Allein

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Am nächsten Tag hatten sich die Probleme zwar noch immer nicht aufgelöst, aber alles musste nun mal weiter gehen. Also auch der Unterricht. Ich kam in die Klasse und mir schlug augenblicklich ein Getuschel und Gemurmel entgegen. Was hatte ich anderes erwartet? Ich ignorierte es so gut es ging und setzte mich an meinen Platz. Jedoch ging das nicht wirklich gut. Ich hörte Hana seufzen. Sie und Michelle saßen an ihren Plätzen nebeneinander und ich spürte ihre bedauernden Blicke. Leider half mir das auch nicht und ich sah einfach nur auf den Tisch vor mir.
  „Arme Akaya“, murmelte Michelle.
  „Die ganze Klasse ist voller Gerüchte, warum sie Neko gebissen hat“, murmelte Hana. Das hatte ich auch schon bemerkt. Dieses Getuschel in der ganzen Klasse ging von einfacher Überreizung bis hin zur Fixtion, was leider die traurige Wahrheit war.
  „Ist irgendwo ja auch klar“, meinte die Elfe murmelnd. Weiterhin versuchte ich das Getuschel auszublenden, aber langsam ging es mir auf den Zeiger. Ich ließ meiner Augen aufleuchten und brachte per Gedankenkontrolle die anderen dazu, ihre Schnauze zu halten. Kurz wurde es im Raum ganz still, dann ging das Gespräch munter weiter, aber es drehte sich um etwas anderes.
  „So geht’s auch“, sagte Hana. Ja, aber es erschöpfte. Vor allem eine Klasse von dreiundzwanzig Schülern war nicht gerade wenig. Ich legte erschöpft den Kopf auf den Tisch und schloß meine Augen, die wieder aufgehört hatten zu leuchten.
  „Das laugt sie aber mega aus.“
  „Japp, das ist der Nachteil.“
  „Und nun?“, fragte Michelle. „Sie wird die ganze Zeit durchhängen, wenn das so weiter geht.“ Hana kam daraufhin zu mir, legte ihre Hände auf meine Schulterblätter und gab mir Energie ab. Zum Glück waren die Energieformen von Vampiren und Teufeln kompatibel, sonst wär ich ganz schnell hopps gegangen. Ich hob meinen Kopf leicht, drehte ihn zu Hana und sah sie dankbar an. Sie nickte mir darauf lächelnd zu. Wir verstanden uns auch ohne Worte. Nach kurzer Zeit nahm sie ihre Hände wieder runter und ich konnte mich wieder gerade hinsetzen.
  *Danke*, sagte ich per Telepathie.
  *Kein Problem*, sagte sie, *ich hätte ihre Mäuler aber auch zuschweißen können*
  *Wäre auch lustig gewesen*, sagte ich schmunzelnd. Außerdem besaß Hana auch einen recht gut ausgeprägten Beschützerinstinkt. Sie war in dem Sinne fast wie León. Sie grinste mich an. *Nächstes Mal*, sagte ich, ebenfalls grinsend. Dann strahlte sie mich förmlich an. Sie war schon ein echter Sonnenschein, nicht immer, aber immer öfter.
  *Danke!*
  *Bitte.* Wir grinsten uns noch kurz an, bevor ich das Schweigen brach. *Ok, wie lange noch bis wir Ausfall kriegen, weil kein Lehrer aufkreuzt?* Sie sah kurz auf ihre Armbanduhr, die in einem solch kittschigen Pink strahlte, dass es hätte jemanden blenden können.
  *Drei Minuten*, teilte sie mir dann grinsend mit.
  *Super, lass uns den Raum für 3 Minuten verriegeln*, und ich musste dabei in mich hineinlachen. Hana lachte ebenfalls leise.
  *Wieso nicht?*, fragte sie lachend. Grinsend saßen wir dann da, bis Hana die letzte Minute ankündigte.
  *Super!* Für die letzte Minute setzte ich mich zu ihr auf den Tisch und wir lächelten einander kurz an, bis es endlich so weit war.
  „So Leute, 25 Minuten um, wir haben Sturmfrei“, rief sie grinsend durch die Klasse. Alle stürmten sofort raus, inklusive Michelle. Ich hatte es da weniger eilig und Hana leistete mir Gesellschaft. Wir gingen gemütlich aus dem Raum, wobei Hana immer noch grinste.
  „Ist was?“, fragte ich sie, weil ich mir nicht sicher war, ob das was gutes hieß oder was schlechtes.
  „Nö, was soll sein?“, erwiderte sie, weiter grinsend und so langsam überkam mich die Skepsis. Irgendwas war da doch im Busch.
  „Du grinst so“, sagte ich. „Hast du wieder was ausgeheckt?“
  „Was soll ich denn aushecken?“, fragte sie und klang dabei so unschuldig, dass es doch wieder schuldig klang und grinste dabei weiter.
  „Ich weiß es nicht“, sagte ich darauf. „Und ich weiß nicht, ob mich das beruhigen oder beunruhigen sollte.“
  „Es sollte dich beruhigen und in einer Weise freuen“, und in das Grinsen schlich sich eine kleine Portion Überheblichkeit.
  „Wieso freuen?“, fragte ich und bedachte sie mit einem skeptischen Blick.
  „Freundinnenweise“, sagte sie und wurde leicht rot, was mir den entscheidenen Gedankengang verpasste.
  „Du und Raiu?“, fragte ich daher grinsend. Sie nickte ebenfalls grinsend zur Bestätigung. „Glückwunsch“, sagte ich lächelnd. Hatte mein kleiner Schubser also doch etwas gebracht. Und meine Vermutung, dass Raiu in Hana verknallt war, war dadurch ebenfalls bestätigt.
  „Danke“, sagte sie ebenfalls lächelnd. *Jetzt müssen wir nur noch dich und Neko hinbiegen*, sagte sie wortlos und ich wurde augenblicklich rot. *Kein Grund rot zu werden*, meinte sie lächelnd.
  *Er ist ein Lehrer!*, erinnerte ich sie. *Das geht einfach nicht!*
  *Und da haben wir wieder unseren Pessimisten wieder.* Als Antwort streckte ich ihr die Zunge raus. Kindisch, ich weiß, aber mir fiel nichts besseres ein. *Sei mal optimistisch.*
  *Nein. Zudem er ist ein Gestaltwandler und ich ein Vampir, die können sich normal auf den Tod nicht ab!*
  *Normal, aber vielleicht könnt ihr beide das ändern.* Manchmal bewunderte ich die Optimistin, aber irgendwann war auch mal Schluss.
  *Wer‘s glaubt wird seelig*, meinte ich nur und verschwand, wie ich es immer tat, wenn mir ein Thema zu unangenehm wurde.
Ich tauchte unter dem Kirschbaum auf dem Pausenhof auf. Der trug schon die wunderschönen pinken Blüten, aus denen später die besten Kirschen wurden. Und sie waren wirklich lecker. Außerdem hatte der Baum eine entspannende Wirkung auf mich. Vielleicht weil bei mir zu Hause, im Garten des Hauses Mizuki, ebenfalls einer stand. Ich setzte mich also unter den Baum, lehnte mich gegen den dunkelbraunen Stamm und schloß die Augen. Dösend saß ich da für eine Weile, bis ich etwas maunzen hörte. Ich öffnete meine Augen und sah nach oben. In den Baumkronen lag eine schwarze Hauskatze, die der Hauskatzen-Gestalt von León sehr ähnlich sah. Aber es war León, nachdem ich die Präsenz der Magie von ihm auch endlich gespürt hatte. Leicht lächelnd schloß ich wieder die Augen.
  „Akaya.“ Es war nur gemurmelt und dieses Murmeln klang ziemlich gequält. Natürlich hörte ich es und sah überrascht zu der schwarzen Katze. Dann knurrte diese schmerzerfüllt und murmelte genauso schmerzerfüllt meinen Namen erneut, wonach sie schlagartig wach wurde, ihre Augen vor Angst geweitet und ihre Zähne gebleckt waren und sie zitternd auf dem Ast stand. Ich stand vorsichtig auf, um den Baum nicht erschüttern zu lassen, sodass die Katze nicht runterfallen würde. Sie hörte mich allerdings und sah zu mir. „Akaya“, sagte die mir vertraute Stimme von León, nachdem sich unsere Blicke getroffen hatten.
  „Ja?“ Er sprang vom Ast, verwandelte sich dabei, landete und sah mich an. In seinem Blick lag Besorgnis. Und es ließ mich meinen Körper leicht anspannen.
  „Wir müssen die Fixierung lösen“, sagte er mit der gleichen Besorgnis, die ihm auch ins Gesicht geschrieben stand.
  „W-warum?“ und ich wurde leicht panisch. Was hatte er geträumt? War es wegen diesem Tier? Oder hatte es einen anderen Grund?
  „Damit du in Sicherheit bist.“ Das bestätigte den Gedanken mit dem Tier. Ich sah ihn einfach nur an. Sein katzengelbes Auge pulsierte und hatte einen kaum merklichen Rotschimmer. Das Tier ließ sich nicht mehr lange unter Kontrolle halten. Er seufzte einmal schwer und sah zu Boden. Er war bedrückt und besorgt. Dieses Tier war gefährlich und eine ernstzunehmende Bedrohung. Ich machte einen Schritt zurück und sah ebenfalls zu Boden. Es war alles einfach zu viel. Die Fixierung. Dieses Tier. Und alles hatte nur eine Lösung. Die Fixierung lösen, indem ich meinen Körper León gab. Aber war es wirklich die einzigste Lösung? „Ich möchte, nicht das du verletzt wirst“, brach er das Schweigen zwischen uns.
