Kurzer Frieden

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Ich erwiderte ebenso wie er. Als wir uns dann wieder von einander lösten, war er leicht rot und lächelte mich an. Sein Ausdruck war zum ersten Mal, seit ich ihn kenne, fröhlich und aufgeschlossen. Es ist erstaunlich, wie man in so einem kleinen Moment alle Probleme um sich herum vergessen und einfach nur man selbst sein kann. Ich spürte, dass mein Gesicht auch von Röte überzogen war, allerdings etwas heftiger als seins. Ich lächelte zurück. Und ich war glücklich, etwas, was ich den letzten Stunden, Tagen, vergessen hatte, dass es überhaupt existierte.
  „So schwer es mir auch fällt“, brach er die Stille mit seiner nach Bedauern klingenden Stimme, „dich loszulassen, ich sollte vielleicht in die Krankenstation, um zu sehen, ob alles okay ist.“ Und damit war alles wieder da. Die Nacht in der ich mich auf ihn fixiert hatte. Das Training in dem ich ihn gebissen hatte. Die Lösung einer Fixtion. Und das Tier, mit dem schwarzen Fell und den bedrohlich leuchtenden, vor Wut pulsierenden roten Augen. Alle Probleme, die ich in diesem kurzen Moment des Friedens vergessen hatte, schlugen über mir zusammen wie eine Tsunamiwelle.
Die Röte in meinem Gesicht wurde noch mehr und ich nickte nur, denn ich brachte einfach kein Wort heraus. Ich spürte noch die Wärme seiner Lippen auf der Kälte der meinen. Er lächelte mich sanft an, drückte mir mit seinen warmen Lippen einen Kuss auf die Stirn, entließ mich aus seinen mächtigen Armen und ging in Richtung der Krankenstation. Die Hitze, einerseits wegen der Röte im Gesicht, andererseits wegen des Kusses auf der Stirn, spürte ich noch, als ich ihm nachsah. Seine selbstsicheren Schritte hallten durch den Flur bis er verschwunden war. Genau in dem Moment tauchte meine Lieblingsteufelin neben mir auf.
  „Hach, wie herzzerbrechend“, seufzte sie und grinste mich dabei an, was ich natürlich spürte.
  „Hana, du versaust den Moment“, wies ich sie zuerecht und sah zu ihr.
  „Sorry“, sagte sie lächelnd und umarmte mich dann wie aus heiterem Himmel. „Aber ich freu mich für dich!“
  „Hey“, sagte ich leicht lachend und umarmte sie zurück. Es war anders als bei León, allerdings fühlte ich mich auch in ihren Armen zu Hause. Wir lächelten uns eine Weile an.
  „Lass uns zu Michelle“, sagte sie lächelnd. „Sie brennt schon drauf, die Story aus deinem Mund zu hören.“ Das war nun das Letzte, was ich wollte, dass die Tratschtante namens Michelle von dem wusste, was zwischen mir und dem Gestaltwandler gerade vorgefallen war.
  „Nein“, sagte ich daher. „Sie ist eine Elfe und somit eine totalle Klatschpresse.“
  „Oh ja, stimmt“, sagte Hana grinsend. Auch sie wusste nur zu gut, wie schnell Michelle die Klappe aufreißt, wenn sie etwas hochinteressantes erfährt. Immerhin wusste die ganze Klasse, außer Raiu, dank der Elfe, dass Hana in den heißen Teufel verknallt war. Hana hatte sich danach mit Michelle heftig gezofft und sie haben mindestens für zwei Wochen nicht miteinander geredet. Ich wollte nicht, dass mir das auch passiert.
  „Da kann ich drauf verzichten“, sagte ich, nachdem ich mir das Erlebnis nochmal durch den Kopf hatte gehen lassen.
  „Naja, dafür kannste bei mir sicher sein, dass ich dicht halte.“ Wie bereits erwähnt, kannte ich Hana schon sehr lange und ich vertraute ihr blind.
  „Will ich hoffen“, meinte ich auf ihren Satz und grinste dabei.
  „Und wenn nicht, soll mir Lucifer persönlich den Mund verbrennen“, sagte Hana entschlossen. Lucifer war wohl der König oder Herrscher über die Teufel. Ob das nun Zufall oder ein Nebeneffekt der Langlebigkeit von den Teufeln war, konnte ich nicht sagen.
  „Will ich sehen!“, und grinste weiter bei dem Gedanken, wie der König der kleinen Teufelin mit dem Höllenfeuer den Mund verbrannte. Hana grinste ebenfalls belustigt.
  „Was machen wir jetzt?“, fragte sie nach kurzer Grinspause. Da ich keine Antwort darauf wusste, zuckte ich mit den Schultern.
