Ich war seltsam fasziniert von seinem Namen, der, genau wie meiner, außergewöhnlich war.
Mein Name, der besonders war und das nicht nur wegen der Vielzahl an Verwendungsmöglichkeiten, sondern auch eine persönliche Bedeutung hatte. Meine Familie hat nie verstanden, warum ich meinen Namen änderte, als wir hierher kamen, doch haben es nach einigen Widerwillen akzeptiert, auch wenn sie mich niemals so nannten. Besonders Bastienne war stolz auf unsere Wurzeln, die ich früher unbedingt verstecken wollte, und weigerte mich jemals bei meinem neuen Vornamen anzusprechen und das bis heute.
Als ich mir ganz sicher war, dass Aiden das Schwimmbad schon verlassen hatte, stieg auch ich aus dem Becken und machte mich auf den Weg zur Umkleidekabine. Ausnahmsweise hatte ich heute mit Bastienne keine Zeit ausgemacht, sondern wollte mich melden, wenn ich fertig war.
Völlig abgehetzt kam sie am Schwimmbad an und sprang aus dem Auto:" Es tut mir leid, dass du warten musstest, Madi. Ich habe deinen Anruf erst gerade gesehen."
Gewissensbisse überfallen mich und ich beiße mir auf die Lippe. Meine Schwester wäre auch ohne mich mit ihrem Kind, ihrem Verlobten und ihrem Job ziemlich eingespannt und gestresst, aber ich stellte für sie noch eine weitere, riesige Belastung da.
"Rosie hat Grippe und will, dass ich bei ihr bin, wenn sie krank ist. Sie versteht noch nicht, warum ich die ganze Zeit weg bin", fing Bastienne an zu erzählen und ich sah einige Tränen in ihren Augen schimmern:" Sie hat die ganze Zeit am Telefon geweint und ich konnte nicht einfach auflegen, als du angerufen hast, tut mir leid."
"Ist schon okay, ich habe ja nicht lange gewartet. Wie geht es Rosie denn sonst so?", wollte ich wissen, weil mir nichts besseres einfiel. Ich wusste nicht, was ich zu ihr sagen könnte, ohne das Thema irgendwie auf Landon zu bringen und seit der Verlobung hatte ich mir geschworen nicht mehr schlecht über ihn zu reden.
Zumindest nicht in Bastiennes Anwesenheit.
Wie immer fuhr meine Schwester uns vorsichtig durch die Stadt nach Hause und fing an zu reden, ohne wirklich etwas zu erzählen. Ich glaubte, dass meine Schwester sich ziemlich gerne reden hörte und ließ sie einfach plappern, während ich mich dem Fenster zu wendete und mich aus der Realität zurück zog.
In der WG angekommen kam mir eine gute Nachricht entgegen: Lexie war nicht da, sondern in der Bibliothek. Ich liebte meine beste Freundin wirklich, doch ich hatte heute nicht das Bedürfnis mich stundenlang mit ihr über ihr Studium zu unterhalten oder ihr bei den Recherchen zu helfen, weil sie viel zu gestresst oder genervt war. Nie unterhielten wir uns über etwas, was sich nicht mit irgendwelchen Gesetzen und Paragraphen zu tun hatte und manchmal fragte ich mich, wie lange es wohl noch dauern würde, bis ich Kopf endgültig platzte. Doch seit im Moment war sie eh nie zuhause. Sie stand vor mir auf und machte sich auf den Weg in die Bibliothek und wenn sie wieder kam, war sie entweder zu müde um sich noch zu unterhalten oder es war schon so spät, dass ich schon im Bett lag.
Seit einigen Tagen ging das so, denn sie befand sich jetzt mitten in der Klausurenphase und konnte dabei keine Ablenkung gebrauchen. Obwohl ich es niemals zugeben würde, beneidete ich sie ein wenig darum. Nicht um ihr Studium, sondern um den Willen das Studium zu beenden und auf die Lust auf das Leben danach. Sie hatte Pläne und eine aussichtsreiche Zukunft vor sich, während ich in meinem mickrigen Job keine Chance auf Beförderungen oder ähnliches hatte.
„Danke, dass du mich abgeholt hast", murmelte ich meiner Schwester noch zu, bevor ich in mein Zimmer verschwand. Ich wusste nicht, warum ich plötzlich den Drang hatte ungestört zu sein, meine Arbeit nahm ich nie mit nach Hause und etwas anderes hatte ich auch nicht zu tun. Schon nach ein paar Sekunden hörte ich gedämpft Bastiennes Stimme aus dem Nachbarzimmer.
Dann klopfte es plötzlich an der Tür und ich sah erschrocken auf:" Herein?"
Nathan kam herein und stellte sich unschlüssig mitten in den Raum, unsicher kratzte er sich am Hinterkopf, dann räusperte er sich. Wenn ich nicht selber so verwirrt gewesen wäre, hätte ich über seine so untypische Unsicherheit sicher gelacht, doch jetzt starrte ich ihn nur an, als wäre es eine fremde Spezies, die gerade in mein Zimmer gekommen wäre.
„Ich muss mit dir sprechen", flüsterte Nathan und sah mich mit flackernden Augen an.
Ich runzelte verwirrt die Stirn, machte aber dann Platz auf meinem Bett und ließ ihn neben mir Platz nehmen.
„Was ist denn los?", wollte ich besorgt wissen und stützte mich mit beiden Armen ab. Er wartete ein paar Sekunden, bevor er endlich anfing zu reden:" Ich glaube, ich habe mich verliebt."
Einen Moment lang dachtre ich, er würde scherzen und wartete darauf, dass er anfangen würde zu lachen, doch Nathan starrte nur weiter vor sich hin.
Überrumpelt von seinem plötzlichen Geständnis zuckte ich mit den Schultern:" Das ist doch schön, aber was hat das mit mir zu tun?"
Nathan war 24 Jahre alt und sicher nicht zum ersten Mal verliebt, warum musste er jetzt mit mir darüber sprechen? Sonst sprach er doch auch nie mit mir, nur, als er etwas von meiner Schwester wollte.
„Das ist nicht dein Ernst!", fuhr ich ihn wütend an und boxte ihm gegen die Schulter:" Sie ist verlobt! Und sie hat ein Kind! Lass deine Finger von ihr! Du-"
Er hinderte mich daran weiter zu sprechen, in dem er meine Faust festhielt und mir mit zitternder Stimme widersprach:" Ich will nichts von Bastienne, das war dumm. Und ich bin darüber hinweg. Es geht um Lexie. Ich dachte erst, dass ich mir das einbilde... Aber da ist irgendetwas zwischen uns. Es tut mir leid, Avery, wirklich. Ich weiß, dass ich mich immer in die falschen verliebe, aber das ist echt. Wirklich. Und wenn sie nichts von mir will, dann werde ich sie nie wieder ansprechen. Ich will sie nicht verletzten. Es tut mir wirklich leid. Ich brauche aber deine Hilfe."
Völlig sprachlos sah ich ihn an und erkannt Tränen in seinen Augen. In dem Moment begriff ich, warum wir nie miteinander befreundet waren. Ich mochte ihn. Schon imer eigentlich, aber ich habe ihn immer wegen seinen Gefühlen gegenüber meiner Schwester verurteilt. Ich hasse Landon zwar, aber ich weiß, dass er ihr gut tut. Dass er sie glücklich macht, auch wenn sie sich mal streiten.
Aber konnte ich Nathan zu einer Beziehung mit Lexie verhelfen?
Statt ihm einfach nur zu antworten, schlang ich meine Arme um seinen Oberkörper und drückte mich an ihn:" Wir schaffen das schon, keine Sorge."
Im Dämmerlicht meines Zimmers konnte ich schwach ein kleines Lächeln auf seinen Lippen erkennen, als er wisperte:" Danke, Avery, ich weiß, dass das zu viel verlangt ist."
Eine Weile verharrten wir in dieser Position, ohne dass es unangenehm wurde, aber dann ließ ich ihn doch los. Schließlich hatten wir eigentlich nicht allzu viel miteinander zu tun gehabt, bis jetzt zumindest.
Relativ schnell verabschiedete sich Nathan wieder und ließ mich mit meinen Gedanken alleine, die jetzt natürlich verrückt spielten.
Ich hatte keine Ahnung, was ich davon halten sollte. Eigentlich mochte ich Nathan und Lexie hatte zweifellos jemanden verdient, der sich um sie kümmerte und immer für sie da wäre, doch war Nathan eine Person, die soetwas tat?
Zumindest hatte er eingesehen, dass es dumm von ihm war, was er für Bastienne empfunden hatte, das sah ich nämlich genauso.
Ich war mir nicht sicher, was ich jetzt tun sollte. Sollte ich es Lexie erzählen? Oder es für mich behalten? Ich wünschte ich könnte mit Bastienne darüber sprechen, aber sie hatte heute Nachmittag schon angekündigt, dass sie heute Abend mit Landon und Rosie telefonieren würde. Neben an in ihrem Zimmer konnte ich gedämpft ihre Stimme und ab und zu ein leises Lachen hören.
DU LIEST GERADE
Learning to fly
Teen FictionAvery ist 21, lebt in London und hätte eigentlich eine aussichtsreiche Zukunft vor sich. Doch das ist lange vorbei, alles wurde ihr genommen und nur ein zurück gezogenes Leben in einer kleinen WG ist ihr geblieben. Als sie Aiden in einem Therapieze...