Kapitel 11

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Es war Freitagmorgen, eigentlich sollte ich ein Dauergrinsen in meinem Gesicht haben doch davon war keine Spur zu sehen. Noch nicht. Erst als ich daran denken musste, dass ich heute wieder zu Phil gehen würde, schob sich ein Hauch von einem Lächeln in mein Gesicht.
Ohne etwas zu essen oder zu sagen lief ich los.
In der Schule redete ich kein Wort mit Moritz. Er war sauer und würdigte mich keines Blickes. Dieser Schultag war der schlimmste seit langem. Ich stand in den Pausen alleine irgendwo in einer Ecke. In diesem Moment fühlte ich mich so fehl am Platz. Wie eine unbesetzte Rolle in irgendeinem Schnulzendrama.

Als ich auf dem Weg zu Phil war, bemerkte ich dass der Schnee, der vor ein paar Tagen noch die ganzen grünen Flächen bedeckt hatte, geschmolzen war und sich in eine braune Matschepampe verwandelt hatte, die ich jetzt überall an meinen Schuhen kleben hatte.
Nervös hielt ich Phils Stein in der Hand. Ich versuchte mir die Worte, die ich sagen würde ein wenig zu recht zu legen, doch letztendlich fand ich doch alles  doof. Zu kindisch, zu schüchtern, zu albern.
Irgendwie wünschte ich mir der Weg zu ihm würde noch ewig gehen als ich wiederwillig in die Einfahrt einbog.
Ich hätte auch einfach umdrehen können, doch ich wusste dass Bella stolz auf mich wäre und das ich es nur mit Phils Hilfe schaffen könnte.
Langsam, ganz langsam bewegte ich meinen Körper zu der Haustüre. Dann drückte ich die Klingel. Mein Herz hämmerte.
Nach einer Minute, ich hatte schon gehofft es würde niemand auf machen, öffnete jemand die Tür.
Phil.
Erst schaute er mich verblüfft an, doch dann lächelte er.
„Was machst du denn hier?“ Seine Stimme lies mich noch nervöser werden.
„Äh, ich wollte dir dein Stein zurück bringen.“ Die Spinne würde ich später noch erwähnen. 
„Oh danke. Komm doch erst mal rein.“ Er winkte mich mit der Hand in sein Haus und ich folgte ihm.
Anscheinend war niemand sonst zu Hause, denn es war mucksmäuschenstill, sodass man das Ticken der Uhr aus der Küche hören konnte.
„Warum sind deine Eltern nie zu Hause?“, platzte es ungewollt aus mir heraus. Doch diese Frage lag mir schon seit meiner zweiten Nachhilfestunde auf den Lippen.
„Das ist eine komplizierte Sache.“, sagte er während er die Treppe zu seinem Zimmer hoch lief. Ich hatte meine Jacke unten ausgezogen und an die Garderobe gehangen bevor ich ihm folgte.
„Mein Vater ist einer der Geschäftsleiter in einer riesigen Fernsehproduktionsfirma, die ihren Hauptsitz in London hat. Deshalb ist er unterhalb der Woche dort und nur am Wochenende zu Hause. Und meine Mutter ist Anwältin und auch so gut wie den ganzen Tag mit ihrer Arbeit beschäftigt.“Er lachte, obwohl ich das eher traurig als lustig fand.
Wir waren nun in seinem Zimmer und ich wunderte mich, das es hier immer so ordentlich war.
„Und was machen deiner Eltern so?“, fragte er lachend und gab mir eine Geste das ich neben ihn sitzen solle. Ohne zu zögern nahm ich neben ihm Platz.
„Willst du das wirklich wissen?“, fragte ich ungläubig und lachte.
„Warum nicht.“ Er lehnte sich zurück.
„Na schön. Mein Vater ist Journalist und arbeitet in der Redaktion unserer Stadtzeitung und meine Mutter ist gerade in Mutterschutz weil sie noch ein Baby bekommt.“ Das Wort Baby lies mich schon wieder wütend werden, weil ich mir dachte Phil würde jetzt auch wie alle anderen nur fragen zu dem Kind in Mamas Bauch stellen. Doch stattdessen schaute er mich nur grinsend an.
„Was ist?“, fragte ich verwirrt.
Er schüttelte leicht den Kopf.
„Weist du was? Seit unserem ersten Treffen bist du viel anders geworden. Du redest jetzt auch mal etwas ohne das man dich auffordern muss.“ Er lachte als er merkte wie peinlich mir seine Aussage gerade war.
Jetzt erst merkte ich, das ich ihm wirklich eine Frage gestellt hatte und mich mit ihm unterhalten hatte, ohne das mein Herz sich all zu schnell beschleunigte.
Ich musste grinsen. Mir fiel ein warum ich eigentlich da war.
„Phil?“, fragte ich erst, weil es blöd gewesen wäre wenn ich gleich mit der Spinnensache angefangen hätte.
„Mhh?“, machte er während er sich in einem Auge rieb.
„Du hast doch eine Spinne oder?“ Zum Ende des Satzes hin wurde meine Stimme immer leiser.
„Ja, willst du sie sehen?“ Er merkte an meinem Gesichtsausdruck dass ich von dieser Frage nicht begeistert war und fing wieder an zu lachen.
„Weist du, ich habe schon länger Angst vor Spinnen und ich habe mich entschlossen, sie wenigstens einmal anzufassen. Vielleicht würde meine Angst dann ein wenig verschwinden.“ Nicht ganz die Wahrheit, aber ich konnte ihm schlecht von Bellas Wünschen erzählen. Das wäre viel zu zeitaufwendig.
„Klar komm mit.“ Er lief voraus, ich hinterher.
Wenn er nur wüsste wie viel Überwindung mich das alles hier kostet.
Tief atmete ich ein und aus, während mein Herz auf Hochtouren pumpte.
Wir liefen in das Arbeitszimmer und als ich nun vor dem Terrarium stand, hätte ich schwören können mein Herz würde jeden Moment aussetzten.
Langsam öffnete er den Deckel der Glasvitrine und lies vorsichtig die Vogelspinne auf seine Hand laufen. Mein Herz hämmerte gegen meinen Brustkorb und meine Füße setzten automatisch zwei Schritte zurück.
„Keine Angst“, sagte Phil so beruhigend wie möglich während er sich mit der Spinne in der Hand zu mir drehte.
Ich versuchte mich zu beherrschen, doch der Schweiß stand mir auf der Stirn und ich fragte mich auf was ich mich eigentlich hier eingelassen habe.
Ich hatte Angst. Panische Angst.
Kurz schloss ich meine Augen. Phil bemerkte es ist, er war damit beschäftigt die Spinne auf seiner Hand zu halten.
Ich dachte daran, wie stolz Bella auf mich wäre wenn ich jetzt diesen Schritt wagen und die Spinne anfassen würde. Im Moment war mir nur wichtig was Bella denken würde, Moritz und meine Eltern waren mir egal.
Laut pustete ich die eingeatmete Luft wieder aus und nahm all meinen Mut zusammen.
Phil kam einen Schritt auf mich zu.
„Bereit?“, fragte er.
Ich nickte und wollte gerade meine Hand nach der Spinne ausrichten, als sie sich bewegte. Ruckartig zog ich meine Hand zurück und lief zum anderen Ende des Zimmers, wo ich mich an die Wand presste.
„Ich kann das nicht.“ Mir war warm und kalt zugleich und ich fragte mich wer solche Tiere überhaut mag.
„Komm schon. Sie tut dir nichts. Ich bin für dich da. Na los.“ Er schaute in meine Richtung und unsere Blicke trafen sich.
‚Ich bin für dich da‘, hatte er gesagt. Diese fünf Worte bewirkten in mir einen Mut den ich noch nie zuvor hatte. Ich ging wieder auf ihn zu, streckte meinen Arm ohne irgendetwas zu sagen aus und versuchte langsam die Spinne zu ertasten während ich meine Augen extrem zusammenkniff.
Als ich den langen haarigen Rücken der Vogelspinnen unter meinen Fingern bemerkte zog ich meine Hand wieder zurück. Phil strahlte mich an und ich musste auch lächeln.
„Du hast es geschafft“, sagte er leise um die Spinne nicht zu erschrecken.
Ja ich hatte es wirklich geschafft und das hatte ich alles nur ihm und das was er gesagt hatte zu verdanken.
Ich zückte mein Handy und machte ein Foto während ich die Spinne nochmal kurz anfasste.
Er setzte sie zurück in ihre Vitrine und ich musste schonwieder lächeln.
„Danke“, sagte ich als er sich wieder in meine Richtung drehte.
„Kein Problem.“ Er grinste und erst jetzt bemerkte ich wie nah er bei mir stand.
Aus Reflex wich ich ruckartig zurück, worauf er lachte.
„Keine Angst ich hab die Spinne nicht mehr bei mir“, lachend verlies er das Zimmer.
Mist. Ich schlug mir leicht mit der Hand gegen die Stirn und folgte ihm dann.
Wir liefen runter ins Wohnzimmer.
„Den Stein kannst du behalten. Ich glaube du hast ihn manchmal nötiger als ich.“ Er lächelte während er mir den Stein so wie letztes Mal in die Hand legte.
Dann zückte er sein Handy und reichte es mir.
„Wenn du willst, kannst du mir deine Nummer geben. Damit du nicht immer zu mir kommen musst wenn ich dich etwas fragen will.“ Er zwinkerte mir kaum bemerkbar zu.
„Gerne“, antwortete ich und tippte hecktisch und mit zitternden Fingern meine Nummer ein.

Ich beschloss nicht nach Hause zu gehen, als ich mich nach einer viertel Stunde von Phil verabschiedet hatte, und ging.
Der Himmel war grau und es dämmerte schon ein wenig.
Ich lief zum Weihnachtsmarkt auf dem meine Tante arbeitete. Kurz vor ihrem Stand sah sie mich und winkte mir überrascht zu.
„Was machst du denn hier?“, fragte sie und schloss mich, als ich neben ihr angekommen war, in ihre Arme.
„Ich habe gedacht ich statt meiner Tante mal einen Besuch ab, wenn ich gerade sowieso nichts Besseres zu tun habe.“ Ich grinste.
„ Das freut mich aber.“ Sie lachte laut auf.
Ich setzte mich auf einen Hocker und wir redeten während keine Kunden kamen. Ich liebte die Gespräche mit Amanda. Sie war einfach die beste Zuhörerin die ich kannte. Ich erzählte ihr das ich meine Angst vor Spinnen heute etwas überwunden hatten. Sie war begeistert und lobte mich fröhlich. Manchmal wünschte ich mir meine Mutter hätte nur ein kleines bisschen ihres Charakters.
Nach einer Weile sah ich Moritz mit seinen Freunden und ein paar Mädchen. Sie waren etwas weiter entfernt und ich hoffte Moritz würde mich nicht sehen. Auf ihn hatte ich überhaut keine Lust.
Amanda kannte ihn gut und sie mochte ihn sehr.
So unauffällig wie möglich drehte ich mich mit dem Hocker etwas seitlich und versuchte mich hinter den großen Lebkuchenherzen die dort hingen zu verstecken.
Amandas Blick schweifte durch die Gassen des Marktes und natürlich blieb Moritz Anwesenheit nicht unentdeckt.
„Ach, da ist ja Moritz.“, sagte sie laut, winkte heftig und rief seinen Namen als er gerade an unserem Stand durchlief.
Er blickte sofort in unsere Richtung und grüßte meine Tante mit einem freundlichen Lächeln. Dann schweiften seine Augen in meine Richtung. Sein Lächeln verschwand. Ein paar Sekunden heftete sein ausdrucksloser aber dennoch böser Blick auf mir. Dann lief er weiter.
„Habt ihr euch gestritten?“, fragte Amanda mich, während sie sich auf den Hocker neben mir nieder lies.
„Nicht direkt.“ Im Fragen stellen war sie genauso wie meine Mutter. Hartnäckig und unaufhaltsam.
„Das sah aber, seinem nach Blick zu urteilen, ganz anders aus.“ Sie lachte kurz künstlich auf während mein Kopf an die Seitenwand kippte. Ich hatte wohl keine andere Wahl mehr, als es ihr zu erzählen, auch wenn sich alles dagegen sträubte. Ich hasste es über meine Problemen zu reden.
„In letzter Zeit ist er komisch. Weist du…“, ich zögerte kurz, jetzt musste ich wohl Phil erwähnen, „es gibt da einen Jungen. Er heißt Phil. Und naja ich mag ihn.“ Die letzten Worte lies ich immer leiser werden in der Hoffnung sie hätte es nicht gehört.
Aber ganz im Gegenteil. Sie setzte ihr größtes Grinsen auf.
„Erzähl nur weiter.“, sagte sie lachend.
„Wenn’s sein muss. Also in letzter Zeit habe ich öfters etwas mit Phil zu tun. Seitdem bin ich viel  fröhlicher geworden. Aber Moritz denkt Phil ist kein guter Umgang für mich, weil er anscheinend jedes Mädchen verarscht. Ja ich geb zu, er ist beliebt. Sehr sogar. Aber das ist noch lange kein Grund das Moritz in Beleidigen darf.“ Am Ende dieses Satzes wurde ich lauter.
„Mh.“ Amanda kratzte sich hinterm Ohr. „Ich glaube nicht nur dass es daran liegt dass er denkt dieser Phil könnte dich verarschen.“, sie kratzte sich wieder, „Weist du was ich glaube?“
Verwirrt schüttelte ich den Kopf.
„Ich glaube Moritz ist schlicht und einfach Eifersüchtig auf Phil.“

 Lysell <33

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