Manuel's Wohnung sieht anders aus. Ganz anders als ich gedacht hatte. Ich hatte mit viel gerechnet, was weiß ich womit, doch damit sicher nicht. Diese Wohnung sieht eher aus wie die meiner Großmutter, anstatt der eines Studenten- falls Manuel studiert.
"Also das ist nicht meine Wohnung, sondern die meiner Mutter, Monika. Peter und Dani wohnen gerade auch hier."
"Ah, okay.", mache ich etwas hilflos. Klarer Fall von 'zu viele Informationen'.
Ich räuspere mich und sehe mich genauer im Flur, in dem wir stehen, um. Ja, das könnte durchaus die Wohnung meiner Großmutter sein, würde sie nicht in einem Seniorenheim wohnen. Die ganze Einrichtung sieht alt aus. Aber nicht auf die Art, dass sie schon Jahre alt ist, sondern der Stil der Möbel, der so komisch, ungewohnt, ist. Nicht das es schlecht aussieht, nein. Ich hätte eben nicht damit gerechnet. Damit, dass Manuel bei seiner Mutter wohnt, mit wem auch immer.
Dieser öffnet gerade die Tür mit dem Milchglas und macht eine Handbewegung- dass ich ihm folgen soll. Ich lächele und befolge seine 'Anweisung'. Der nächste Raum, eindeutig ein Wohnzimmer oder so etwas, ist ähnlich. In einer Ecke, hinter einer tiefen, weißen Abtrennung, steht ein Tisch mit mehreren Stühlen und einer Art Bank. Darauf eine Tischdecke mit einer Blume und an der Wand zwei Lampen. Eigentlich echt gar nicht so schlecht. Gemütlich, so kann man diese Wohnung mit einem Wort beschreiben.
"Cool.", sage ich und schaue zu Manuel, der an den Türrahmen gelehnt, scheinbar meine Reaktion beobachtet hat. Jetzt lächelt er auch.
"Aber eine Frage habe ich noch: Wo ist deine Mutter?"
Manuel zuckt mit den Schultern. "Weiß ich nicht, die kommt bestimmt bald. Wahrscheinlich ist sie einkaufen."
"Und dieser Peter?"
"Mein Halbbruder, der will sich mit Dani eine eigene Wohnung besorgen, aber das ist nicht so leicht, deswegen ist er bei uns."
Ich schlage Manuel noch vor, dass er mir sein Zimmer zeigen soll, aber dieser meint nur, dass wir auch hier sitzen können. Von mir aus, kein Problem. Nur, dass ich jetzt liebend gerne sein Zimmer sehen will. Nicht unbedingt seine beste Idee, das zu verweigern. Egal.
Manuel setzt sich auf die Bank, ich mich auf einen der Stühle gegenüber von ihm. Wir schweigen, mein Blick Schweif unaufhörlich durch den Raum, irgendwie versuche ich so viele Eindrücke wie möglich aufzunehmen.
"Möchtest du etwas trinken, wie wäre es mit einem Glas Wasser?", fragt mich Manuel. Ich nicke zögerlich. Dass er mich sozusagen bedient, gefällt mir nicht so gut, aber was soll's. Immerhin ist er gastfreundlich, das ist doch schon mal eine gute Eigenschaft.
Während Manuel also in die Küche geht, bleibe ich sitzen, weil er mir nichts anderes sagt. Dabei fällt mir ein Controller auf, der auf dem anderen Stuhl liegt. An sich nichts besonderes, aber irgendwas hat das. Ich nehme das Teil in die Hand und runzele die Stirn. Ich weiß nicht, wie solche Dinger normalerweise aussehen, da ich mit Computerspielen nicht am Hut habe, aber das sieht interessant aus. Auf der linken Seite ein 'Kreuz', auf der rechten farbige Tasten. Und in der Mitte die Aufschrift 'GLP'. Ich schätze mal, das ist die Marke vom Controller.
Im selben Moment in dem ich das Teil wieder zurücklege, kommt Manuel mit zwei Gläsern Wasser wieder zurück. Er schaut zu meiner Hand, die den Controller noch mit einem Finger berührt und zuckt zusammen. Sehr stark zusammen, sodass etwas Wasser aus dem einen Glas schwappt und auf dem Boden landet.
"Was machst du da?", fährt er mich an und stellt- donnert- die Gläser auf den Tisch, um den Controller an sich zu reißen.
"Ich habe nichts gemacht.", sage ich und hebe die Hände entschuldigend. Zumindest nichts, was dich so verärgern könnte, füge ich im Stillen hinzu. Manuel starrt mich nahezu wütend an.
"Was sollte das?"
"Was? Manuel, bitte, ich habe nichts gemacht!", rufe ich, verärgert über Manuel's plötzliches Verhalten. Was habe ich denn falsch gemacht? Genau, nichts. Nichts und nochmal nichts. Was hängt er auch an diesem komischen Controller, ist der irgendwie wertvoll?
"Sorry. Ich wollte dich nicht so... beschuldigen.", sagt Manuel schließlich und lässt die Schultern hängen.
"Ich... ach, das verstehst du nicht."
"Was?! Was verstehe ich nicht, hältst du mich für dumm?" Wütend stehe ich auf und werfe meine blonden Haare nach hinten. "Ich gehe."
"Melissa." Bevor Manuel noch etwas machen kann, bin ich weg. Gegangen.
Der kann mich mal! Ich bin kein dummes, naives Kind! Ich stürme die Treppen nach unten und nach draußen. Möglichst schnell weg. Ich verstehe das einfach nicht, was liegt Manuel so an diesem verdammten Controller? Seine Reaktion war, meiner Meinung nach, vollkommen übertrieben, ich habe ihn ja nur kurz hochgehoben und direkt wieder hingelegt.
Manuel ist wahrscheinlich der merkwürdigste Mensch, den ich kenne. Dabei kenne ich ihn nicht mal richtig und lange auch nicht. Einen Tag. Und schon haben wir uns gestritten. Ich bezweifele, dass das gut ist. Wenigstens habe ich jetzt endlich Zeit, meinen Vlog fertig zu machen. Bis ich zuhause ankomme, brauche ich nicht mal fünf Minuten. Wie Manuel gesagt hatte, direkt um die Ecke.
Ich schniefe laut, nicht weil ich traurig bin, sondern weil ich hoffe, die Wut, die sich in mir aufgestaut hat, so los zu werden, dann nehme ich den Schlüssel heraus und schließe die Tür auf. Als ich gerade meine Jacke abstreife, muss ich daran denken, dass vielleicht nicht nur Manuel schuld ist. Ich hätte auch anders reagieren können, sollen. Mist. Hoffentlich ist er nicht nachtragend, denn ich glaube, wir könnten Freunde werden. Ich will mehr über ihn wissen, mehr als dass er einen Halbbruder namens Peter hat oder einen Hund. Wenn es denn sein Hund ist.
Frustriert lasse ich mich auf die Couch im Sofa fallen, greife nach der Fernbedienung und flippe durch die Sender. Um mich abzulenken. So viel zum Vlog. Etwas Gescheites kommt leider trotzdem nicht, nur irgendein Müll. Da gehe ich dann doch lieber auf YouTube und schaue mir irgendwas an. In diesem Fall ein Video von LifewithMelina, Melina Sophie oder wie sie sich auch nennt. Irgendwas eben.
Das mit dem Ablenken funktioniert nicht so wie geplant, auf das Video, das ich auf dem MacBook meiner Mutter, welcher zufälligerweise auch auf der Couch lag, schaue, kann ich mich nicht konzentrieren. Ich muss an so viel gleichzeitig denken, dass ich schon fast das Gefühl habe, dass mein Kopf droht zu explodieren.
Und keiner ist da, der mir helfen kann, mich trösten oder besser als YouTube ablenken kann. Weder meine Mutter, noch Mareike. Ich bin so einsam, dass ich mir schwach vorkomme. Schwach und unbedeutend in dieser Welt. Kein schönes Gefühl, vor allem, weil ich mir nicht sicher bin, ob ich schuldig bin, wie viel Schuld ich an dem Streit wegen dieses Controllers habe. Das war doch unnötig und hätte nicht sein gemusst.
Was sagt ihr zu Manuel's Reaktion? Verständlich oder eher nicht?
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Für immer- GermanLetsPlay Fanfiction
FanfictionMelissa ist leidenschaftliche Vloggerin mit fast 400.000 Abonnenten und als sie wegen des Jobs ihres Vaters mit ihrer Familie nach Essen ziehen muss, hat sie niemanden mehr. Ihre beste Freundin ist in Magdeburg und hier, in der neuen Stadt, kennt si...