  „Ins Zimmer sollteste nämlich nicht, weil Michelle da ist.“ Zustimmendes Nicken. Mit einem in die Länge gezogenes „Hm“ verleihte sie ihrem Nachdenken Ausdruck. Gerade als wir uns ansahen, kam ein gewisser Teufel um die Ecke und lief hochrot an, als er Hana erblickte. Ich hatte es gewusst!
  „Ah, hallo ihr beiden“, begrüßte Raiu uns lächelnd, aber ich konnte die leichte Verspanntheit hinter dem Lächeln sehen und grinste in mich hinein.
  „Hallo du einer.“ Im Augenwinkel sah ich Hana, wie sie ebenso rot anlief, wie er.
  „H-hallo“, stotterte sie und ich war froh, dass ich nicht die Einzige mit einem Hang zum Stottern war. Er lächelte einfach nur weiter.
  „Ich hab noch was zu tun“, sagte ich daher, mit einem etwas fiesen Hintergedanken. „Viel Spaß euch beiden.“ Hinterlistig lächelnd, schubste ich Hana zu Raiu und ging weg. Hinter mir konnte ich hören, wie Raiu sie auffing und nach einem kurzen Blick über die Schulter sah ich beide, wie sich in den Armen lagen und sich einander mit puterroten Gesichtern ansahen. Mit einem triumphierenden Grinsen teleportierte ich mich nach draußen. Ziel Hana und Raiu einander zu zuführen war erledigt.
  „Du bist also Akaya, hm?“ Ich zuckte kurz zusammen und sah zu dem Mann, der hinter mir stand. Es war der Typ, der León die Lösung einer Fixtion berichtet hatte.
  „Und wer bist du?“, fragte ich, etwas unhöflich.
  „Leóns Bruder, Roberto“, sagte er, verneigte sich und lächelte mich an und in dem Lächeln verbarg sich etwas, ich wusste allerdings nicht was. Er war also Leóns Bruder. Roberto Neko. Ich hatte schon von der Neko-Familie gehört. Es war die Familie, die das west- und mitteleuropäische Rudel anführte, also einen beträchtlichen Teil Europas. Und genau das machte sie zum stärksten Rudel ganz Europas, wenn nicht sogar stärker als alle Rudel der Welt. Wenn ich mich noch richtig an die Familie erinnerte, waren es der Anführer, seine Frau und ihre fünf Söhne. Zwei davon kannte ich jetzt schon.
  „Und was willst du?“, fragte ich erneut nach kurzen Nicken.
  „Ich wollte dich nur mal ansehen“, sagte er wieder mit diesem Lächeln. „León hatte schon immer ‘nen guten Geschmack.“ Ich spürte, wie sich wieder die Röte in mein Gesicht schlich.
  „Hach ja“, seufzte er weiterhin lächelnd, „ich habe gehört, mein Bruder hat sich wieder in dieses Biest verwandelt. Er hatte es noch nie unter Kontrolle.“ Er war schon mal sehr aufmunternd, so viel stand fest.
  „Und wieso redest du da jetzt mit mir drüber?“
  „Damit du vorgewarnt bist“, sagte er ernst und sein Gesichtsausdruck bewies das ganz deutlich. „Dieses Biest hatte schon immer irgendetwas gegen Vampire. Ob es an unserer Vergangenheit mit Vampiren liegt oder nicht, kann ich nicht sagen.“ Der Krieg vor ein paar Jahrhunderten hatte erhebliche Verluste auf beiden Seiten angerichtet, aber wie schon gesagt, Geschichte ist nicht meins.
  „Hm“, machte ich daher nur, drehte mich um und ging weg. Dann spürte ich eine mir sehr vertraute Präsenz und hörte seine Stimme.
  „Was hast du ihr erzählt, Roberto?“, knurrte León seinen Bruder an. Offensichtlich hatte er wirklich keine gute Beziehung zu ihm.
  „Nur das deine achte Form was gegen Vampire hat, León“, sagte Roberto. Acht?! León besaß die Macht über acht Tiere? Wie war das nur möglich? Naja, nur sieben. Das achte Tier war ja irgendein schwarzfelliges Tier mit blutroten Augen, dass keine Vampire mochte. Dank meiner Vampirsinne konnte ich ihr Gespräch noch ein wenig weiter verfolgen.
  „Halt dich von ihr fern“, knurrte León erneut.
  „Klar, was immer du willst, Bruder.“
  „Nenn mich nicht so.“ Okay, sie hatten wirklich kein gutes Verhältnis.
  „Aber es is war, Bruder“, und sein Grinsen war überall zu spüren. Dann verschwand es und ich war ein wenig erleichtert. Und jetzt spürte ich Leóns Blick auf mir. In diesem spürte ich den Beschützerinstinkt, den er hatte und irgendwie wusste ich, dass ich mich immer auf ihn verlassen konnte. Ich wusste nicht warum, aber ich spürte es im ganzen Körper. Und in meinem Herzen.

Amore Proibito - Verbotene LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt