Kapitel 24

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Sekunden wurden zu Minuten. Minuten wurden zu Stunden. Stunden wurden zu Tage und Tage wurden zu fast zwei Wochen. In diesen zwei Wochen bin ich nicht schlauer aus den Akten geworden, auch aus den Akten, die mir Liu auf meine Wünsche mitgebracht hatte. In diesen zwei Wochen hatte ich wenig zu machen und auch wenige Besucher. Hauptsächlich Liu, aber manchmal kam auch Mom. Doch mit ihr hatte ich nicht so viel geredet bis das, das mich Ginas Eltern als Mörder bezeichnet. Dass sie mich für den Tod ihrer Tochter verantwortlich machen, aber sie hatten ja auch nicht ganz unrecht. Ich war schon an dem Tod von Gina verantwortlich. Ohne mich wäre sie niemals zu der Psychiatrie gefahren und ohne mich hätten wir niemals diesen Unfall gehabt, aber sie waren auch teils im Unrecht. Ich war nicht ganz alleine an ihrem Tod schuld, denn es gab auch noch eine gewisse Person mit eisblauen Augen, welche wunderschön aber auch zugleich heimtückisch und wahnsinnig waren. Doch ich verschwieg ihn gegenüber meiner Mutter und den Polizisten, welche mich über den Unfall befragten. Ich lenkte die ganze Schuld auf mich. Wieso wusste ich selber nicht, aber ich hatte so ein Gefühl, dass es das einzig richtige sei. Wer würde mir bittschön glauben, dass ein paar Creepypastafiguren existieren, vielleicht sogar auch alle?

Heute war der Tage meiner Entlassung aus dem Krankenhaus. Nur mit Gips an einem Arm und an einem Bein und mit Krücken stand ich vor dem Eingang des Krankenhauses und wartete aus Mom. Bei meiner Entlassung hatte ich das Gefühl unteranderem, dass die Ärzte und Krankenschwestern mich endlich los werden wollten und das ich die ganze Zeit beobachtet wurde, aber vielleicht liegt es daran, dass ich so langsam aber sicher paranoid wurde.

Immer noch nicht war Moms kleinen grünen Smart nirgends zu sehen, also humpelte ich mit Hilfe der Krücken zu einer Bank am Straßenrand und setzte mich leicht erschöpft hin. Es war nicht gerade einfach sich mit Krücken und Gips am Körper fortzubewegen, aber wieso gaben sie mir einfach keinen Rollstuhl? Das wäre doch für mich viel einfacher. Vorsichtig stellte ich die Krücken neben mir ab und blickte starr geradeaus, außer es lief jemand an mir vorbei, dann blickte ich erwartungsvoll auf, wurde aber sofort wieder enttäuscht. Doch das war nicht das einzige enttäuschende in dieser Woche. Vor ein zwei Tagen kam Mom mich wieder besuchen und ich erhoffte, dass Lily auch dabei sei. Doch sie war wie die davorigen Male nicht dabei. An diesem Tag nahm ich mir auch den Mut zusammen und fragte nach. Die Antwort bekam ich nach ein bisschen Gejammer und sie war nicht gerade erfreuend. Wiedermal hatte die Eltern von Gina was damit zu schaffen und dieses Mal verboten sie mit Hilfe von Gerichten, dass ich Lily nicht besuchen darf und anders herum auch nicht. Das Sorgerecht viel auf die Eltern obwohl eigentlich ich das Sorgerecht bekommen hätte, aber irgendwie hatten sie es geschafft mich so da stehen zu lassen, dass ich unfähig für ein Kind sei es groß zu ziehen. Aber woher wollten sie es wissen? Schließlich war ich schon vierundzwanzig und sie waren nie zu Besuch bei mir und Gina, als könnten sie es nicht wissen. Doch ich wollte mich nicht dagegen auflehnen. Zum einen fehlten mir die Zeit dazu und zum anderen die Kraft.

Seit kurzen fühlte es sich an, als wären meine Tage gezählt und ich wurde unbewusst immer hibbeliger bis mich Liu und meine Mom darauf aufmerksam machten. Ich versuchte es so gut es ging zu unterdrücken, aber ich schaffte es einfach nicht. Immer fing ich an irgendwo herum zu fummeln oder schaute mich permanent um. Ich wusste nicht wieso und warum. Ist es wegen Jeff? Suche ich meine Gegend nach Jeff ab oder nach meinem Tod? Ist Jeff mein Tod oder vielleicht ist er meine Rettung...

Verzweifelt atmete ich einmal tief durch und schloss kurz meine Augen bevor ich sie wieder öffnete als ich Schritte näher kommen hörte. Ohne viel Erwartung darauf, dass es Mom war blickte ich auf und tatsächlich. Es war nicht meine Mom, sondern eine Frau mit einem kleinen braunhaarigen Mädchen an der Hand. Das kleine Mädchen trug weißes Winterklammotten und hüpfte fröhlich in dem Schnee herum, während die Frau im grünen Mantel sie immer wieder zu sich rief. Nur am Rande bekam ich den Namen von dem Mädchen mit, während ich mir meine kalten Hände rieb und sie anhauchte. Lucy, was für ein schöner Name., dachte ich und blickte zu der Frau hinter den beiden. Diese trug einen schwarzen Wintermantel und kam mit schnellen Schritten auf mich zu.

Mit einem sanften Lächeln begrüßte ich meine Mom, welche sich neben mich hingesetzt hatte.

»Na, mein Engelchen. Wie geht es dir?«, fragte sie mich sanft und nahm mich in ihre Arme. Ich lächelte in die Umarmung und fühlte mich für einen Moment sicher und geborgen. Vor der Welt, vor Jane, Jeff und Liu. Ich fühlte mich einfach vor alles geborgen und beschützt.

»Hey, Mom.«, murmelte ich in ihren gelben Scharl. »Den Umständen entsprechend gut. Können wir nach Hause? Mir ist kalt.« Mit einem Nicken gab mir Mom zum Verständnis, dass wir jeder Zeit gehen könnten. Also schnappte ich mir meine Krücken und humpelte zum Auto. Mom lief mir lachend hinterher und half mir beim einsteigen. Für diesen Moment war alles vergessen und ich fühlte mich frei von der Last welche ich auf meinen Schultern trug.

Nach einer kurzen Zeit später und nachdem meine Krücken und ich im Auto verstaut waren, fuhr sie los in Richtung Innenstadt. Meinen Kopf legte ich auf das Fenster und mit meiner freien Hand umklammerte ich die Tasche, in der alle meine Habseligkeiten aus dem Krankenhaus drinnen waren und die ganzen Akten. Während der Fahrt zu meiner Wohnung redeten wir über Gott und die Welt und sangen aus Spaß bei ein paar Weihnachtsliedern mit, welche im Radio liefen. Dieser Moment zauberte mir nach langen ein Lächeln auf meine Lippen und selbst Mom genoss die Zeit. Doch leider hielt der Moment nicht sehr lange, denn wir kamen relativ schnell bei meiner Wohnung an. Mom ließ mich gleich vorm Eingang raus und ich humpelte die ganze Treppe hoch, da dieses Hochhaus zu meinem Bedauern keinen Fahrstuhl besaß und auch wenn wir im dritten Stock wohnten war das Treppensteigen für mich anstrengend.

Nach einer mühsamen Wanderung kam ich endlich vor der Wohnungstür an und betrat diese. Ich blieb im Türrahmen stehen und atmete die gewohnte Luft der Wohnung tief ein bevor ich bemerkte, dass es hier etwas muffelte und um wenigstens etwas zu lüften musste ich mich wieder auf eine anstrengende Wanderung begeben. Dieses Mal war jedoch mein Ziel das Wohnzimmer. Vorbei an der Garderobe und weiter zur Tür des Wohnzimmers. Davor blieb ich kurz stehen und machte die Tür mit dem Ellenbogen meines unversehrten Arms auf. Schwungvoll trat ich die halb geöffnete Tür auf und humpelte zur Couch. Kurz davor ließ ich meine Krücken fallen und ließ mich vornüber auf die Couch plumpsen. Ein stechender Schmerz durchfuhr meinen ganzen Körper und ließ mich augenblicklich zusammen zucken. Verdammte Scheiße!, dachte ich unter Schmerzen. Warum haben sie mir kein Schmerzmittel mitgegeben? Das könnte ich jetzt nämlich gut gebrauchen.

Irgendwie schaffte ich es mich auf den Rücken umzudrehen und verstreute etwas Schnee auf den Boden und auf die Couch, welcher jedoch schnell schmolz und Pfützen hinterließ. Es sah aus, als hätte es im Wohnzimmer um die Couch herum geregnet. Erschöpft lag ich da und starrte die Decke an. Immer noch trug ich meinen roten Wintermantel, welcher Mom mir mitbrachte, und meine schwarzen Winterstiefel. Die Umhängetasche mit den ganzen Sachen hatte ich auch noch nicht abgelegt, aber dazu war ich für diesen Moment einfach zu faul. Mein Blick, welcher der Decke galt, wurde immer kälter bis es zu einem Pokerface wurde. Ich bereitete mich auf eine lange Zeit ohne Lily vor und auf die nächsten Runden von Jeffs Spiel. Wahrscheinlich würde er mich auch in diesen Zustand nicht verschonen, aber was hab ich auch anders erwartet? Er ist schließlich Jeff the Killer. Ein verrückter Psychopath, welcher wahrscheinlich keine Gefühle hat. Warum kann er nicht einfach der gutherzige Psychopath aus vielen FanFiction sein? Da wäre mein Leben auf jeden Fall um einiges einfacher und nicht so schmerzhaft.

Ein leiser Seufzer schaffte es über meine Lippen, wurde jedoch durch ein Klopfen an meiner Wohnungstür unterbrochen. Ich nahm in dem Moment an, dass es meine Mom war also rief ich, dass sie reinkommen könnte und kurz darauf hörte ich dumpfe Schritte, jedoch hörten sie sich nicht nach Moms Schritten an. Aus reiner Neugierde versuchte ich mich so gut es ging aufzusetzen, was daraus wurde, dass ich halb sitzend und halb liegend schräg auf der Couch befand. Meinen Blick auf die Tür gerichtet, welche von einer Person durchschritten wurde, welche ich hier am wenigsten erwartet hatte. Verdattert schaute ich zu der Person in schwarzen Klammotten und mit schwarzen Haaren.

Was macht er hier?



Lied: Brave Enough ~ Lindsey Stirling feat. Christina Perri

Sleep, my BeautyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt