1. Kapitel - Umzug

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Das erste, was ich mache, als ich mein Zimmer im neuen Haus in Essen betrete, ist, meine Tür zuzustoßen und meine Reisetasche achtlos auf den Boden zu schmeißen. Dann schaue ich mich kurz um, bevor ich mich mit einem Seufzen wieder meiner Reisetasche zuwende.

Kamera raus und an: "Hey, Freunde da draußen! Ja, ich bin im neuen Haus und das ist auch der Grund für die schlechte Tonqualität, ich hoffe es nicht zu schlimm, aber ich muss eben noch alles einräumen und einrichten, dann wird's besser. Versprochen."

Ich lächele in die Kamera und drehe mich um mich selbst, sodass man etwas vom Raum sehen kann. So viel ist da nicht, ein Bett, Schrank und Schreibtisch, unzählige Umzugskartons, gestapelt in einer Ecke, die darauf warten, ausgepackt zu werden.

"Und jetzt gibt's erst mal einen Zeitraffer, wie ich alles einräume und so, werdet ihr gleich sehen. Und bis nach dem Zeitraffer!" Etwas zufriedener mache ich meine Kamera wieder aus und setze mich auf mein neues Bett. Mein Blick geht durch das Zimmer, das jetzt meins ist und ich kann es immer noch nicht ganz begreifen. Ich wohne jetzt hier, in Essen. Nicht mehr in Magdeburg, nicht mehr bei meinen Freunden, stattdessen in komplett ungewohnter Gegend, in der ich nichts kenne.

Das einzige gewohnt, das mit gerade bleibt, ist das Vloggen. Denn das mache ich so gut wie immer und deswegen ist es eine Art Stützpunkt in meinem Leben. Egal wo ich bin: Vloggen, mein Leben filmen und mit meinen Zuschauern teilen.

Mareike ist aber nicht mehr da. Meine beste Freundin, die ich wahrscheinlich erst in höchstens drei Monaten sehen werde. Wegen des Jobs meines Vaters. Das ist doch unfair! Mein Vater findet einen besseren Job und ich muss mitkommen. Dabei werde ich sowieso bald achtzehn und dann gehe ich sofort wieder in meine alte Heimat. In Essen habe ich nichts verloren. Bis vor ein paar Monaten war mein Leben geordnet, ich hatte einen wunderbaren Freund und den ich liebte, Freunde, die mich niemals im Stich lassen würde.

Dann die Nachricht: Mel, wir werden umziehen. Wie ein Schlag. Ich musste mich von Lukas trennen, eine Fernbeziehung käme für uns beide nicht in Frage. Also haben wir uns getrennt und der Gedanke daran, lässt mich wieder wütend werden. Wir waren über zwei Jahre glücklich zusammen und es gab keinen Grund für uns, uns zu trennen. Wir sind im Guten auseinander gegangen, aber nicht mehr zusammen. Und dafür hasse ich meinen Vater, der diesen Job angenommen hat. Auch wenn er es nur gut meinte, es hat mein altes Leben zerstört. Ich wollte kein neues haben, aber mir wurde nicht die Wahl gelassen. Andere hätten viel dafür gegeben, ich hätte viel dafür gegeben, in Magdeburg zu bleiben.

Es gab viel Streit mit meinem Eltern, Tränen, als ich das letzte Mal zu meiner Schule gegangen bin. Und das war der einzige Tag in meinem bisherigen Leben, an dem ich unbedingt am nächsten Tag wieder zur Schule wollte. Stattdessen alles einpacken, sich verabschieden, ein paar Tage später nach Essen fahren. Im Stau stehen, sich noch mehr aufregen und ein bisschen filmen. Mit Mareike tausende Nachrichten schreiben.

Jetzt stehe ich hier, mit meiner geliebten Vloggingkamera, in einem Zimmer, dass ich nicht kenne. Mit Umzugskartons, vollgepackt mit meinen Sachen. Noch eine schlechte Sache am Umziehen: Erst muss man sein ganzes Zimmer leer räumen und danach wieder alles auspacken.

Ich sehe mich nach einem geeigneten Platz um, wo ich meine Kamera hinstellen könnte und werde schnell fündig. So viele Möglichkeiten zum Hinstellen gibt es nämlich nicht. Ich nehme einfach die Fensterbank, von dort aus sollte man alles sehen können.

Dann mache ich sie wieder an und gehe zu den Umzugskisten bei der Tür. Darin müsste theoretisch meine Kleidung drin sein. Ich hebe den obersten Karton herunter und mache ich ihn auf. Genau, Kleidung, wie ich es vermutet hatte. Ich hole die T-Shirts heraus und entdecke ganz oben sogar ein T-Shirt mit dem YouTube-Logo. Was ein Zufall. Grinsend gehe ich damit zur Fensterbank und zeige es in die Kamera, zeige einen Daumen hoch, bevor ich es provisorisch in eines der Schrankfächer lege.

YouTube ist ein wirklich wichtiger und unverzichtbarer Teil meines Lebens, ohne Videos zu drehen und zu schneiden, wäre ich wohl so fröhlich. Wie mit der Schokolade. Ohne geht auch, ist aber nicht halb so toll. Seitdem ich vor etwa anderthalb Jahren angefangen habe relativ regelmäßig Videos zu machen, habe ich mir eine echt große Community angesammelt, auf die ich mega stolz bin, so etwas kann schließlich nicht jeder von sich behaupten. Bei den Gedanken daran verbessert sich meine Laune wieder etwas, die Tatsache, dass ich noch so viel auszupacken habe, lässt mich nicht ganz so euphorisch sein.

Das ist so ein Aufwand und ich kann nicht mal alles einsortieren, weil mir noch zwei Schränke fehlen, die wir noch aufbauen müssen. Und das schaffe ich nicht alleine, zudem liegen die Einzelteile in der Garage und ich will die jetzt nicht hochholen.

Eine Stunde später habe ich noch nicht mal die Hälfte fertig, meine schon von Anfang an nicht vorhandene Motivation lässt auch nach. Obwohl sie nie da war. Also beschließe ich, eine Pause zu machen und zu warten, bis meine Eltern mit dem was sie machen- irgendwas wichtiges in der Küche- fertig sind und mir mit den Schränken helfen können.

Mit zwei großen Schritten gehe ich zur Kamera und mache sie mal wieder aus, zumindest bis ich weiter auspacken werde. Vorher muss ich mich aber anders beschäftigen. Die Frage ist nur wie. Mir fällt ein, dass ich die nächsten zwei Wochen Ferien habe- Osterferien-, also wie meine Mutter meinte: "Dann hast du genug Zeit, dich einzugewöhnen."

Als ob ich das wollen würde. Und zwei Wochen ohne Schule erscheinen mir gerade echt nicht sonderlich schön. Mit Mareike oder irgendwem von meinen anderen Freunden vielleicht, aber ich kenne niemanden hier. Was soll ich also machen können, ganz alleine?

Ich lasse mich auf mein Bett fallen, um nachzudenken. Ich kenne mich hier nicht aus, in meinem Zimmer habe ich gerade nichts zu tun und Mareike kann gerade nicht mit mir schreiben, weil sie noch lernen muss. Lukas hat Fußball und mit dem habe ich momentan sowieso nicht so viel Kontakt. Mist, mir ist langweilig. Schon jetzt. Wie soll das denn weitergehen.

Ich schnipse einen Fussel vom Bettlaken und überlege weiter. Vielleicht sollte ich einfach rausgehen, mich umschauen. Und mit etwas Glück finde ich sogar jemanden, mit dem ich mich beschäftigen könnte. Das klingt doch nach einen Plan. Einem vielversprechenden Plan.

Etwas besser gelaunt stehe ich auf, werfe einen Blick zur Kamera und entscheide, dass es sich nicht lohnen würde, die mitzunehmen. Ich will mich schließlich nur kurz umschauen. Treppen nach unten, Schuhe und Jacke an, abwägen, ob ich den Haustürschlüssel einstecken sollte. Nein, eher nicht. Meine Eltern sind ja da.

Draußen kommt mir ein kalter Wind entgegen. Typisch Frühling. Die Sonne scheint, aber es ist kalt und etwas windig.

Mehr oder weniger planlos gehe ich eine Straße entlang und biege links ab. Von dort schaue ich noch mal zurück, ich will mich nicht verirren. Es ist erstaunlich wenig los, sogar für einen Sonntagnachmittag. Mir kommt nur ein Auto entgegen, sonst sehe ich niemanden. In Magdeburg haben wir auch nicht direkt in der Stadt gewohnt, sondern am Stadtrand, bei Diesdorf. Selbst da war eindeutig mehr los.

Schließlich bleibe ich stehen, am Feldrand in einer Einfahrt, wo nur noch wenige Häuser stehen. Ganz nett eigentlich. Von hier kann ich einen kleinen Wald sehen und rechts noch mehr Häuser. Weiter links eine Straße- und Häuser, aber weiter weg. Sollte ich mir merken.

In Gedanken versunken merke ich nicht, dass hinter mir jemand sagt: "Hey." Ich zucke zusammen und drehe mich um. "Du bist neu hier, dich kenne ich gar nicht."

Wer das wohl ist, am Ende des Kapitels... Ich würde fast sagen, dass das offensichtlich ist, haha

Ansonsten freue ich mich immer über Kommentare, Votes und so und bis zum nächsten Kapitel in ein paar Tagen!

Für immer- GermanLetsPlay FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt