Langsam zog ich mir meine Schuhe an. Moritz hatte mir gestern Abend, als ich von Phil zu Hause war, noch geschrieben. Er fragte mich, ob ich am nächsten Tag, also heute, mit dem Wunschbuch zu ihm kommen wollte.
Ich verließ unser Haus und ging schnellen Schrittes zu ihm. Es war immer noch schweinekalt. Ich zitterte am ganzen Körper als ich vor seinem Haus in die Einfahrt einbog. Überall hing kitschiger Weihnachtsschmuck. Das war so typisch für seine Mutter.
Schmunzelnd klingelte ich. Nach ein paar Sekunden öffnete mir seine Schwester die Tür. Sie war so alt wie Toni und zuckersüß.
„Hallo.“, quiekte sie leise.
„Hi, ist Moritz da.“ Ihre braunen Augen leuchteten.
„Oben“, gab sie zurück und sauste wieder ins Wohnzimmer vor den Fernseher, wo gerade irgendeine Zeichentrickserie lief.
Langsam bahnte ich mir den Weg die schmale Treppe hinauf und versuchte krampfhaft keines der gefühlten tausend Bildern, die an der Wand hingen, herunter zu werfen.
Aus Moritz Zimmer kam leise Musik. Ich klopfte kurz an, lief aber ohne eine Antwort hinein.
Als er mich sah, drehte er am Lautstärkerad seiner Anlage.
„Setzt dich.“, sagte er.
Ich lies mich auf sein Sofa fallen und zog Bellas Buch aus meiner Tasche.
„Willst du?“, fragte ich und hob ihm das Lederbüchlein hin.
Er nickte kur, nahm es mir ab und schlug es auf.
Kurz überflog er nochmal den letzten Wunsch und setzte einen Hacken dahinter. Dann blätterte Moritz eine Seite weiter. Ich las langsam was darauf stand.
‚Ich will, dass sich alle mit Bruno verstehen und ihn besser kennenlernen. Denn dann merken sie erst was für ein guter Mensch er ist.‘
Bruno. Den, der eigentlich schuld an ihrem Tod ist, sollen wir jetzt besuchen? Und uns sogar mit ihm verstehen?
Er hat nie nach Bellas Tod auch nur einmal gefragt wie es uns geht. Ja, er hatte bestimmt genauso viel damit zu kämpfen, doch wir hätten wenigstens mal reden können.
Erfahren können, wie es wirklich geschehen ist.
„Wenn du das nicht tun willst, verstehe ich das.“, sagte Moritz.
Er wusste wie schwer es für mich damals war, Bruno auch nur annähernd zu verzeihen. Aber es war Bellas Wunsch, dass wir uns mit ihm verstehen. Auch wenn sie damals noch nicht wusste, dass er die Schuld an ihrem Tod trägt.
„Schon okay.“ Mein Herz schlug schnell, auch wenn es keinen triftigen Grund dafür hatte.Eine halbe Stunde später saßen wir im Auto von Moritz Mutter. Moritz hatte von ein paar Freunden die Adresse von Bruno herausgefunden.
Draußen schneite es schonwieder, es war mitten am Nachmittag und die Leute stürmten nur so die Geschäfte an denen wir vorbeifuhren. Klar, morgen war Weihnachten. Da wollte jeder noch etwas haben. Weihnachten, das Fest der Liebe, der Versöhnung. Vielleicht war ja heute genau der richtige Zeitpunkt um so einen großen Schritt zu tun. Es kostete mich wahnsinnig viele Überwindung und ich weis nicht was genau mich dazu gebracht hatte diese Sache durchzuziehen.
Nicht lange fuhren wir. Schon bald hielt Moritz Mutter vor einem riesigen Plattenbau. Die Gegend hier war nicht gerade eine der schönen und ich war ziemlich skeptisch.
Mit der Adresse in de Hand liefen wir das Treppenhaus hinauf.
Hausnummer 15. Also ziemlich weit oben. Der Plattenbau hatte keinen Fahrstuhl, so kämpften wir uns den Weg in den fünften Stock zu Fuß.
Und da war sie. Nummer 15. Gleich würde ich Bruno sehen, schneller als ich je erwartete hätte.
Bevor der Drang, wieder nach unten zu rennen und diese Gegend zu verlassen, mich besiegte, klingelte ich. Moritz Hand lag ruhig auf meiner linken Schulter.
Nach gefühlten Stunden, öffnete jemand die Tür. Aber nur einen Spalt, die Türkette noch eingehängt.
„Ja?“ Brunos Stimme erfüllte das Treppenhaus.
Mein Herz wummerte. Er war schuld, dass Bella nicht mehr am Leben war. Ich hatte mir vorgestellt, ich würde ihn anspringen und umbringen wollen, wenn ich ihn das nächste mal sehen würde. Doch so war es in dem Moment nicht. Ich wollte mir seine Version der Geschichte anhören. Gut, vielleicht lag es auch daran dass ich am Anfang nur ein paar Zentimeter seines Gesichtes sehen konnte.
„Wir sind’s. Sarah und Moritz.“, presste Moritz hervor.
Kurz ging die Tür wieder zu. Ein leises rascheln. Dann öffnete Bruno sie uns wieder.
Er schob seine Hände in die Taschen seiner schwarze Jogginghose. Seine braunen Haare lagen unordentlich auf dem Kopf und er sah ziemlich fertig aus.
Lautstark räusperte er sich.
„Kommt rein.“
Dann lief er voraus. Wir folgten ihm. Die Wohnung war nicht gerade aufgeräumt und ziemlich verdreckt. Überall stapelten sich Kartons und in der Küche der Geschirrberg.
„Sorry, ist ein bisschen unordentlich. Ich wohn noch nicht so lange hier.“ Er lief ins Wohnzimmer. Die einzigen Möbelstücke, die dort standen, waren ein Sofa und ein leeres Regal.
„Warum seid ihr hier?“ Wir setzten uns. Der Geruch von kaltem Rauch stieg mir in die Nase. Draußen hupten ein paar Autos.
„Wir wollten mit dir reden.“ Moritz übernahm das sprechen, so hatten wir es schon vorhin im Treppenhaus beschlossen.
Bruno sah uns fragend an. Doch ich glaube er wusste ganz genau worum es ging.
„Wir würden gerne mal deine Version des Unfalls hören.“ Bruno stützte seine Ellenbogen auf die Schenkel.
„Ich weis, dass ihr denkt, ich bin der böse, der an allem schuld ist. Verstehe ich auch. Ich habe den Unfall ja auch verursacht.“ Er legte seinen Kopf auf in seine Hände.
Irgendwie tat er mir ja Leid.
„An dem Abend als es passierte, war Bella bei mir. Sie hatte mir schon ein paar Tage davor gesagt, dass sie weg möchte. Von ihrer Mutter, weil die immer gegen uns war. Ich wollte es ihr ausreden, ich war nie dafür, wie ihr vielleicht denkt…“
„Und wieso seid ihr dann doch gefahren?“, unterbrach ich ihn lautstark. Okay, dass mit ‚Moritz das Reden überlassen‘ hat wohl nicht so funktioniert.
„Weil es stimmte. Ihre Mutter war eine Tyrannin. Sie hasste mich und Bella und ich konnten uns nur heimlich treffen. Wir wollten nicht für immer weg bleiben, nur für ein paar Tage. Einfach mal was anderes sehen. Also fuhren wir los…
-FORTSETZUNG FOLGT- …im nächsten Kapitel :-)Es tut mir wahnsinnig Leid, dass ich schon so eine Ewigkeit nicht mehr geupdatet hab. Aber in letzter Zeit musste ich so viel lernen :-/…ich werde versuchen ab jetzt wieder schneller neue Kapitel zu schreiben. Ich hoffe ihr bleibt mir dennoch treu.
Morgen oder übermorgen kommt wahrscheinlich die ‚Fortsetzung‘, war jetzt einfach zu müde dafür. :-) <3Lysell <33
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Hundert Wünsche
Ficção AdolescenteSarah lebt ein ganz normales Leben, bis ihre Freundin Bella bei einem Autounfall ums Leben kommt. Seitdem zieht sie sich zurück, unternimmt nichts mehr mit ihren anderen Freunden. Auch nicht mit Moritz ihrem besten Freund. Ein Grund warum Sarah jed...