Ich hörte nur meinen eigenen, rasselnden Atem, der durch die Dunkelheit hallte. Ob ich wach war oder träumte wusste ich nicht, da ich mich nicht rühren konnte.
„Kain?" Die Frauenstimme kam mir entfernt bekannt vor, aber konnte ich nicht feststellen, woher sie kam oder warum sie mir so bekannt war. Plötzlich schlug ich die Augen auf, als der pochende Schmerz in meinem Gesicht stärker wurde. Der Raum um mich herum wurde durch grelle Neonleuchten gleißend hell erleuchtet, was durch die weiß gestrichenen Wände und den hellen Bodenbelag verstärkt wurde. Ich lag auf einem weichen Bett mit schneeweißen Bezügen und ich war mir sicher, dass ich noch nie so bequem gelegen hatte auch wenn das Zimmer um mich steril und trist wirkte. Metalltischchen mit verschiedenen medizinischen Hilfsmitteln und Geräten standen um das Bett verteilt, doch schienen sie keinen rechten Nutzen in diesem Moment zu haben. Isabella, ja, ich erinnerte mich an den Namen der schwarzhaarigen Frau, gekleidet in eine blaue Bluse, einem schwarzen Blazer und einer ebenso schwarzen Hose. Sie lächelte mich an.
„Kain, Sie sind wach", stellte sie fest und setzte sich auf die Bettkante.
„Anscheinend", murmelte ich und versuchte mein Gesicht zu betasten.
„Lassen Sie das besser", riet sie mir und packte mich am Handgelenk.
„Wieso? Was ist mit meinem Gesicht?"
„Tut es sehr weh."
„Weh tun ist gar kein Ausdruck", erwiderte ich leise.
„Ihre Nase ist gebrochen."
„Was?", fragte ich entsetzt und wollte meine Nase befühlen, hielt aber im letzten Moment inne. Dann erinnerte ich mich. Dieser Typ.
„Wer war das? Und wieso?"
„Curry ist für die physische Aus- und Weiterbildung der Teilnehmer verantwortlich. Er ist manchmal etwas impulsiv", erklärte sie und knirschte mit den Zähnen.
„Impulsiv? Irre würde ich sagen", knurrte ich.
„Eigentlich ist er ganz okay", verteidigte Isabella ihn.
Mit hoch gezogenen Augenbrauen musterte ich sie und setzte mich vorsichtig auf.
„Ich kann hier nicht bleiben."
„Sie haben sich verpflichtet, hier zu bleiben", entgegnete Isabella mit einem mitleidigen Blick.
„Aber... ich kann nicht bleiben", ich schwang die Beine vom Bett herunter und saß so aufrecht neben ihr, „Mein Bruder braucht mich."
„Für die Dauer des Projektes bleiben Sie hier, Kain. Verstehen Sie doch. Dieses Programm unterliegt strikter Geheimhaltung und wir können nicht riskieren, dass Informationen durchsickern."
Übellaunig starrte ich den Boden an ohne etwas zu sagen und dachte an Tobias, der wahrscheinlich seit Stunden auf mich wartete.
„Das wird schon", versuchte sie mich aufzumuntern und legte mir einen Arm um die Schultern. In diesem Moment wurde die Tür uns gegenüber geöffnet und ein klein gewachsener Mann mit blonden, zurück gekämmten Haaren und fast schwarzen Augen betrat den Raum. Er war in einen weißen Kittel gekleidet unter dem er ein graues Hemd und eine Blue Jeans trug. In seiner Hand hielt er eine Mappe, wahrscheinlich meine Akte, die er nach einem prüfenden Blick öffnete und nachlas.
„Kain Archer?"
„Ja?"
„Mein Name ist Mikael Sørenstrøn. Ich bin leitender Forscher in diesem Institut. Ihr Nasenbruch war schwerwiegend, aber keine Sorge: Es wird gut zusammenheilen."
„Immerhin eine gute Nachricht", murmelte ich.
„Ist mit Ihnen alles in Ordnung, Kain? Sie wirken angespannt, etwas gestresst."
„Gestresst ist gar kein Ausdruck", zischte ich etwas zu genervt.
„Ich habe gehört, was passiert ist. Es tut mir leid, dass Sie nicht informiert worden sind. Normalerweise gehen wir mit den Teilnehmern den Ablauf genau durch. Irgendetwas ist da wohl schief gelaufen. Ich kann nur hoffen, dass dies kein allzu großes Problem für Sie ist", erwiderte er mit sanfter, beruhigender Stimme.
„Haben Sie mitbekommen, was passiert ist?"
„Sie sind ein wenig ausgerastet, haben versucht, das Programm zu verlassen."
„Danke für die Erinnerung. Haben Sie den Teil noch mitbekommen, an dem ein Irrer mit die Nase gebrochen hat?"
Ich sah spottend zu ihm auf, doch wirkte der Arzt immer noch ruhig und gelassen und lächelte warm.
„Herr Mclaine ist manchmal etwas, wie soll ich es ausdrücken? impulsiv, aber man lernt mit ihm umzugehen. Genug zu Mclaine: Machen Sie bitte Ihren Arm frei. Ich werde Ihnen erst Blut abnehmen." Routiniert schob ich den Ärmel nach oben und hielt ihm den Unterarm hin, dessen Armbeuge Mikael mit einem kalten Tuch desinfizierte und schließlich zwei Ampullen mit meinem Blut füllte. Ich ließ es ohne zu zucken über mich ergehen und konnte meine Freude fast nicht verbergen, als er die Kanüle endlich aus meiner Vene zog. „Gut, vielen Dank, Kain", sagte er freundlich und klebte an einem der an der Wand angebrachten Tische Etiketten an die Gläschen, auf der eine Nummer notiert war. Neugierig lugte ich über seine Schulter und las die Zahl 13211. Diese Zahl sagte mir überhaupt nichts.
„Was soll die Zahl?", fragte ich zaghaft und verursachte eine leises Lachen des Doktors.
„Das ist Ihre Teilnehmernummer, Kain." Er griff in eine Schublade und holte eine weitere Spritze hervor, die mit einer durchsichtigen Flüssigkeit gefüllt war.
In der Befürchtung eine Impfung über mich ergehen zu lassen, erkundigte ich mich und bekam die Antwort, die ich nicht hören wollte.
„Gegen was ist diese Impfung?"
„Gegen verschieden Krankheiten, die hier häufig auftreten können", wich er der Frage aus.
„Zum Beispiel?", befragte ich ihn weiter in der Hoffnung einer weiteren Spritze zu entkommen, aber Mikael schüttelte nur leicht den Kopf. Sein Lächeln war verschwunden, genau wie seine freundliche, warme Art, die er davor gezeigt hatte.
„Ich werde den anderen Arm nehmen", erklärte er mir, „Bitte krempeln Sie den Ärmel nach oben."
Ich befolgte seine Bitte und entblößte meinen Oberarm. Als hätte er nie etwas anderen gemacht, tupfte er einen Bizeps ab und injizierte mir die klare Flüssigkeit.
Meine Adern begannen zu brennen.
„Tut es weh?"
„Ein bisschen", murmelte ich und strich mir mit der linken Hand über die Stelle, wo die Nadel eingedrungen war.
„Das ist normal", versicherte er mir und zwinkerte mir zu, „Legen Sie sich hin. Ruhen Sie sich aus. Es ist schon ziemlich spät. Morgen beginnt das Projekt und Sie bekommen eine erneute Einführung in das Institut."
„Wie lange war ich denn weggetreten?", fragte ich verwirrt und sah mich vergeblich nach einem Fenster um.
„Ein paar Stunden nur."
„Bitte, Herr Sørenstrøn, lassen Sie mich gehen. Ich kann meinen Bruder nicht alleine lassen."
„Es tut mir leid, Kain, ich kann nichts für Sie tun", erwiderte er mit einem mitleidigen Blick und verließ den Raum mitsamt den Blutproben.
DU LIEST GERADE
Das Alpha-Programm ❖Pausiert❖
Paranormal"Ich wollte nicht weg. Ich wollte zu Tobias. Ich hatte ihm doch ein Essen versprochen. Aber Isabella manövrierte das Auto zielsicher auf die Landstraße auf der sie richtig Gas gab und so noch mehr Distanz zwischen mich und meinen Bruder brachte." Ei...