Das nächste Mal meldete sich Aiden am Sonntag. Die ganze Zeit über hatte ich auf einen Anruf gewartet und obwohl mir sowohl Lexie als auch Bastienne immer wieder versicherten, dass ein Mann immer erst drei Tage warten musste, war ich nervös geworden. Immer wieder hatte ich jenen Abend nochmal revue passieren lassen und mich gefragt, was ich falsch gemacht hatte.
Doch dann kam der Anruf. Ich saß in meinem Zimmer und versuchte verzweifelt mich auf ein Buch zu konzentrieren, wobei ich jedoch alle paar Sekunden mein Handy checkte.
Aidens Stimme klang wie tausende Kilometer weit weg und wo auch immer er war, es war sehr laut und machte es nicht unbedingt leicht ihn zu verstehen:" Avery? Kannst du mich hören?"
Ich drückte mir eine Hand auf mein freies Ohr, um ihn ein bisschen besser verstehen zu können und sagte lächelnd: „Hi! Ja, wo bist du?"
„Ich bin am Flughafen, aber ich konnte es nicht mehr aushalten. Das ist doch völliger Schwachsinn! Wieso sollte man drei Tage warten, wenn man Spaß zusammen hatte?"
„Sehe ich genauso", stimmte ich ihm zu und grinste:" Wo bist du am Flughafen?"
Die Leitung rauschte und ich hatte schon Angst, die Verbindung sei abgebrochen, als ich verzerrt seine Stimme hörte.
„Bin wieder in London", sagte er und zögerte:" Ist es okay, wenn ich dich gleich abhole? Ich möchte dir etwas zeigen."
Sofort begann mein Herz wieder schneller zu schlagen und meine Kehle wurde staubtrocken. Irgendwie würgte ich ein schwaches Ja heraus und verabschiedete mich von Aiden.
Weder Bastienne noch Lexie waren zuhause, lediglich James schlief in seinem Zimmer und Nathan schaute im Wohnzimmer fernsehen oder er „lernte", wie er das Sonntagnachmittags immer machte.
Ich wusste, dass er vom Flughafen hierhin nicht einmal eine halbe Stunde brauchte und versuchte bei dem Gedanken nicht sofort in Panik auszubrechen. Ich musste mich ein wenig auf das wichtigste konzentrieren. Statt nochmal duschen zu gehen machte ich mir eine einigermaßen passable Frisur und tuschte mir meine Wimpern, zu mehr war ich alleine nicht wirklich im Stande. Dann räumte ich mein Zimmer ein wenig auf. Zwar war es dort nicht wirklich unordentlich, aber ich hatte das Gefühl etwas machen zu müssen. Die Bücher, die im ganzen Zimmer verstreut lagen, sortierte ich in das riesige Bücherregal ein und die Zeitschriften, die Lexie immer wieder bei mir deponierte, sortierte ich auf dem kleinen Beistelltischchen neben dem Sessel. Mein Bett war gemacht und auch sonst gab es in meinem Zimmer nichts, was aufgeräumt werden musste.
Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass ich wahrscheinlich noch einige Minuten Zeit hatte. Wieder begann mein dummes Herz vor Nervosität schneller zu schlagen und meine Hände verkrampften sich an den Armlehnen meines Rollstuhls. Unmöglich konnte ich so lange alleine hier bleiben. Wahrscheinlich würde ich, selbst wenn es nur ein paar Minuten waren, völig am Rad drehen und für die nächsten Stunden komplett unbrauchbar sein.
Also musste ich mich zu Nathan ins Wohnzimmer setzen und wahrscheinlich irgendeinem Boxkampf zu sehen, die er Sonntags immer anschaute. Fragend sah er mich an, als ich ins Wohnzimmer kam und schief auf den Bildschirm schaute. Wie erwartet war es ein Boxkampf.
„Was machst du hier?", wollte Nathan von mir wissen, sein Blick war aber schon wieder auf den Fernseher geheftet.
„Aiden kommt gleich", sagte ich, als würde das irgendetwas erklären. Mit vor Nervosität verkrampften Magen setzte ich mich neben Nathan auf das Sofa und schaute auf den Bildschirm, ohne zu sehen was sich dort abspielten. Es dauerte ein paar Minuten bis ich spürte, das Nathan mir sanft den Nacken massierte. Verwundert drehte ich mich zu ihm um: „Was machst du da?"

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Learning to fly
Roman pour AdolescentsAvery ist 21, lebt in London und hätte eigentlich eine aussichtsreiche Zukunft vor sich. Doch das ist lange vorbei, alles wurde ihr genommen und nur ein zurück gezogenes Leben in einer kleinen WG ist ihr geblieben. Als sie Aiden in einem Therapieze...