ich ganz traurig. Wie jedes Mal, wenn ich an Mama denke. Es gibt Wunden, die nie mehr heilen.
„Alles ok? Willst du aufhören?“ höre ich Daryl fragen. „Nein, alles gut. So schnell werde ich nicht müde!“
Er grinst „Ich sehe schon!“
Mir fällt es schwer, über manche Dinge aus der Vergangenheit zu sprechen. Meistens behalte ich meine Probleme einfach für mich, verschlossen in einer Schublade irgendwo in meinem Kopf.
Ich glaube, dass ich letzten Endes all die Wut, die in mir ist, in meine Schläge stecke.
„Ok, Prinzessin. Kennst du dich in Selbstverteidigung aus?“ Ich lächle „Ja, Prinzessin weiß, wo es weh tut. Willst du, dass ich es dir zeig?“ Daryl lächelt ebenfalls „Du bist eine harte Nuss, was? Ich habe fast ein wenig Angst“
Plötzlich wirft sich Daryl auf mich, greift meine Arme und drückt mich mit meinem Rücken gegen seine Brust, sodass ich bewegungsunfähig bin.
Ich liebe es, seine Muskeln an mir zu spüren, ich lobe mich innerlich selbst für die Idee, mich in einen von Daryls Kursen anzumelden.
Es ist schon verrückt. Selbst schwitzend riecht er gut. Zudem spüre ich seinen Atem in meinem Nacken, was mich frösteln lässt. In meiner Fantasie fallen mir gerade ganz andere Dinge ein, die wir nun machen könnten.
„Und nun? Ist das etwa alles, was du drauf hast, Kleine?“ höre ich ihn an meinem Ohr sagen.
Ich befreie mich aus der Umklammerung und werfe ihn mit einem meiner Lieblingsgriffe auf den Boden.
Ich lache „Und nun? Hat die Kleine den großen Meister etwa auf den Teppich geworfen?“
Daryl bricht in Gelächter aus. Es ist nicht ganz leicht, jetzt ernst zu bleiben, denn sein Lachen ist immer ansteckend.