  „Ich kann auf mich aufpassen“, kam es von mir.
  „Das kannst du vielleicht, aber gegen das Biest hast du keine Chance“, sagte er und ging an mir vorbei, den Blick weiter auf den Boden gerichtet. „Es würde dich in einem Herzschlag töten.“ Sehr aufbauend.
  „Damit wäre die Fixierung aber auch gelöst“, sagte ich kleinlaut. Ich hätte lieber meine Klappe halten sollen. Er blieb stehen und die Anspannung, die von ihm ausging, war sehr deutlich zu spüren.
  „Du willst sterben?“, fragte er mich und ich hörte, dass er sich zusammenreißen musste. Ich schüttelte leicht den Kopf und ging los. Ich hörte noch das „Eben“, was er wahrscheinlich in Reaktion auf mein Kopfschütteln gesagt hatte und dann ging auch er weiter. Tränen stiegen mir in die Augen. Ich wollte nicht sterben. Allerdings war das die einzige Lösung, die versprechen würde, dass ich nicht mit León in die Kiste musste. Aber war es die Richtige? Ich rempelte jemanden an, so vertieft war ich in meine Gedanken und hörte ein „Huch“. Es war Roberto. Das konnte ich an der Stimme erkennen.
  „Oh“, sagte ich nur, nachdem ich kurz zu ihm sah. „Sorry“, sagte ich und ging weiter an ihm vorbei. Doch er hielt mich auf, denn offensichtlich hatte er meine Tränen gesehen.
  „Hey, was ist los?“
  „Nichts.“ Ich sah weg, dass er meine Tränen nicht mehr sehen konnte.
  „Es ist wegen León, oder?“ Jetzt war ich gereizt und zeigte ihm das auch.
  „Lass mich einfach in Ruhe!“, schrie ich ihn an und bleckte meine Fänge, die sich durch die Genervtheit ausgefahren hatten. Es wurde einfach alles zu viel für mich.
  „Beachtliche Fänge“, meinte er nur, „aber ich hab keine Angst davor.“ Er war ziemlich überheblich. „Also, es is wegen León, deiner Reaktion nach zu urteilen.“
  „Lass mich einfach in Ruhe!“, schrie ich erneut. „Ich hab genug von Gestaltwandlern!“
  „Dann bist du uns bald los“, sagte er grinsend und deutete auf Leóns Bürofenster. Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte, seufzte daher nur und verschwand, wie immer. Doch bevor ich das tat, hörte ich noch etwas: „Du wirst uns nie wieder sehen, außer die Fixierung zieht dich zu ihm.“ Das konnte nichts gutes heißen, aber ich war zu gereizt, um darüber nachzudenken. Ich tauchte in einem kleinen, geheimen Raum auf, den ich durch Zufall entdeckt hatte. Hier konnte ich mich abreagieren, ohne irgendjemanden zu verletzen oder irgendwas zu zerstören, außer die Wände dieses Raums. Und so sah er auch aus. Überall waren schon Kratzspuren und es roch leicht nach Blut. Der Vorteil war, dass dieser Raum keine Tür hatte (er war wahrscheinlich ein Konstruktionsfehler) und ich mich hier verhalten konnte, wie die Axt im Walde. Meine Augen waren wahrscheinlich blutrot gefärbt, denn an meinen Fingern waren meine messerscharfen Klauen gewachsen. Ich fauchte und attackierte mal wieder die Wände. Ich griff weiter an und verbrauchte dabei meine Energie, denn die Klauen und die Färbung meiner Augen wurden nur durch die magische Energie hervorgerufen, was mir außerdem mehr Schnelligkeit und Kraft verleihte, die Energie jedoch irgendwann aufbrauchte. Ich attackierte weiter die Wände. Irgendwann fiel ich schwer keuchend auf die Knie. Langsam spürte ich, wie ich immer schwächer wurde. Knurrend rappelte ich mich jedoch wieder auf und griff erneut an. Und immer wieder und wieder. Ich musste mich abreagieren. Meine Angriffe hinterließen tiefe Kratzspuren in der Wand. Erneut ging ich in die Knie und kippte keuchend um. Mit letzter Kraft schlug ich meine Krallen in den Boden und versuchte aufzustehen. Vergeblich. Ich zitterte und über meine Wangen liefen Tränen. Tränen der Verzweiflung. Tränen der Einsamkeit. Dann spürte ich etwas. Oder besser gesagt nichts. Eine Fixierung bedeutet eine magische Verbindung zu jemandem zu haben und sich in diesen Jemand zu verlieben. Meine Verbindung war verschwunden. Nicht, weil die Fixierung gelöst war... sondern weil León weg war. Ich spürte ihn nicht mehr. Dies zerrte weiterhin an meiner Energie und ich wurde bewusstlos. Meine letzten Gedanken hingen an dem Bild von León.

Amore Proibito - Verbotene LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt