Die Patientin

Teil 7

James Darlington nippte gedankenverloren an seinem Tee. Der Himmel war wie immer mit Wolken verhangen. Draußen auf der Straße erwachte gerade die Stadt zu neuem Leben. Zeitungsjungen schrien sich die Seele aus dem Leib und es roch nach frischem Brot und Kohlenstaub. Pferdehufe klapperten über die Pflastersteine, Karren wurden in Bewegung gesetzt und Kinder tobten durch die engen Seitengassen. Das Haus der Familie Darlington war mit einem hohen, rostigen Gitter umzäunt und von Wachposten bewacht, die mit ausdrucklosen Gesichtern betrunkene Arbeiter in Schach hielten, die dem Earl immer wieder Schläge androhten auf Grund der mickrigen Löhne und langen Arbeitsschichten. James Darlington jedoch dachte nicht im Traum daran, den Anforderungen der Arbeiter Gehör zu schenken. Er hatte weiß Gott größere Sorgen als seine Arbeiter, die in den Kohleminen außerhalb der Stadt starben wie die Fliegen. Der Earl nahm noch einen Schluck Tee, während eine Frau den Salon betrat. Lady Darlington war groß, sehr schlank und sah mit ihrem dunklen, hochgesteckten Haar und der blassen Haut aus wie eine typische englische Dame der Adelsschicht. Ihr dunkelblaues, enges Kleid aber war, entgegen der derzeitigen Mode sehr schlicht gehalten und besaß nur am Dekolleté ein wenig Spitze. Amanda Darlington war sehr schön: Ein ebenmäßiges Gesicht, helle, blaue Augen unter elegant geschwungen, dunklen Brauen. Ihre vollen, roten Lippen kräuselten sich zu einem leichten Lächeln. "Darling? Mr. Carter warten bereits unten auf dich." James runzelte zornig die Stirn. "Was will dieser Bastard denn hier?" Lady Darlington zuckte auf Grund dieser heftigen Beschimpfung merklich zusammen. "Ich habe ihm bei seinem letzten Besuch doch sehr deutlich gesagt, er soll mein Haus nie wieder betreten!" Mit einer einzigen Bewegung stand er aus dem Sessel auf und murmelte vor sich hin. Auf dem Absatz drehte er sich noch einmal kurz um und sah seine Frau mit in Falten gelegter Stirn an. "Was will Carter hier?" "Es geht um unseren Sohn."